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Obenauf. Andre Schubert ist statistisch der beste Trainer in der Geschichte von Borussia Mönchengladbach. Aber auf Statistiken steht Schubert ja nicht so.

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Update

Unser Blog zum Bundesliga-Wochenende: Borussia Mönchengladbach: Ende einer seltsamen Trainerdiskussion

Außerdem: Hertha BSC und der Absturz, Sandro Wagner und sein Ausflug in die Ostkurve, Kevin Großkreutz und die Tränen, RB Leipzig und der Aufstieg.

16.10 Uhr - Schubert bleibt Trainer bei Borussia Mönchengladbach. Nach dem fünften Spieltag dieser Saison gab es zwei Mannschaften, die mit jeweils fünf Niederlagen das Tabellenende der Fußball-Bundesliga zierten. Der damalige Vorletzte VfB Stuttgart ist heute immer noch (oder wieder) Vorletzter. Der Letzte von einst liegt einen Spieltag vor Schluss auf dem vierten Tabellenplatz und ist dank der besseren Tordifferenz so gut wie sicher für die Play-offs zur Champions League qualifiziert. Es handelt sich um Borussia Mönchengladbach.

Nie zuvor hat es eine Mannschaft, die mit fünf Niederlagen in eine Saison gestartet war, noch in die obere Tabellenhälfte geschafft. Das ist nicht nur eine Statistik, die vermutlich auch Gladbachs Trainer Andre Schubert gefallen dürfte, sie zeigt auch, wie man die Spielzeit der Gladbacher einzuschätzen hat: als sensationell, phänomenal, intergalaktisch. Da kann man es schon verstehen, dass Borussias Manager Max Eberl am vergangenen Samstag ein bisschen lauter geworden ist, als er nach dem Sieg gegen Leverkusen zur Zukunft des Mannes befragt wurde, der das alles mit zu verantworten hat. Zur Zukunft von Trainer Andre Schubert. Bleibt er? Wenn ja, wie lange? Oder kommt Markus Weinzierl? „Wir sind gerade Vierter geworden, und ich kriege nur diese Fragen gestellt“, sagte Eberl. „Es ist bodenlos, was hier gerade passiert.“

Erst unter der Woche hatte die „Bild“-Zeitung berichtet, dass der Augsburger Trainer Weinzierl gar nicht zum FC Schalke gehen werde, sondern zu Borussia Mönchengladbach. Schubert hat das zu der humoristischen Aussage verleitet: „Markus Weinzierl muss ja ein unheimlich schnelles Auto haben, weil er ja nächstes Jahr immer zwischen Schalke und Gladbach hin und her fahren muss.“ Aber so lustig ist das eigentlich gar nicht.

Schubert hat mit der Mannschaft im Schnitt 1,86 Punkte geholt – das ist die beste Ausbeute eines Gladbacher Trainers überhaupt. Und in den 28 Spielen unter seiner Verantwortung haben nur Bayern München und Borussia Dortmund besser gepunktet. „Die Gladbacher Diskussionen sind allenfalls damit zu begründen, dass Schubert nicht nur für Außenstehende eine rätselhafte Figur ist“, hat die „Rheinische Post“ kommentiert. Aber Schubert verdiene es, „nicht an seiner Öffentlichkeitsarbeit, sondern an seiner Bilanz gemessen zu werden. Die lässt wenig Kritik zu.“ Und die geschätzten Kollegen vom Borussia-Mönchengladbach-Portal „Torfabrik.de“ schreiben über Schubert: „Der Trainer hat sich in den Monaten in Gladbach entwickelt, was im überzeichneten Schatten von Lucien Favre alles andere als einfach war und ist.“

Die ganze Diskussion um Schubert ist komisch - und das nicht erst in diesen Tagen. Im Herbst schien es so, dass Sportdirektor Eberl gar nicht anders könne, als auf die Stimme des Volkes zu hören und den erklärten Publikumsliebling Schubert auch offiziell zum Cheftrainer zu ernennen. Jetzt wird das Verhältnis des gemeinen Fans zu Schubert als recht nüchtern beschrieben. Oder hat jemand am Samstag im Borussia-Park Andre-Schubert-Sprechchöre gehört? Wenn ich den Kollegen einer renommierten Tageszeitung mit einer gewissen Affinität zur Gladbacher Borussia treffe, ist so ungefähr das Erste, was ich zu hören bekomme: „Schubert muss weg!“ (Man muss dazu allerdings wissen, dass derselbe Kollege vor zwei Jahren auch gesagt hat: „Stranzl muss weg; mit dieser Defensive geht es einfach nicht mehr.“ Diese Defensive mit dem uralten Stranzl schaffte es schließlich auf Platz drei und damit direkt in die Champions League.)

