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Sport: „…und auf einmal kommt ein Speer“

Europas beste Speerwerferin Christina Obergföll über den Unfall bei der Golden League in Rom

Frau Obergföll, haben Sie schon den Unglückswurf Ihres finnischen Kollegen Tero Pitkämäki gesehen, der am Wochenende in Rom den französischen Weitspringer Salim Sdiri verletzt hat?

Ich habe es mir erst am nächsten Morgen im Internet angeschaut und bin echt erschrocken. So etwas habe ich noch nie gesehen.

Wie kann ein Wurf so weit abdriften, dass er an der Weitsprunggrube einen Athleten verletzt?

Der Tero wirft sehr radikal, ihm ist der Wurf wohl abgerutscht und er hat einfach die Kontrolle verloren. Das hat auch mit seiner Technik zu tun.

Das heißt?

Er schleudert sich sehr nach vorne und fängt sich dann mit den Händen ab. In diesem Fall hat er wohl seinen Oberkörper durch die hohe Geschwindigkeit zu stark verdreht.

Sie gelten auch als radikale Werferin, ist Ihnen schon einmal Ähnliches passiert?

Also getroffen habe ich noch niemand.

Gab es noch nie eine Schrecksekunde, als Sie den Speer losgeworfen haben?

Doch, im Training. Da sind bei 50 oder 55 Metern Weite Kinder über den Rasen gelaufen, und ich habe es nicht gesehen. Ich habe geschrieen wie am Spieß. Zum Glück war mein Wurf zu kurz.

Salim Sdiri hat Verletzungen in Leber und Niere davongetragen. Allerdings haben seine austrainierten Muskeln wohl ein tieferes Eindringen des Speers verhindert. Was kann man tun, um das Risiko zu verringern? Den Wurfsektor vergrößern?

Das reicht nicht zwingend aus, denn in diesem Fall hätte Tero auch den Sektor verfehlt, wenn er noch zehn Meter breiter gewesen wäre. Aber es geht auch nicht nur um den Wettkampf selbst.

Sondern?

Kürzlich in Lausanne beim Grand Prix haben wir uns auf einem Platz eingeworfen und nur drei Meter neben uns haben sich die Läufer aufgewärmt. Da war auch keiner, der aufgepasst hat. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis etwas passiert.

Haben Sie sich da überhaupt in Ruhe einwerfen können?

Wie denn? Man kann sich doch unter solchen Bedingungen nicht befreit vorbereiten. Ich habe auch nur aus dem Stand geworfen oder mit drei Schritten Anlauf.

Im Wettkampf scheint alles bis ins letzte Detail geplant zu sein. Lässt sich ein solches Unglück wirklich nicht verhindern?

Kampfrichter sind ja schon öfter mal getroffen worden, auch mit dem Hammer oder Diskus. Die sind dann kurz abgelenkt, etwa wenn der Stadionsprecher eine Durchsage macht, dass in einem besonders spannenden Lauf gerade ein Überholmanöver stattfindet, und auf einmal kommt ein Speer geflogen. Um den Kampfrichtern noch eine Warnung zuzurufen, ist es meistens zu spät. Die Flugphase des Speers ist nicht lang genug. Dass aber ein Athlet schon mal getroffen wurde, davon habe ich noch nie gehört.

Sie wirken ratlos, welche Konsequenzen sich aus so einem Unglück ziehen lassen.

Ich wüsste nicht, was man dagegen tun kann. Vielleicht die Weitspringer anders platzieren. Aber eigentlich beträgt die Wahrscheinlichkeit für so ein Unglück wie in Rom eins zu einer Million.

Die Fragen stellte Friedhard Teuffel.

Christina Obergföll, 25, wurde vor zwei Jahren mit neuem Europarekord von 70,03 Meter in Helsinki WM-Zweite. Vor vier Wochen verbesserte sie ihren Rekord auf 70,20 Meter.

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