zum Hauptinhalt
Das Zweitliga-Spiel zwischen Union und Frankfurt fand vor großer Kulisse statt. In dieser Szene kämpfen Patrick Kohlmann (l.) und Sebastian Rode um den Ball.

© dapd

Union im Rausch: Zwei denkwürdige Spiele am selben Tag

Jeweils mit Beteiligung des 1. FC Union fanden am Montag in Berlin zwei Fußballspiele statt. Doch während die Begegnung gegen Frankfurt hohe Wellen schlug, lief zeitgleich ein traditionsreiches, aber kaum beachtetes Derby ab.

Knapp über 700 Zuschauer wollten ihren siechen BFC Dynamo gegen Union II beim Kicken zusehen. Unter ihnen auch zehn Union-Fans, die aus dem gefürchteten Lager der Spielereltern zu kommen schienen. Eine traurige Kulisse für dieses traditionsreiche Derby. Aus Furcht vor möglichen Ausschreitungen wurde vom NOFV der Jahnsportpark als Austragungsort gewählt. Angst und Schrecken verbreitet der BFC inzwischen allenfalls um den Zapfhahn herum. Ergreifend war die Schar der trunkenen Trolle, die nach Spielende gen Heimat torkelten. Ein Kick gegen Union lockt immer wieder den Mulm aus den Ritzen. Die Mutmaßung, es könnte ja etwas passieren, ist Lockstoff genug. Wobei sich am Montag gar die Idiotendichte in Grenzen hielt, zu erbärmlich kickt der einstige DDR-Rekordmeister.

18 Uhr 45 im Jahnsportpark, der Stadionsprecher beschwört über den Stadionfunk ein Wunder herauf. Die zänkischen Brüder der englischen Formation Oasis berichteten gerüchteweise von einer mythischen Dame. Sie sei für jegliche Erlösung zuständig. Das Verheißung versprechende Zauberwesen ist nur über kurvenreiche Pfade zu erreichen. Und der Held der Geschichte weiß unzweifelhaft, er ist der Einzige, der Auserwählte. Der gigantische Liebe im Herzen trägt. Und wenn sie nicht entschlafen sind, wartet spätestens am St. Nimmerleinstag Errettung auf sie.

So kann man die Situation der letzten 22 Jahre beim BFC Dynamo gut beschreiben. Während auf der Gegengerade des Jahnsportpark die Sonne über dem Westteil unserer Hauptstadt unterging, fragte ich mich, was ich verdammt nochmal hier tue. Eine Frage, die nur mit feinsinnigstem Schweigen zu beantworten ist. Vorbei an gelangweilten Ordnern und halbstrengen Polizisten genehmigte ich mir ein winziges Schlückchen Sonnenstich.

Es war ein trauriges Derby. Zu allem Ärger von den Verantwortlichen auf einen Heimspieltermin der 1. Mannschaft des 1. FC Union gelegt. Um Auseinandersetzungen zu vermeiden? Um Probleme nach hinten zu schieben? Ein Armutszeugnis, dass sich Fans, Polizei, Vereinsfunktionäre und NOFV gegenseitig ausstellen dürfen. Warum setzt man sich nicht an einen Tisch, nimmt den Partner ernst und versucht ein zurechnungsfähiges Fußballspiel zu gestalten? Mit Ernst und Würde. Bevormundung und Nichtachtung sind prägende Substantive der DDR-Zeit. Fasst euch bei den Händen und tanzt den Jesus Christus. Zumal Union-Präsident Dirk Zingler jüngst „zugeben durfte“, dass es mit seinem Hass auf den BFC, die Stasi und die DDR-Nomenklatura eine ganz besondere Sache ist.

