zum Hauptinhalt

Sport: Ungeplante Höhen

Der schwedische Hochsprung-Star Stefan Holm freut sich auch über Bronze

Eben klang es noch wie Torjubel, doch kurz darauf schrie fast das ganze Stadion entsetzt auf wie nach drei verschossenen Elfmetern. Das Publikum im Göteborger Ullevi-Stadion begleitete Stefan Holm lautstark beim Überfliegen der Hochsprunglatte. 2,34 Meter meisterte er im letzten Versuch, an 2,36 Metern blieb er dann dreimal hängen. Nach der Siebenkämpferin Carolina Klüft sollte Holm das zweite Gold bei diesen Leichtathletik-Europameisterschaften für die Schweden holen. Holm, der 30 Jahre alte Student der Wirtschaftswissenschaften, gewann am Ende Bronze. Auf der ersten Seite ihrer EM-Beilage druckte die „Göteborgs-Posten“ daraufhin ein riesiges „NEEEJ!“. Das hatten auch die meisten der 40 000 Zuschauer im Stadion geschrieen, als Holm scheiterte.

Holm selbst analysierte sein Endergebnis ein bisschen anders. Er habe nicht die Goldmedaille verloren. „Ich habe Bronze gewonnen. Es war mein bester Wettkampf seit langem.“ Ähnlich sah es Patrick Sjöberg: „Er ist wieder an seiner alten Form dran.“ Was Sjöberg sagt, hat für Holm Bedeutung. Denn dass aus Holm überhaupt ein Hochspringer wurde und 2004 in Athen sogar ein Olympiasieger, daran hat Sjöberg entscheidenden Anteil. Als Sjöberg Mitte der Achtzigerjahre Weltspitze im Hochsprung war und 1987 in Rom sogar Weltmeister wurde, saß Stefan Holm vor dem Fernseher. „Er wollte auch so springen wie Patrick, dabei war er noch so klein“, erzählt sein Vater Johnny Holm. Die ersten Sprünge machte Stefan zu Hause auf dem Sofa, bis ihm das zu niedrig wurde und sein Vater eine Anlage in den Garten baute. Sein Vater wurde auch sein Trainer.

Die Geschichte von Stefan Holm ist typisch für die schwedische Leichtathletik. Nach Athen reisten 2004 nur zwölf schwedische Leichtathleten. Mit drei Goldmedaillen kamen sie zurück. Seitdem gilt Schweden als Vorbild. Doch das schwedische Modell ist, dass es eigentlich gar kein Modell gibt. Gemeinsame Erklärungen für den Erfolg sind kaum zu finden, beinahe jeder hat seinen eigenen Weg gewählt, ob es Carolina Klüft ist, der Dreispringer Christian Olsson, die Hochspringerin Kajsa Bergqvist oder eben Stefan Holm. Als Hochspringer wäre er den Talentfindern in anderen Ländern wohl gar nicht aufgefallen. Holm ist nur 1,81 Meter groß geworden.

Kein Zentralismus, kein System, wenig Druck, das sind die Merkmale der schwedischen Leichtathletik. Auch manche Trainer reklamieren für sich einen eigenen Weg. Yannick Tregaro, Trainer von Olsson und Bergqvist, nennt die „Kontrolle des Körpers“ als seine Methode. Er setze auf allgemeine Übungen, weil eine zu starke Spezialisierung die Athleten nicht weiterbringe.

Schwedische Leichtathleten haben noch ein anderes Ziel: „Finnkampen“, der jährliche Länderkampf zwischen Schweden und Finnland. In jeder Disziplin starten drei Athleten, das gibt auch weniger talentierten eine Chance, zumal die Spitze in Schweden nicht breit ist.

Das Nicht-System Schweden hat immerhin die aktuelle goldene Generation hervorgebracht. So wie Stefan Holm einst Sjöberg nacheiferte, soll er jetzt selbst wieder Kinder fürs Springen begeistern. Die EM in Göteborg ist dafür die beste Gelegenheit. Über seinen dritten Platz war er zwar auch enttäuscht, denn Europameister wird der 30-Jährige nun wohl nicht mehr, die nächste EM findet erst 2010 in Barcelona statt. Aber er hat noch einiges vor: „Wenn ich gesund bleibe, stecken noch ein paar Höhen in diesem zu kurzen Körper.“

Zur Startseite