Ich gestehe: Im Februar habe ich mich zu der Prognose verleiten lassen, dass Schubert zu Beginn der neuen Saison nicht mehr Trainer in Mönchengladbach sein werde. Ich hatte dafür keinerlei Andeutungen von den Entscheidungsträgern, keine konkreten Hinweise - es war einfach nur ein Gefühl. Und vielleicht ist genau das das Problem in dieser Debatte: dass sie auf irgendeinem diffusen Gefühl basiert. Dass dieses und jenes über Schubert geraunt wird, dass manch einem sein Blick unheimlich ist und sich aus all diesen Gefühlen, Gerüchten und Halbwahrheiten ein wenig vorteilhaftes Bild formt. Die „Bild“-Zeitung hat noch am Montagmorgen an ihrer Darstellung aus der vergangenen Woche festgehalten und geschrieben: „Der Manager fühlt offenbar, dass Schubert am Höhepunkt seines Gladbach-Schaffens angekommen ist.“

Der Manager hat dann am Nachmittag die ganze Debatte, die irgendwie seltsam anmutete, offiziell beendet. In einem Interview auf Borussias Internetseite hat Max Eberl gesagt: „Ich frage mich schon, was der Grund für diese immer wiederkehrenden Fragen ist. (...) Ich hatte nicht das Bedürfnis, meine Aussagen ständig zu wiederholen. Aber nach jedem dieser Spiele kamen wieder die Fragen nach dem Trainer. Ständig werden neue Gerüchte gestreut, zu denen ich mich äußern soll, das macht irgendwann keinen Spaß mehr.“ Er verstehe auch nicht, „woher die Zweifel an meiner Glaubwürdigkeit kommen“. Denn: „Wer unsere Arbeit in den letzten Jahren verfolgt hat, der weiß, dass André Schubert in der nächsten Saison unser Trainer ist.“

Bliebe nur noch eine Frage: Braucht Markus Weinzierl jetzt eigentlich ein neues Auto?

Kann doch nicht wahr sein. Herthas Kapitän Fabian Lustenberger (links) kann auch nicht verstehen, was die Mannschaft abliefert.
Kann doch nicht wahr sein. Herthas Kapitän Fabian Lustenberger (links) kann auch nicht verstehen, was die Mannschaft abliefert.

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14.50 Uhr - Hertha trudelt. Andre Schubert, der Trainer von Borussia Mönchengladbach, hat sich vor kurzem mal über die Angewohnheit von Journalisten mokiert, zu allem Möglichen die passende Statistik zur Hand zu haben (Wer am Samstag Marcel Reif gehört hat, wird Schubert uneingeschränkt Recht geben). Das war, nachdem Schubert gerade danach gefragt worden war, warum seine Mannschaft jetzt schon seit neun Monaten kein Spiel mehr am Freitageabend gegen einen Gegner gewonnen hatte, dessen zweiter Buchstabe im Vereinsname ein E ist (oder so ähnlich).

Schubert hätte auch sagen können: Es gibt Dinge im Fußball, die man einfach nicht schlüssig erklären kann. Das gilt irgendwie auch für Hertha BSC und diese periodisch wiederkehrende Schwäche zum Saisonende. Das hat schon fast was Pathologisches. Schon in der vergangenen Saison haben die Berliner keins der letzten sieben Bundesligaspiele gewonnen. Nimmt man den Auftritt vom vergangenen Wochenende, das blamable 1:2 zu Hause gegen den Aufsteiger Darmstadt 98, zum Maßstab, läuft es auch in dieser Spielzeit wieder darauf hinaus. Vor ein paar Wochen ist Dardai von einem Kollegen auf die schlechte Bilanz vor einem Jahr angesprochen worden, verbunden mit der Frage, ob das auch in dieser Saison wieder möglich sei. Respektlos sei eine solche Frage, hat der Ungar geantwortet. Heute weiß man: Die Frage war nicht respektlos, sie war einfach nur realistisch.

