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Sport: Und der Haifisch, der hat Zähne

Sandra Prokoff und Susi Erdmann beherrschen die Bob-Szene – doch zu sagen haben sie sich nichts

Berlin. Das weit aufgerissene Haifischmaul flößt Respekt ein. Die Zähne sind spitz, scharf und zum Angriff bereit. „Ich finde, das passt zu mir“, sagt Sandra Prokoff. Bereits im dritten Winter hat die Spitze ihres Bobs dieses Aussehen. „Das passt auch deshalb, weil ein Bob so ein wenig die Form eines Hais hat“, sagt sie. Sandra Prokoff hat sich damit sehr schnell gehörigen Respekt verschafft. Mit gerade einmal 29 Fahrten an den Lenkseilen des Eishais kam die Winterbergerin zu Olympia nach Salt Lake City, und mit der Silbermedaille kehrte die gebürtige Sächsin wieder zurück. Seitdem ist sie immer besser geworden, und in dieser Saison dominiert sie den Weltcup sogar ziemlich klar. Damit gilt Sandra Prokoff mit ihren Anschieberinnen, von denen sie immer wieder einmal eine andere im Zweierbob einsetzt, als Favoritin für die deutsche Meisterschaft, die heute auf ihrer Heimatbahn im Hochsauerland beginnt. Sie oder Susi Erdmann aus Königssee – eine von beiden wird garantiert gewinnen.

Wieder einmal ist die Konstellation so, und es geht auch in diesem Wettkampf nicht nur um Platz eins und zwei. Beide Bobfahrerinnen kennen sich schon aus ihrer gemeinsamen Zeit als Rodlerinnen, haben sportlich viele Gemeinsamkeiten, und dennoch gehen sie sich lieber aus dem Weg. In den Schlagzeilen stand immer nur Susi Erdmann, die mehrmalige Rodelweltmeisterin, die hübsche, immer unbeschwert auftretende blonde Frau mit der Figur eines Models. Selbst bei Olympia in Salt Lake City, als sie hinter Sandra Prokoff die Bronzemedaille holte, gehörten ihr die Schlagzeilen.

Wie das alles auf die Mannschaftskollegin gewirkt hat, darüber macht sich Susi Erdmann keine Gedanken. „Mit ist das egal, ich kenne das Problem von Sandra nicht“, sagt sie. „Aber deswegen sehe ich noch keinen Zickenalarm, das ist nicht mein Stil. Dafür bin ich zu lange im Geschäft.“ Die einst mit dem deutschen Bob-Star Christoph Langen liierte und derzeit ungebundene Susi Erdmann beschäftigt sich lieber mit anderen Dingen. „Die Sehnsucht der starken Frau nach dem starken Mann“, ein Roman von Maja Stoch, sagt ihr eher zu. „Ich verhalte mich Sandra gegenüber professionell, habe auch kein Problem, ihr zu gratulieren, aber das war es dann auch“, fügt Susi Erdmann noch hinzu.

Sandra Prokoff kommt mit diesem Problem nicht ganz so gut klar. Obwohl sie wie Susi Erdmann Sportsoldatin bei der Bundeswehr ist, fühlt sie sich doch benachteiligt. „Von unserem Wunsch-Etat für die Saison ist vielleicht ein Viertel gedeckt“, sagt sie, und auf den Hinweis darauf, dass auch Susi Erdmann nicht über die große Kasse verfügt, reagiert sie etwas schroff: „Ja, ja, das sagt sie immer. Sie soll doch mal ganz ruhig sein.“ Für beide Bobfahrerinnen, die trotz der Unterstützung durch den Verband und die Bundeswehr in erster Linie den Status eigenständiger Unternehmerinnen haben, ist die Suche nach Sponsoren das vorrangige Problem. Sie fahren die kleinen Trucks selbst, müssen die Anschieberinnen bezahlen und auch einen Teil der Trainingslager. „Ich muss dabei eben sehr viele Abstriche machen“, sagt Sandra Prokoff, die durchaus Gelegenheit hätte, wie zuletzt auf der langen Überseereise in die USA, sich mit Susi Erdmann darüber auszutauschen. Dazu kam es aber nicht. „Da unterhalte ich mich lieber mit anderen“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich muss mit ihr nicht klarkommen. Ich will nichts, ich brauche nichts.“ Wenn partout keiner da war, mit dem sie gerne geredet hätte, hat sie lieber die Harry-Potter-Bände eins bis vier gelesen.

„Vielleicht sollten wir auch einmal solch einen Zickenzoff wie die veranstalten“, hat Sandra Prokoff einmal als Anspielung auf das werbewirksame und damit monetär sehr einträgliche Theater zwischen den Eisschnellläuferinnen Anni Friesinger und Claudia Pechstein zu ihren Team-Gefährten gesagt – allerdings nur aus Spaß. Sie will diesen Zoff nicht. „Nein, nein“, sagt Sandra Prokoff, „ich kann bloß das ganze Gejammer von Susi nicht verstehen.“

Damit will es Sandra Prokoff zu diesem Thema belassen, lieber über sich und ihre noch einige Jahre laufende Bob-Karriere reden. Als erstes Anzeichen ihres steigenden Bekanntheitsgrades hat sie gerade ein Erlebnis in Winterberg gehabt, das ihr Mut macht. „Beim Einkaufen wollte ich mit der Eurocard bezahlen, aber das ging nicht. Plötzlich meldete sich eine Frau aus der Reihe an der Kasse, und sagte, dass sie mich kennen und mir das Geld auslegen würde.“

Wenn es erst einmal mit dem Meistertitel am Freitag klappen würde, einen Tag vor ihrem 28. Geburtstag, und dann auch noch in Winterberg Ende Februar mit dem Weltmeistertitel, wäre Sandra Prokoff in der kleinen Stadt am Fuße des Kahlen Asten in aller Munde. Während Susi Erdmann („Ich gebe alles“) sich bis dahin vor allem athletisch weiter verbessern möchte, sagt Sandra Prokoff mit Blick auf das offene Haifischmaul auf dem Bob: „Ich werde mich durchbeißen.“

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