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Sport: Ungleiche Freunde

Von Benedikt Voigt Berlin. Irgendwann zu Beginn der Saison 1978/79 ist es passiert.

Von Benedikt Voigt

Berlin. Irgendwann zu Beginn der Saison 1978/79 ist es passiert. Den genauen Tag kann Emir Mutapcic nicht mehr bestimmen, es ist ja schon eine Weile her, seit er damals als 18-Jähriger zum ersten Mal mit der ersten Mannschaft von Bosna Sarajevo trainierte. Zu jenem Team gehörte ein elf Jahre älterer Spieler. „Ich hatte großen Respekt vor ihm“, erinnert sich Mutapcic, „er war ja ein erfahrener Profi.“ Das war der Tag, an dem er Svetislav Pesic zum ersten Mal begegnete. Es sollten weitere folgen.

Der heutige Tag ist so einer. In Köln treffen die beiden ehemaligen Mannschaftskameraden im ersten Finalspiel um die deutsche Meisterschaft aufeinander (14.10 Uhr, live im DSF). Svetislav Pesic trainiert die Gastgeber Rhein Energy Cologne, Emir Mutapcic coacht Alba Berlin. Wer als erstes drei Spiele gewinnt, darf sich Deutscher Meister nennen. Eigentlich ein guter Grund, um in dem anderen Trainer den Rivalen zu sehen, der einem das Saisonziel streitig macht. Nicht für Mutapcic. „Es hat sich nichts geändert an unserem Verhältnis“, sagt der Bosnier. Die Frage allein macht ihn ärgerlich. Wie kann man auf die Idee kommen, dass eine Finalserie die Verbindung zweier Menschen ändert? „Unser Verhältnis ist wie immer“, sagt Mutapcic. Auf so viel gemeinsam verbrachte Zeit blicken beide zurück, in so vielen Konstellationen arbeiteten sie bei Bosna Sarajevo und bei Alba Berlin zusammen (Spieler-Spieler, Spieler-Trainer, Assistenztrainer-Trainer), dass irgendwann in all den Jahren ein Gefühl entstand. Freundschaft.

Das muss Mutapcic gar nicht aussprechen, das hört man aus jedem Wort. Wenn er über das Trainerduell im Finale sprechen soll, betont er die Gemeinsamkeiten. Vier Kölner Spieler gehörten einst zum Alba-Programm, für das Pesic als Trainer und Mutapcic als Assistenztrainer bis zum Sommer 2000 verantwortlich zeichneten. Inzwischen trifft man sich als Trainer der besten Teams im Lande wieder. „Das spricht für unsere Arbeit“, sagt Mutapcic.

Doch Pesic hat es Mutapcic nicht leicht gemacht. Als Nachfolger muss er sich an dessen Erfolgen messen lassen, die mit dem Korac-Cup-Sieg, vier deutschen Meisterschaften und zwei Pokalsiegen üppig ausfielen. Während Pesic 1993 als erfahrener Trainer zu Alba kam, der gerade mit Deutschland den Europameistertitel geholt hatte, beschränkten sich Mutapcics Erfolge als Headcoach im Sommer 2000 auf einen Bundesligaaufstieg mit dem Zweitligisten TuS Lichterfelde. Als Individualtrainer hatte er zwar mit jedem Alba-Spieler bereits intensiv gearbeitet, mit manchem gar in Lichterfelde zusammen gespielt. Doch Cheftrainer sein ist eine andere Sache. Mutapcic sagt: „Ich musste um Autorität und Respekt kämpfen.“

Anders der autoritäre Svetislav Pesic, dessen Trainer-Philosophie auf seine Person ausgerichtet ist, wie er unlängst bei einem Symposium berichtete. „Ich stehe mit Basketball auf und gehe mit Basketball ins Bett“, erklärte der Kölner Trainer, „wenn ich schon kein Privatleben habe, sollen die anderen auch kein Privatleben haben.“ Alle hätten zum Erfolg beizutragen. „Wenn der Hausmeister um zehn Uhr die Halle aufschließen soll, dann muss ich ihn dazu bringen, dass er schon um acht Uhr vor der Halle steht und aufsperrt.“ Manchmal staucht er Spieler vor der Mannschaft zusammen, er nennt das einen „positiven Konflikt provozieren“. „Der Spieler muss einen roten Kopf kriegen“, sagt Pesic, „ich will, dass er mich hasst.“ Das würde den Spieler motivieren.

Mutapcic ist ein anderer Mensch. „Ich habe eine andere Kommunikation mit den Spielern“, sagt der Vater zweier Kinder. Fachlich lernte er viel von Pesic, doch seine Beziehung zu den Spielern ist freundschaftlicher. „Ich kann Pesic nicht kopieren, ich muss einen eigenen Weg finden“, sagt Mutapcic. Bei Alba nennen ihn alle „Muki“, er gilt als netter Kumpeltyp. Zu nett? „Ich habe auch Konflikte mit den Spielern, das bleibt nicht aus, wenn man sich fünf Stunden am Tag sieht.“ Als Alba in der Hauptrunde der Bundesliga acht Spiele verlor, äußerten die Fans auch Kritik an ihm. Doch die Vereinsführung verlängerte demonstrativ schon im Februar seinen Vertrag um zwei Jahre. Seitdem holte sein Team den Pokal und zu seinem zweiten Meistertitel fehlen nur drei Siege.

Weshalb heute doch etwas anders sein wird zwischen ihm und Svetislav Pesic. Vor dem vierten Halbfinalspiel der Kölner hatte Mutapcic noch seinen Freund angerufen und ihm Glück gewünscht. Auf diesen Anruf wird Pesic nun vergeblich warten. Mutapcic sagt: „Ich brauche auch Glück.“

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