Hertha ist ermattet an Geist und Gliedern. Das ist ärgerlich. Und wird langsam auch zum Problem für die Berliner. Weil der positive Gesamteindruck dieser Saison mehr und mehr verblasst, weil dem breiten Publikum nur das zähe Ende im Gedächtnis bleiben wird. Für Hertha geht es gerade wie auf einer Treppe bergab, jeden Spieltag ein bisschen tiefer: Dritter, Vierter, Fünfter, Sechster – und am kommenden Samstag dann Siebter. Zweifelt noch irgendjemand, dass es so kommen wird? Hertha spielt beim FSV Mainz 05, während Schalke bei den bereits geretteten Hoffenheimern antritt.

Platz sieben wäre fatal, weil für Hertha die neue Saison dann schon Ende Juli mit der dritten Qualifikationsrunde zur Europa League begänne; weil vor der Gruppenphase noch die Play-offs stünden, es also bis Ende August keinerlei Planungssicherheit gebe. Und es wäre für zwei Berliner Profis auch persönlich sehr bitter. Niklas Stark und Mitchell Weiser könnten ihren Traum von Olympia (5. bis 21. August) wohl vergessen, weil sie in der betreffenden Zeit bei Hertha für die Europapokal-Qualifikation benötigt würden.

13.40 Uhr - Neukölln jubelt über Leipzigs Aufstieg. Ob man sich über den Aufstieg von Rasenballsport Leipzig freuen oder ärgern soll, muss jeder für sich ausmachen. Einen Nutznießer gibt es allerdings auch in Berlin. Tasmania, der ewige Tabellenletzte der Bundesliga aus Neukölln, macht einen Satz nach oben, ist jetzt nur noch Vorletzter. Zumindest bis Anfang September.

Triumphator in Berlin. Sandro Wagner feierte seinen Siegtreffer für den Geschmack der Hertha-Fans etwas zu ausgiebig.
Triumphator in Berlin. Sandro Wagner feierte seinen Siegtreffer für den Geschmack der Hertha-Fans etwas zu ausgiebig.

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13.15 Uhr - Warum man Sandro Wagner verstehen muss. Wo wir schon mal bei Emotionen sind, ist es nicht weit zu Sandro Wagner. Der Kollege André Görke hat dessen Ausflug in die Ostkurve des Olympiastadions ja schon für uns kommentiert. Hier kommt gewissermaßen die Gegenrede. Liebe Hertha-Fans, habt Nachsicht mit Sandro Wagner! Oder wie „11Freunde“ schreibt: „Wer Typen liebt, muss ihn lieben.“

Unter den Hertha-Fans gehen die Meinungen naturgemäß weit auseinander. Hier ein paar Beiträge aus dem Tagesspiegel-Forum, die die gesamte Bandbreite abdecken:

„Ich kann Sandro Wagner verstehen, so wie er bei Hertha behandelt wurde.“ (blattschuss)

„Dass Wagner sein Tor so auskostet und sich in der Rolle des „Bad boy“ gefällt, überrascht doch keinen wirklich. Schon gar nicht bei seinem Charakter.“ (Hertha-Konrad)

„Wer ein Sportromantiker ist, der regt sich sicher über Sandro Wagner auf, aber das ist einer dieser ,Typen’, die so oft vermisst werden. Es tat zwar auch weh, aber ich sage ,Respekt’, wie er sich vor der Ostkurve aufgebaut hat. Da hat er die vielzitierten ,Eier’ gezeigt. Und die hat Hertha nie gezeigt, als es darauf ankam.“ (Buddha2015)

„Was Wagner in der Ostkurve abgezogen hat, macht deutlich wie richtig es war, diese Type aus dem Kader zu verbannen!“ (bsc128)

„Sandro Wagner, einer der unsympathischsten Spieler der Bundesliga.“ (tiber5)

„Die pöbelnde Herthakurve sollte sich Spieler wie Sandro Wagner mal zum Vorbild nehmen.“ (mika7)

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Habe bereits am Samstag geschrieben, dass die Hertha-Fans schon zu seiner Berliner Zeit eine gewisse Hassliebe zu Sandro Wagner gepflegt haben. Am Samstag dürfte das Pendel endgültig Richtung Hass ausgeschlagen sein. Aber man muss Wagner verstehen, auch seinen Ausbruch nach dem Tor. Bei Hertha ist er immer ein wenig belächelt worden, gerade auf den etwas teureren Plätzen im Olympiastadion. Und wie er im Sommer dann aus Berlin regelrecht weggeekelt wurde, das darf man für die Bewertung seines Gefühlsausbruchs auch nicht ganz außer Acht lassen. Genauso wenig wie die Freude über den nicht für möglich gehaltenen Klassenerhalt seiner Mannschaft. Vierzehn Tore hat Sandro Wagner in einer einzigen Saison für Darmstadt 98 erzielt - exakt doppelt so viele, wie ihm in drei Jahren bei Hertha BSC gelungen sind.

