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Sport: Unbesiegbare schwarze Bestie

Warum die Spanier vor den Deutschen im Finale so viel Respekt haben und was deren Entschlossenheit bewirken kann

An Selbstbewusstsein hat es Christoph Metzelder zuletzt ganz bestimmt nicht gemangelt. Der Innenverteidiger der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist von allen Seiten in die Kritik genommen worden, aber Metzelder hat nicht im Geringsten daran gezweifelt, dass er seinem Team während der Europameisterschaft eine Hilfe war. Gestern ist er möglicherweise ein wenig zu weit gegangen: Metzelder hat Bundestrainer Joachim Löw öffentlich in die Aufstellung für das EM-Finale reingeredet. „Der Moment muss auf unserer Seite sein“, hat er gefordert. Wer für den Moment aus der Startelf weichen soll, ließ er offen. Angeblich planen die Deutschen sogar, den Moment als zwölften Spieler einzusetzen. Ist das nicht unfair? Nein. Nur realistisch!

Nach den beiden Halbfinalbegegnungen gehen die Spanier als klarer Favorit in das Finale. Den Deutschen soll es nur recht sein. „Diese Rolle ist kein Problem für uns“, sagt Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft. Ganz im Gegenteil. Die Deutschen haben bei diesem Turnier nur einmal richtig gut ausgesehen: als sie gegen Portugal angeblich nichts zu melden hatten und den Turnierfavoriten am Ende entzauberten. „Auch wir haben in diesem Turnier gezeigt, was in uns steckt“, sagt Bierhoff.

Aus dieser Erfahrung zieht die Mannschaft ihren Optimismus für das Finale. Mag der Rest der Welt die Deutschen schon im Voraus abgeschrieben haben, die Spieler wissen, dass sie nicht ohne Chance sind: Wir sind Deutschland. „Spanien hat große fußballerische Qualitäten“, sagt Christoph Metzelder. „Aber in einem Finale werden besondere Qualitäten abgefragt. Ich denke, dass wir diese Qualitäten haben.“ Den Siegeswillen, die Leidenschaft, den Glauben an die eigene Stärke.

Natürlich spielt am Sonntag auch die Geschichte mit: auf der einen Seite die Spanier, die seit Menschengedenken nichts mehr gewonnen haben; auf der anderen die Deutschen, die am Ende angeblich immer gewinnen. Dass das schon lange nicht mehr stimmt – geschenkt. „Ich weiß, dass die Spanier großen Respekt vor uns haben werden“, sagt Metzelder, der als Verteidiger von Real Madrid über genauere Einblicke in das spanische Seelenleben verfügt. Vor dem Turnier hat er sogar von einer Urangst gesprochen. Der deutsche Fußball gilt den Spaniern als schwarze Bestie, als quasi unbesiegbar, und mit dem späten Sieg im Halbfinale gegen die Türkei hat die Nationalmannschaft ihren Ruf noch einmal gefestigt

Die Psychologie ist mit Sicherheit auf Seiten der Deutschen, die fußballerische Qualität spricht eher für Spanien. Spielstark und ballsicher ist vor allem das Mittelfeld, aber auch die Innenverteidiger können das Spiel ansprechend eröffnen. „Die Spanier haben eine Mannschaft, die sehr schwer zu knacken sein wird“, sagt Metzelder. Bundestrainer Löw hält ihr Spiel für variabler als das der Portugiesen, die leicht zu durchschauen und damit lahmzulegen waren. „Die Mittelfeldspieler wechseln ständig die Positionen und stoßen in die Spitze vor. Dadurch sind sie unberechenbar“, sagt Löw.

Die deutsche Mannschaft mag diese Spiele, in denen sie sich herausgefordert fühlt. „Du musst immer auf alles eine Antwort haben“, sagt Torsten Frings, der nach seinem Rippenbruch offiziell wieder voll einsatzfähig ist. „Wir werden alles dafür tun, um die Spanier nicht ins Spiel kommen zu lassen.“ Sie werden sie aggressiv angehen, sie schon bei der Ballannahme stören, um ihnen auf diese Weise die Lust am Spektakel zu nehmen.

Es gibt eine Entschlossenheit bei den Deutschen, die mehr wert sein kann als die spielerische Qualität. Sie speist sich auch aus der misslichen Erfahrung, außer lobenden Worten noch nichts gewonnen zu haben. 2002 unterlagen die Deutschen Brasilien im WM-Endspiel, 2005 beim Confed-Cup und 2006 bei der Weltmeisterschaft scheiterten sie jeweils im Halbfinale.

Die Mannschaft empfindet das als Makel, auch wenn vor zwei Jahren eine Million Menschen den dritten Platz bei der WM am Brandenburger Tor gefeiert haben. Dass die Mannschaft am Montag genau dorthin zurückkehren wird, ist eine zusätzliche Motivation. „2006 war auch sehr schön, aber da hat irgendwas gefehlt“, sagt Torsten Frings. „Diesmal wollen wir noch etwas mitbringen – nicht nur ein T-Shirt, auf dem draufsteht: Danke.“

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