Parallel spielten die Profis - unter den Augen eigentlich ausgesperrter Fans

Ich hatte nicht das Gefühl, bei einem richtigen Fußballspiel zu sein. Gespenstische Ruhe, als beide Teams aufliefen. Ein-zwei Pfiffe, ein paar Spieler klatschten sich Mut zu. Dann doch ein paar "Dynamo, Dynamo"-Rufe. Trotzig grüßten 15 Fanbanner, auf einem steht beschwörend: Der Mythos lebt. Welcher Mythos? Der Glorienschein des Dauerversagers? Auch Montag gab es für den BFC wieder auf die Mütze. Union siegte 1:0. Die Köpenicker taten nicht viel. Doch selbst weitestgehend statisches Gewurstel genügte gegen einen halbwegs kämpferischen BFC, der seit Monaten konzeptlos vor sich hin schlingert.

Ein paar Fans sangen trotzig den ein oder anderen Derbygassenhauer, im Stadion beförderte ein Herr Mielke via Banner ein ironisches: "Unioner, kniet nieder!" in Richtung der zehn Union-Fans.

Die Oberliga Nordost-Nord ist ein kunterbunter Haufen von Kleckerdorfvereinen. Obgleich der BFC nun auf Platz zwölf der Tabelle im Halbschlaf döst, kann selbst der letzte Platz unter Umständen noch zum Aufstieg in die Regionalliga reichen. Nur wenige Clubs werden bis zum 20. April eine Lizenz beantragen, da die Auflagen für kleine Vereine ohne Infrastruktur, ein annehmbares Stadion und 15.000 Euro auf der Tasche dünn gesät sind. Trotz derart günstiger Lage schaffen es die sportlichen Verantwortlichen des BFC nicht, selbst gegen Teams zu gewinnen, die nur aus Spaß an der Freude kicken. In der Rückrunde hat der BFC einen Punkt geholt, seit über 400 Minuten wurde kein Tor erzielt. 0:7-Tore und null Punkte aus den Spielen gegen Rathenow, Rostock, Schöneiche und Union.

Schicklich zum Kick präsentierte sich der Jahnsportpark fünftklassig. Wegen Bakterienbefall waren Kabinen und Duschen gesperrt, die Mannschaften duften ihr unverdientes Duschbad in einer Nebenbaracke absolvieren. Der Mythos lebt.

Indes der BFC vom Union-Nachwuchs gefeudelt wurde, ließen sich parallel die Profis des 1. FCU von Eintracht Frankfurt pudern.

Die Kreativität und der Listenreichtum von Fußballfans sind keine Grenzen gesetzt. Sie können stolz darauf sein. Kritik am DFB, wenn auch sehr leise, hatte sich sogar in die Presseerklärung des 1. FC Union nach dem Spiel geschlichen: „Es hatte etwas befremdliches, als Schiedsrichter Günter Perl vor ausverkauftem aber nicht vollem Haus pünktlich das erste und einzige Montagsspiel im Stadion An der Alten Försterei freigab. Den Gästen, die scheinbar ohne Anhang aus der Mainmetropole angereist waren, war dieser Nachteil nicht anzumerken.“

Bilder von der Fan-Aktion im Stadion an der Alten Försterei:

„Fick dich DFB“ war eine via Banner verkündete klare Ansage der Union-Fans an den DFB, welche von der großen Mehrheit im Stadion wenigstens gebilligt wurde. Mal sehen, wie unser neuer DFB-Präsident mit Kritik umzugehen weiß. Eine erste, durchaus positiv zu bewertende Reaktion kam vom für Rechtsfragen zuständigen DFB-Vizepräsident Rainer Koch. Er erklärte am Dienstag, der DFB wolle Gäste-Fans künftig nicht mehr mit einem Ausschluss sanktionieren.

Was zählt, ist die beeindruckende Solidarität unter den Fans. Wenn um die 1000 Frankfurter dem Spiel ihrer Lieblinge live folgen können, obwohl sie eigentlich vom DFB ausgesperrt waren, ist das ein handfestes Fanal. 

Dafür sage ich einfach mal: Danke!

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false