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Wenn ein Paderborner (Hartherz, links, gegen Robben) eine Notbremse begeht, gibt es Elfer und Rot. Wenn es ein Dortmunder tut, nur Elfmeter.

© dpa

Unser Blog zum Bundesliga-Wochenende: Die Dreifachbestrafung muss bleiben

Heute in unserem Blog: der aufregende Abstiegskampf, die Versäumnisse von Herthas Trainer Pal Dardai, der Fehler von Schiedsrichter Deniz Aytekin

16:45 Uhr: Schöne Geschichte aus dem aktuellen "Kicker". Im Juli 2012 sucht Markus Weinzier in Augsburg eine Wohnung. Bei einem Besichtigungstermin erkennt ihn der Makler als neuen Trainer des FC Augsburg. "Tut mir leid", sagt er zu Weinzierl, "aber der Vermieter hat eher an einen langfristigen Mieter gedacht."

15:25 Uhr: Platz drei in der Bundesliga, die Champions League im Blick: Borussia Mönchengladbach orientiert sich jetzt an den ganz Großen. Die Gladbacher haben jetzt auch noch ein Twitter-Hashtag gekapert, das der FC Chelsea in der vorigen Woche verwendet hat: #Hazard2020. Damit haben die Engländer die Vertragsverlängerung mit dem Belgier Eden Hazard bis zum Sommer 2020 verkündet. Was Chelsea kann, kann Gladbach auch – und verlängerte ebenfalls mit Hazard bis 2020, mit Edens kleinem Bruder Thorgan, der bisher nur vom FC Chelsea ausgeliehen war. Der 21-Jährige hat in 29 Pflichtspielen für die Gladbacher vier Tore erzielt und acht vorbereitet. Was seine Verpflichtung den Verein gekostet hat, unterliegt natürlich der Geheimhaltung. Zuletzt war von acht Millionen Euro die Rede. Nicht geheim gehalten hat der FC Chelsea die Vereinbarung, dass der Klub ein Rückkaufrecht besitzt.

15.15 Uhr: Die körperliche Verfassung bei Hertha BSC ist seit dem Trainerwechsel ein großes Thema. Hier eine weitere, ziemlich deutliche Meinung dazu: „In der Vorbereitung muss ein großer Fehler passiert sein. Ich habe schon viele Trainer und viele Vorbereitungen mitgemacht, aber in einem so schlechten körperlichen Zustand wie in dieser Krise war ich noch nie. Die Mannschaft ist nicht fit. Das gilt für die Nummer 1 bis zur Nummer 26 – alle spielen unter Form, allen fehlt die Spritzigkeit. Ganz ehrlich, wir sind momentan nicht in der Lage, besser zu spielen. Ich kann jetzt stundenlang laufen, aber ich kann nicht beschleunigen. Aber Fußball ist schnell, Fußball bedeutet Sprint! Das ist alles weg! Ich kenne die Bundesliga, ich kenne die Verteidiger. Da sind mir jetzt Leute davon gelaufen, die habe ich früher ausgelacht. Das kann doch nicht sein!“
Hat Artur Wichniarek im Herbst 2009 gesagt, nachdem Lucien Favre von Friedhelm Funkel als Trainer bei Hertha BSC abgelöst worden ist. Warum mir das gerade in den Sinn kommt. Vielleicht wegen dieser Aussage, die Pal Dardai am Sonntag in einem Interview mit der „Berliner Morgenpost“ getätigt hat: „Ich sage es deutlich: Die Mannschaft ist nicht spritzig genug. Ich sehe, dass sie kämpft und läuft. Aber sie hat nicht das richtige Tempo. Ich brauche keine Statistik, um das zu erkennen.“

14:20 Uhr: Eines der großen Themen an diesem Bundesligawochenendes war die sogenannte Dreifachbestrafung, die beim Spiel zwischen dem SC Paderborn und Bayern München regelgerecht (zu Lasten des Paderborner Florian Hartherz) angewandt wurde, im Spiel zwischen dem VfB Stuttgart und Borussia Dortmund aber de facto eine Einfachbestrafung war. Für alle, die schon vergessen haben, worum es geht: Der Dortmunder Nuri Sahin hatte mit unlauteren Mitteln eine hundertprozentige Torchance des Stuttgarters Georg Niedermeier vereitelt. Es gab Elfmeter für den VfB – aber anders, als es die Regeln vorsehen, keinen Platzverweis gegen Sahin. Nicht mal Gelb zückte Schiedsrichter Deniz Aytekin.

