zum Hauptinhalt

Sport: Unglückliche Sieger

Der VfB Stuttgart zittert sich zu einem 1:0-Erfolg über Hannover und ärgert sich über die eigenen Fans

Sie sahen nicht gerade aus, als hätten sie soeben noch ein Spiel kurz vor Schluss gewonnen. Als die Mannschaft des VfB Stuttgart im Gänsemarsch zum Auslaufen aus der Kabine kam, sahen die meisten geschafft und verärgert aus. Dabei hatte zwei Minuten vor dem Abpfiff Kevin Kuranyi das 1:0 gegen Hannover 96 geschossen. Ein Tor, das Stuttgart weiter auf Champions-League-Kurs hält.

Aber auch beim Nationalstürmer wollte nach dem 17. Saisonerfolg keine Freude aufkommen. Stattdessen kritisierte er die Zuschauer. „Dass die Haupttribüne schon in der Halbzeit pfeift, kann ich nicht verstehen. Ein richtiger Fan steht von der ersten bis zur letzte Minute hinter uns“, schimpfte Kuranyi. Trainer Matthias Sammer hatte sich schon nach 45 Minuten mit Teilen des Publikums angelegt, die ihn beim Gang in die Kabine gnadenlos auspfiffen. Nach Kuranyis Tor drehte er sich um und brachte die Zuschauer mit ein paar Gesten noch mehr in Rage. „Dafür möchte ich mich entschuldigen“, sagte Sammer später. Kuranyi hatte nach seinem Tor den Zeigefinger auf seine Lippen gelegt und den Kopf provokativ zur Haupttribüne gedreht, so, wie es Torschützen normalerweise nur vor dem gegnerischen Anhang machen. „Wir haben immer an uns geglaubt, anders als die Zuschauer“, sagte Stuttgarts Torwart Timo Hildebrand, der bereits beim letzten Heimspiel seine Probleme mit den Fans hatte. Er fügte hinzu: „Die sollen mal zur Besinnung kommen.“ Das sei im Übrigen nicht nur seine Meinung.

Er habe sich nun entschuldigt, meinte Sammer, die Reaktionen der Zuschauer aber könne er trotzdem nicht verstehen. „Wir hatten die klareren Torchancen, fünf oder sechs. Die Mannschaft hat eine Reaktion gezeigt.“ Das stimmte, wobei sich der Unterhaltungswert gegen eine stark defensiv ausgerichtete Mannschaft aus Hannover in überschaubaren Grenzen hielt. Stellenweise war die Partie zum einschlafen langweilig, weil die Schwaben kein Mittel fanden, das „Bollwerk“ (Sammer) zu überwinden.

Das vom VfB-Präsidenten Erwin Staudt angekündigte „spielerische Feuerwerk“ aber war nicht einmal in Ansätzen zu sehen. Vielmehr hatte Hannover, sehr zurückgezogen zwar, durchaus ein paar Chancen, zu einem überraschenden Punkterfolg zu kommen. Vorsichtig und zurückhaltend kontrollierten die Niedersachsen oft genug das Spiel im Mittelfeld und vor der eigenen Abwehr. Und sie hatten eigene Möglichkeiten. Stuttgarts Christian Tiffert musste in der 63. Minute nach einem Kopfball von Dariusz Zuraw auf der eigenen Linie retten. „Wir haben uns am Ende zu sicher gefühlt“, sagte Hannovers Trainer Ewald Lienen.

In Stuttgart wiederum führt Sammer nun die von ihm festgestellte Besserung nach den Niederlagen in Rostock und Mönchengladbach auf das neue, rauere Klima zurück. Er zog die Mannschaft einen Tag früher in einem Trainingslager zusammen, Präsident Staudt hielt eine flammende Ansprache, Hleb, Meissner und Meira bekamen Geldstrafen, und Vranjes wurde einen Tag vor dem Spiel gegen Hannover 96 aus dem Mannschaftskader gestrichen.

„Das neue Klima tut der Mannschaft gut“, fand Sammer. Viele Zuschauer sahen es wohl anders.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false