Als Wagner später vor der Fernsehkamera erklären sollte, was ihn denn da geritten hatte, wirkte er ähnlich unbeholfen wie Kevin Großkreutz ein paar hundert Kilometer entfernt im Südwesten der Republik. Das machte ihn, das machte beide schon wieder sympathisch. Wagner gab zu, dass sein Unmut sich gegen die falschen Leute gerichtet hatte. Gegen die Fans in der Ostkurve, die ihm eigentlich immer recht zugetan gewesen waren. Für solch feine Unterschiede war im Eifer des Gefechts aber leider kein Platz gewesen.

Am Boden. Kevin Großkreutz wird mit dem VfB Stuttgart vermutlich absteigen.
Am Boden. Kevin Großkreutz wird mit dem VfB Stuttgart vermutlich absteigen.

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12.30 Uhr - "Außer Kevin könnt ihr alle geh'n". Das Saisonende ist die Zeit für die großen Emotionen. Man hat schon lange nicht mehr so viele Männer weinen sehen wie am vergangenen Wochenende. Mit Sandro Wagner (dazu später mehr) sind die Emotionen ebenso durchgegangen wie mit Kevin Großkreutz. Selbst wenn man von Großkreutz aufgrund diverser Verfehlungen in der Vergangenheit nicht allzu viel hält, ihn auch fußballerisch nicht unbedingt für eine Leuchte hält – seine Reaktion auf den sich andeutenden Abstieg des VfB aus der Fußball-Bundesliga war bewegend. Wie er da vor der Fernsehkamera stand und sich zu erklären versuchte, wie ihm die Stimme wegbrach und er mit den Tränen kämpfte. Das war nicht gespielt, das war das, was Großkreutz vermutlich immer war - echt. „Ein Herz aus Stein, wer nicht mitleidet“, findet "Zeit online".

„Außer Kevin, könnt ihr alle geh'n!“, haben die erbosten Fans des VfB am Samstag nach der deprimierenden Niederlage gegen Mainz gerufen. Großkreutz hatte bei zwei der drei Gegentore nicht gut ausgesehen – egal. Wer hatte bei den Stuttgarter schon gut ausgesehen? „Viele Spieler wirken inzwischen morsch und mürbe, sie haben sich aufgezehrt und aufgebraucht in den jahrelangen Anstrengungen gegen den Abstieg, immer wieder mussten sie Aufholjagden starten und Schicksale bezwingen, und irgendwann ist der Geist müde von den vielen, immer neuen Parolen“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. „ In der vorigen Saison ist der VfB noch lustvoll aus dem Keller gestürmt, aber in dieser Saison reicht die mentale Energie offenbar nicht mehr für ganze Spiele.“

Auch Großkreutz wirkte am Samstag morsch und mürbe, aber das interessierte die Fans des VfB weniger als das, was er unter der Woche von sich gegeben hatte. Er werde natürlich auch im Falle des Abstiegs beim VfB bleiben, hatte er über seine sozialen Netzwerke verkündet. Für Großkreutz, den Malocher aus dem Kohlenpott, gehört es sich einfach so: sich nicht zu verpissen, sondern sich der Verantwortung stellen.

Großkreutz ist nicht einmal ein halbes Jahr in Stuttgart, und trotzdem ist er schon mehr VfB als ... ach nein, keine Namen bitte. Ihm ist der Abstieg am wenigsten zuzuschreiben, zumal er in der Phase, in der es kontinuierlich bergab ging, verletzt fehlte.

11.00 Uhr - Der VfB Stuttgart steht vor dem Abstieg. Der FC Bayern München hat am Wochenende die vierte Meisterschaft hintereinander perfekt gemacht. Ein neuer Rekord! Und jetzt wieder zu den interessanten Themen des Bundesliga-Wochenendes. Zum VfB Stuttgart zum Beispiel.