Vom Fachblatt „Kicker“ wurde Aytekin für sein regeltechnisches Vergehen mit einer 5 benotet, dabei entsprach seine Entscheidung wohl dem allgemeinen Rechtsempfinden. Mit dem Elfmeter und dem daraus resultierenden Tor waren die Dortmunder schon genug gestraft. Und wenn man es gut mit dem Schiedsrichter meint, kann man ihm unterstellen, dass er gewissermaßen in vorauseilendem Gehorsam gehandelt hat. Weil die Dreifachbestrafung (Elfmeter, Platzverweis, Sperre) möglicherweise noch in dieser Woche von den Regelhütern des Weltfußballs abgeschafft wird. Gerade der Deutsche Fußball-Bund hat sich dafür immer wieder stark gemacht.

Es gibt nur ein Problem, sollte es so kommen: Was passiert eigentlich, wenn der Elfmeter nicht reingeht? Wenn es für ein unsportliches Vergehen am Ende überhaupt keine Strafe gibt – kein Tor und keinen Platzverweise? Kann der Schiedsrichter dem Übeltäter nach einem gehalten Elfmeter noch nachträglich Rot geben? Und wenn ja: Was passiert, wenn der Torhüter den Strafstoß zwar zunächst pariert, aber im Nachschuss noch überwunden wird?

Der Fall, dass eine Notbremse überhaupt keine Konsequenzen für den Übeltäter hat, widerspricht unserem Gerechtigkeitsempfinden vermutlich mehr als die Dreifachbestrafung. Daher, auch wenn es unpopulär ist: Die Dreifachbestrafung muss bleiben!

13:45 Uhr: Kein guter Tag für die Trainer in der Zweiten Liga. Nach Frank Kramer (Fürth) hat es jetzt auch Oliver Reck bei Fortuna Düsseldorf erwischt. Die Düsseldorfer halten aber erst einmal nichts vom Stuttgarter Modell (siehe unten). Lorenz-Günther Köstner wird nicht Nachfolger seines Nachfolgers Reck. Fürs Erste übernimmt der bisherige bisherige U-23-Trainer Taskin Aksoy - übrigens ein gebürtiger Berliner, der für Hertha BSC, Tennis Borussia und Türkiyemspor gespielt hat.

13:40 Uhr: Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Der folgende Exkurs in den Berliner Amateurfußball hat nichts zu tun mit dem Kommentar von nnn zu Hertha BSC (siehe unten): „Eine Perspektive wäre die Auflösung dieses Vereins und die Löschung aus dem Vereinsregister! (…) Da muss etwas anderes her, für das man sich wieder begeistern kann!“ Unabhängig davon gibt es auch im unterklassigen Fußball ja tatsächlich immer wieder ein paar schöne Geschichten. Die des FC Viktoria 89 zum Beispiel, der in der viertklassigen Regionalliga in akuter Abstiegsnot steckt, erst recht nachdem alle Spiele des VFC Plauen (und damit auch Viktorias Sieg) aus der Wertung gefallen sind. Am Sonntag sah es lange so aus, als würde sich die Not weiter verschärfen. Im ersten Spiel der Rückrunde lagen die Lichterfelder 0:2 bei Budissa Bautzen zurück, zudem mussten sie nach Gelb-Rot gegen Maximilian Watzka in der letzten halben Stunde zu zehnt spielen.

