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Sport: Umstrittener Meister

Mit ausgestreckter Faust verharrte Stefan Lindemann am Ende seiner Kür auf dem Eis. Er hatte es geschafft.

Mit ausgestreckter Faust verharrte Stefan Lindemann am Ende seiner Kür auf dem Eis. Er hatte es geschafft. Als erster deutscher Eiskunstläufer schaffte der Erfurter am Sonnabend bei den Deutschen Meisterschaften im Berliner Erika-Hess-Eisstadion eine Dreifach-Kombination aus Dreifach-Axel, Dreifach-Toeloop und Doppel-Rittberger. Damit konnte Lindemann den wieder einmal nicht gezeigten Vierfach-Toeloop und den ebenfalls misslungenen zweiten Dreifach-Axel wettmachen. Die Preisrichter beurteilten seine sportliche Leistung durchaus wohlwollend, nämlich mit einer hohen Bewertung von bis 5,8 Punkten. Als dann auch noch sein verbesserter künstlerischer Eindruck mit ebenso hohen Noten honoriert wurde, war die Entscheidung gefallen. Stefan Lindemann war zum zweiten Mal Deutscher Meister.

Besonders stolz war er auf seine Eigenkreation, die Dreifach-Kombination. Ganz spontan hatte er erst hier in Berlin entschieden, sie zu zeigen. Nach diesem Höhepunkt am Anfang seiner Kür patzte er allerdings beim Dreifach-Rittberger. Als dann auch noch der zweite Dreifach-Axel misslang, "wurde mir klar, dass es eng werden könnte". Die Preisrichter waren dennoch auf seiner Seite.

Eine gute Leistung zeigte auch Andrejs Vlascenko. Mit einer sportlich und künstlerisch gelungenen Kür forderte er den nach ihm startenden Stefan Lindemann heraus. Immerhin gelangen ihm zwei saubere Dreifach-Axel und weitere sechs Dreifach-Sprünge in seiner Kür zu Bluesmelodien. Mancher Experte hatte ihn besser gesehen als Stefan Lindemann, nicht jedoch die Preisrichter. 7:2 zu Gunsten Lindemanns, doch selbst Angela Siedenberg, die Präsidentin der Deutschen Eislauf-Union (DEU) sprach "von einem engen Einlauf, es hätte auch andersherum ausgehen können". So war denn Andrejs Vlascenko auch durchaus mit seiner Leistung zufrieden, "aber nicht mit den Preisrichtern".

Sieger Lindemann hatte mit Unterstützung von Jutta Müller, die einst Katarina Witt zu zwei Olympiasiegen geführt hatte, im Sommer hart an seiner künstlerischen Ausstrahlung gearbeitet. Das war zuvor stets seine größte Schwäche gewesen. Andeutungsweise habe sich die Arbeit in seiner Präsentation und seinem Auftreten bei der DM schon gezeigt, analysierte Lindemann. Dieses auf Initiative der DEU entstandene Projekt läuft allerdings nur bis zu den Olympischen Spielen im kommenden Februar. Deshalb sind auch die Deutschen Meisterschaften nur ein kleiner Schritt auf dem Weg nach Salt Lake City. Nächste Station ist die Europameisterschaft im Januar in Lausanne. Startberechtigt sind sowohl Lindemann als auch Vlascenko. Für Salt Lake City gibt es aber nur einen Startplatz, und die Norm für die Qualifikation liegt hoch. Ein Platz unter den besten acht muss es sein. Deshalb werden die Trainingsumfänge bei Lindemann ab nächster Woche reduziert.

An die Möglichkeit, dass Lindemann die Olympia-Qualifikation verpasst, mag bei der DEU keiner denken. Denn Andrejs Vlascenko wartet immer noch auf seinen deutschen Pass. Sollte er diesen nicht rechtzeitig bekommen, könnte er bereits die zweiten Olympischen Spiele verpassen. Eine erste Frist für die Vorlage des Passes lief Anfang November ab, wurde aber auf unbestimmte Zeit verlängert. Im schlimmsten Fall könnte also kein Vertreter der deutschen Eislauf-Herren zu den Olympischen Spielen fahren.

Deshalb sucht die DEU jetzt Beistand bei höheren Instanzen. Manfred von Richthofen saß am Samstag auf der Tribüne des Erika-Hess-Stadions. Der Präsident des Deutschen Sportbundes will sich einschalten. "Schließlich ist Eiskunstlaufen eines der Herzstücke der Olympischen Spiele", sagte von Richthofen.

Claudia Grell

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