Die Stuttgarter sind definitiv abgestiegen, also die U 23 jetzt. Die ist in der Dritten Liga abgeschlagener Tabellenletzter. Die Profis des VfB haben am letzten Spieltag wenigstens noch eine theoretische Chance auf den Relegationsplatz. Dazu aber müsste die Mannschaft nicht nur ihr eigenes Spiel in Wolfsburg gewinnen, zugleich müsste der SV Werder Bremen sein Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt verlieren. Wie wahrscheinlich das ist, darf jeder selbst entscheiden.

Allein gegen alle. Kapitän Christian Gentner muss die aufgebrachten VfB-Fans beruhigen.
Allein gegen alle. Kapitän Christian Gentner muss die aufgebrachten VfB-Fans beruhigen.

© dpa

Der Abstieg des VfB wäre ja - wie der Aufstieg der Leipziger, siehe unten - auch eine Zeitenwende. Für jemanden, der Mitte 40 oder jünger ist, hat es eine Bundesliga ohne den VfB Stuttgart bisher nicht gegeben. 1975 ist der VfB zum ersten und bisher letzten Mal aus der Bundesliga abgestiegen, seit 1977, 39 Jahre, spielt der Klub ununterbrochen erstklassig. Große Namen verbindet man mit dem VfB: Hansi Müller, die Förster-Brüder, Sigurvinsson, Klinsmann, Elber, Balakow, Gomez, Lahm, Khedira. In der ewigen Tabelle der Bundesliga waren die Stuttgarter vor der Saison immer noch Vierter – vor Dortmund (ist inzwischen vorbeigezogen), Gladbach, Schalke. Und neun Jahre ist es erst her, da war der VfB sogar noch Deutscher Meister. Was also hat sich bloß so ruiniert?

Jetzt im Nachhinein kann man es sich leicht machen und sagen: Mit der Verpflichtung von Alexander Zorniger hat alles angefangen. Ich bleibe dabei: Die Idee an sich war nicht die schlechteste. Es war zumindest mal eine. Der VfB brauchte wieder eine Identität; er sollte einen wiedererkennbaren Fußball spielen, der zu diesem Verein passt. Offensiv, aktiv, wagemutig. Zorniger hat auch noch den nötigen Lokalkolorit mitgebracht. Was wohl falsch eingeschätzt wurde, waren die Untiefen seines Charakters.

Trotzdem: Noch vor ein paar Wochen schien eine derartige Entwicklung, wie sie der VfB jetzt nimmt, undenkbar. Nach dem 25. Spieltag war die Mannschaft Elfter, hatte zehn Punkte Vorsprung auf Platz 17; nach dem 26. Spieltag betrug das Polster auf den Relegationsrang immerhin acht Punkte. Einen solchen Vorsprung muss man erst einmal verspielen. Kein Problem für den VfB. Aus den dann folgenden sieben Spielen holte die Mannschaft nur noch einen einzigen Punkt, zuletzt gab es fünf Niederlagen hintereinander. Die „Stuttgarter Zeitung“ hat den „Zusammenbruch aller Systeme“ ausgemacht. „Der Trainer hat kein Mittel gefunden, die Spieler noch einmal in den Abstiegskampfmodus zu bringen.“

Ich musste in den vergangenen Wochen immer wieder mal an Fredi Bobic denken. Der frühere Manager des VfB hat schon recht früh Zweifel an der Tauglichkeit von Trainer Jürgen Kramny geäußert, ihm den Job nicht richtig zugetraut. Die vergangenen Wochen scheinen Bobic Recht zu geben. Die „Stuttgarter Zeitung“ spekuliert, dass Kramny eher nicht für den Neustart in der Zweiten Liga in Frage komme. Der „Kicker“ schreibt, dass es wohl Präsident Bernd Wahler und Sportdirektor Robin Dutt erwischen werde. Im Juli sollen die Mitglieder zudem über eine Ausgliederung der Profiabteilung abstimmen. Könnte schwierig werden, obwohl es jetzt doch gute Argumente gibt: Wozu die bisherige Vereinsstruktur geführt hat, kann man ja in der aktuellen Tabelle ablesen.

Siegesfeier aus der Dose. Rasenballsport feiert den Aufstieg in die Bundesliga.
Siegesfeier aus der Dose. Rasenballsport feiert den Aufstieg in die Bundesliga.