Am Ende aber schaffte Viktoria noch ein 2:2 – durch einen Treffer von Kevin Kahlert in letzter Minute. Ärgerlich war allerdings, dass Ümit Ergirdi anschließend noch die Rote Karte sah, so dass Trainer Mario Block im nächsten Spiel gleich zwei gesperrte Spieler ersetzen muss. Am Freitagabend empfängt Viktoria den Traditionsklub Carl Zeiss Jena. Die Thüringer sind mit einem überzeugenden 4:1 gegen die Zweite von Hertha BSC ins neue Jahr gestart und werden von dem gebürtigen Berliner Volkan Uluc trainiert. Noch eine schöne Geschichte aus dem unterklassigen Fußball.

12:50 Uhr: Florian Hartherz ist für seine Notbremse gegen Arjen Robben für ein Spiel gesperrt worden - womit wir beim SC Paderborn wären, einem weiteren Klub, der inzwischen tief in den Abstiegskampf verstrickt ist. Die Paderborner galten vor der Saison als Joker für alle Abstiegsgefährdeten. Der erste Abstiegsplatz schien bereits fest vergeben an den Underdog aus Ostwestfalen, der dummerweise nicht geneigt war, sich an die Vorhersagen der Experten zu halten. Zwischendurch (am 4. Spieltag) waren die Paderborner sogar mal Tabellenführer der Bundesliga.

Inzwischen aber bewegt sich der SCP immer mehr in die Richtung, die ihm von Beginn an vorgezeichnet schien. Nur noch einen Punkt trennt ihn von der Abstiegszone, von den jüngsten zwölf Spielen haben die Paderborner nur eins gewonnen (vor einer Woche in Hannover), und jetzt müssen sie auch noch das deftige 0:6 gegen die Bayern aus den Klamotten bekommen.

Das erinnert mich ein wenig an den SSV Ulm, der in der Saison 1999/2000 unter ähnlichen Voraussetzungen in die Bundesliga gestartet war wie jetzt die Paderborner und zumindest in der Rückrunde auf einem guten Weg schien, den überraschenden Klassenerhalt zu schaffen. Dann, nach zuvor zwei Siegen hintereinander, verloren die Ulmer im eigenen Stadion 1:9 gegen Bayer Leverkusen. Von dieser Klatsche hat sich die Mannschaft nicht mehr erholt. In den letzten neun Spielen der Saison gelang ihr nur noch ein Sieg, von Platz 12 stürzte der SSV noch auf den Abstiegsplatz.

Was also macht den Paderbornern Hoffnung, dass es ihnen nicht ähnlich ergeht? Der Spielplan. Am Sonntag müssen sie bei Borussia Mönchengladbach antreten. Vielleicht sind die Gladbacher dann noch ein bisschen müde von ihrem Europa-League-Spiel am Donnerstag. Statistisch jedenfalls spricht alles für Paderborn. Neun Mal traten die Borussen in dieser Saison nach einem Europacup-Spiel in der Bundesliga an. Einen Sieg haben sie noch kein einziges Mal geschafft, auch am vergangenen Sonntag nicht beim Hamburger SV, der am Wochenende von den Bayern noch übler vermöbelt worden war als jetzt der SCP.

Im Klub der hängenden Köpfe. Hertha BSC muss weiterhin nach unten schauen.
Im Klub der hängenden Köpfe. Hertha BSC muss weiterhin nach unten schauen.

© AFP

12:15 Uhr: Pal Dardai hat für diese Woche im Training den Schwerpunkt Offensive ausgerufen – was nach dem Spiel in Wolfsburg recht naheliegende Entscheidung ist. Defensiv waren die Berliner recht gut sortiert, nach vorne ging zu wenig. Das ist auch das Fazit der Taktikexperten von Spielverlagerung.de: „Mit nur drei Abschlüssen – nur einer davon nach dem Seitenwechsel – ließ sich für die Hertha bei weitgehend starken Wolfsburgern nichts holen. Ihre solide und einige Male geschickte Defensivarbeit erlaubte es ihnen, ergebnistechnisch zumindest mitzuhalten, aber mehr war in dieser Spielweise nicht möglich. Auch nach vorne zeigten sie sich harmlos und wenig besonders, wenngleich die Bewegungsmuster als Positivpunkt gelten könnten.“

12:00 Uhr: Ein Nachtrag zu der Frage, wie man Herthas Spiel in Wolfsburg bewerten soll. Pal Dardai plädiert - nicht ganz überraschend - für die positive Sicht. Das hat auch auch Reporter vom RBB-Sportplatz erfahren müssen, wobei Dardai aus dessen Frage etwas Böses hatte heraus hören wollen, was gar nicht in ihr gesteckt hatte. Die Antwort des Ungarn: "Wenn Sie mich provozieren wollen, haben Sie keine Ahnung vom Fußball." Nachzusehen ist das hier.

11:45 Uhr: Für alle, die noch nicht wissen, wie sie den Auftritt Herthas in Wolfsburg einschätzen sollen, hier noch ein paar statistische Daten. Hertha ist vier Kilometer mehr gelaufen als der VfL. Das ist aber auch die einzige Kategorie, in der die Gäste vorne lagen. Das Torschussverhältnis: 17:3 – für Wolfsburg. Gewonnene Zweikämpfe (in Prozent): 58:42 – für Wolfsburg. Ballbesitz (in Prozent): 65:35 – für Wolfsburg. Der „Kicker“ weist zudem 7:1-Torchancen aus – für Wolfsburg.

Immerhin: Mit einer hundertprozentigen Chancenverwertung hätte Hertha zumindest das Maximale herausgeholt. Allerdings deutet die Zahl auf ein Problem, das bei Hertha auch den Trainerwechsel überlebt hat. Im Spiel nach vorne fällt den Berlinern wenig bis nichts ein – und ausgerechnet gegen die extrem unangenehm zu bespielenden und taktisch extrem cleveren Augsburger fehlt den Berlinern am Samstag der Spieler, der in Wolfsburg neben Torschütze Julian Schieber für den lichtesten Moment in der Offensive verantwortlich war. Valentin Stocker, der sich geschickt gegen Sebastian Jung durchsetzte und dann die Vorlage zum 1:1 gab, sah später seine fünfte Gelbe Karte.

Natürlich muss man sich auch mit dem Trainer beschäftigen (dürfen), selbst wenn Pal Dardai wegen seiner Verdienste als Spieler ein Held der Ostkurve ist (und Kritik an ihm fast als Majestätsbeleidigung aufgefasst wird). Es gibt ein paar Entscheidungen des Ungarn, die zumindest diskussionswürdig sind: Warum hat er auf Innenverteidiger Sebastian Langkamp verzichtet, von dessen Rückkehr sie bei Hertha nicht ganz zu Unrecht Besserung in der Defensive erwartet haben? Diese Frage stellt sich umso mehr, wenn man sich den irren Laufweg von John Anthony Brooks vor dem 0:1 ansieht. Plötzlich klaffte in Herthas Viererkette ein Loch so breit, wie der Marianengraben tief ist. Brooks verfügt meiner Meinung nach über herausragende Anlagen, aber er ist eben auch immer für einen schlimmen Aussetzer gut – also für das, was man im Abstiegskampf ganz sicher nicht braucht.

Ähnlich verrückt wie die Idee, Ronny ins defensive Mittelfeld zu stellen (gegen Freiburg), erscheint es mir, den typischen Stoßstürmer Julian Schieber auf der Außenbahn einzusetzen (gegen Wolfsburg). Solche Entscheidungen führen zwangsläufig dazu, dass Zweifel an Dardais Kompetenz entstehen. Die Mannschaft braucht jetzt vor allem Gewissheiten und nicht jede Woche ein neues Experiment.

11:15 Uhr: Bei uns in der Redaktion ist eine Diskussion entbrannt, wie sie wohl heute unter vielen Hertha-Fans geführt wird: Wie ist diese Niederlage in Wolfsburg einzuschätzen? Ein kleiner Schritt nach vorn, wie die einen sagen? Oder ein weiterer Richtung Zweiter Liga? Hier ein paar Meinungen aus unserem Online-Forum:
Moriz: „In dieser Verfassung können mal wieder getrost die Planungen für die 2. Liga angestellt werden (…) Ansonsten ist Hertha BSC nur das Spiegelbild der Berliner Gesellschaft und deren Politik. Lächerlich machen aller Orten - ob daheim oder auswärts.“