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9.30 Uhr - Was heißt das für die Bundesliga. Wäre ich Fieldreporter des ZDF, müsste ich den Blog heute mit folgenden Worten beginnen: „Glückwünsch, RB Leipzig zum Aufstieg in die Bundesliga.“ Ich finde allerdings, dass a) Journalisten nicht dazu da sind, Glückwünsche auszusprechen und b) wäre es geheuchelt.

Für mich ist es nämlich alles andere als ein Glücksfall, dass dieses Kunstprodukt (neben anderen Kunstprodukten) im nächsten Jahr in der Bundesliga spielen wird. Und im übernächsten. Und im überübernächsten. Und im überüberübernächsten. Und so weiter. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat angesichts des Aufstiegs der Leipziger Fußballer schon am Samstag eine „Zeitenwende“ angekündigt: „Es kommt der erste Klub, der von einem reichen Ausländer gelenkt wird.“ Natürlich ist die Fußball-Bundesliga schon lange nicht mehr das, was sie in den 70er oder 80ern war; mit dem Eintritt von Rasenballsport Leipzig (übrigens schon jetzt der Bundesligist mit dem affigsten Vereinsnamen aller Zeiten) tritt diese ohnehin unaufhaltsame Entwicklung in eine andere Dimension ein. Ich wage mal zu behaupten: Sie wird auch noch einmal eine völlig andere Dynamik erhalten. Der Leidensdruck der Konkurrenten wird in absehbarer Zeit so groß werden, dass die Rufe nach Veränderungen immer lauter werden.

Die 50+1-Regelung wird fallen

Das Prinzip war schon in den vergangenen Wochen in der Debatte um das TV-Geld zu erkennen. Wenn ein Wettbewerber (in diesem Fall die Premier League) ihre Position deutlich verbessert, wird die Konkurrenz (in diesem Fall die Bundesliga) ebenfalls nach Verbesserungen rufen. Was der Aufstieg der Leipziger bedeutet? Über kurz oder lang wird die 50+1-Regelung im deutschen Fußball fallen. Fünf Jahre noch? Oder hält jemand dagegen? Wieso soll eine Regelung aufrechterhalten werden, die dafür ersonnen worden ist, solche Konstrukte wie RB zu verhindern - und jetzt in der Realität dazu führt, dass RB einen Wettbewerbsvorteil hat?

Wie sinnvoll diese 50+1-Regelung eigentlich ist, zeigt gerade das Beispiel Red Bull. Nicht die Leipziger Fußballer, sondern der zum Konzern gehörende Fernsehsender „Servus TV“. In der vergangenen Woche verkündete Konzernchef Dietrich Mateschitz, dass der Sender wegen zu hoher Verluste eingestellt werden müsse. Offensichtlich aber war der hohe Herr nur beleidigt, weil ein paar Mitarbeiter mit dem Gedanken gespielt hatten, einen Betriebsrat zu gründen. So etwas gefällt dem Geldgeber natürlich gar nicht: dass jemand anderes mitbestimmen will als er selbst. Mateschitz „hat ein ziemlich klares Verständnis, wie die Welt laufen sollte: So, wie er sich das vorstellt“, schreibt die „SZ“.

„Servus TV“ wird jetzt übrigens doch nicht eingestellt. Nachdem die Mitarbeiter vor dem Chef gekratzbuckelt und versichert hatten, dass niemand die Absicht habe, einen Betriebsrat zu gründen, war das mit den Millionenverlusten plötzlich gar nicht mehr so schlimm.

Ich musste in diesem Zusammenhang immer an die Aussagen der Verantwortlichen bei RB Leipzig denken. Da ist ja viel von Nachhaltigkeit die Rede, davon, dass der Klub ein Segen für die Stadt und die Region sein, ein Leuchtturm sogar für den am Boden liegenden Ost-Fußball. Wie selbstlos dieser Herr Mateschitz doch ist. Genauso bei „Servus TV“. Da ging es natürlich auch nicht darum, noch eine weitere Plattform zu schaffen, um das eigene Produkt besser zu vermarkten, nein, es war dem „Didi Mateschitz ein persönliches Anliegen, eine Herzensache“, so hieß es in einer Pressemitteilung, Östereich einen „qualitativ hochwertigen Sender zu schenken“.

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