Kalker: „Der Abstieg wird wohl kaum zu vermeiden sein und wenn doch, wird es aller Wahrscheinlichkeit mit Preetz und Gegenbauer weitergehen. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.“

Sachsenbub: „Zumindest vom Einsatz, Kampfeswillen sah das schon besser aus im Vergleich zum Freiburg-Spiel. Trotzdem steht Hertha wieder mit leeren Händen da. Nach wie vor fehlts an Ideen und spielerischen Mitteln. Kein Spielgestalter weit und breit. Oft hängen die Spitzen einsam im gegnerischen Feld. Da kommt nichts Verwertbares! Vieles basiert auf Zufall. Das knappe Ergebnis täuscht über den Klassen-Unterschied hinweg. Trainer-Novize Dardai ist zwar mit Begeisterung und Power bei der Sache, aber ob das allein reicht für den Klassenerhalt?“

Klausbork: „Knapp verloren und nicht blamiert. Da sahen andere Gegner schon geschundener aus, als sie aus Wolfsburg nach hause kamen. (…) Es war zwar nicht die Offenbarung, aber eine Verbesserung war erkennbar.“

11:00 Uhr: Kleine Notiz am Rande beziehungsweise aus der Zweiten Liga: Greuther Fürth kopiert das Stuttgarter Modell, wahrscheinlich wegen des großartigen Erfolges. Der Vorgänger wird zum Nachfolger. Respektiv: Der Nachfolger wird zum Vorgänger. Die Fürther haben Trainer Frank Kramer beurlaubt und Mike Büskens zurückgeholt, der vor zwei Jahren von Frank Kramer als Trainer abgelöst worden war.

10:45 Uhr: Zurück in den Keller - und damit zu Hertha BSC. Das Positive vorweg: Der Abstand auf Platz 18 ist nicht kleiner geworden – allerdings gibt es eine Kategorie, in der die Berliner noch schlechter sind als der Tabellenletzte aus Stuttgart. Das 1:2 in Wolfsburg war im 22. Saisonspiel bereits die 13. Niederlage für Hertha. Das ist eine mehr, als der VfB bisher kassiert hat.

Wie geht es weiter mit Hertha BSC? Am Samstag kommen die starken Augsburger ins Olympiastadion, bevor es in der Woche darauf zum VfB Stuttgart geht. Auch wenn die „BZ“ schreibt „Der Abstieg kommt immer näher“ – eine Niederlage in Wolfsburg ist für einen Klub aus der unteren Tabellenhälfte zunächst einmal nichts Ehrenrühriges. Zumal sich Hertha im Vergleich zum blamablen Auftritt gegen den Konkurrenten SC Freiburg eine Woche zuvor deutlich verbessert präsentierte. Trainer Pal Dardai hat sein Team sogar auf einer Höhe mit den Wolfsburgern gesehen, die hinter den enteilten Bayern der Konkurrenz ebenfalls schon weit voraus sind. „Der liebe Gott wollte nicht, dass wir hier punkten“, hat Dardai gesagt.

Womit wir beim Übersinnlichen wären - und einer statistischen Unerfreulichlichkeit. Im sechsten Sonntagsspiel dieser Saison kassierte Hertha die sechste Niederlage. Das Positive zum Schluss: Von den sechs bereits terminierten Spielen Herthas findet nur eins am Sonntag statt. Und das sollten die Berliner besser nicht verlieren. Der Gegner heißt: SC Paderborn.

10:15 Uhr: Nach so viel Abstiegskampf mal was Lustiges (wenn auch vielleicht nicht für die Fans von Hertha BSC), eine Auswahl nämlich der - je nach Geschmack - schönsten/schrägsten/dämlichsten Wortspiele mit dem Namen des Wolfsburger Stürmers Bas Dost: „Dost kann mal passieren“ (Tagesspiegel) / „Hertha ohne Dost-Schutzmittel!“ / „Another one bites the Dost“ / "Hertha ohne Dost-Schutzmittel" (alle „Berliner Kurier“)

Zwischen Frust und Ratlosigkeit. Trainer Huub Stevens droht mit dem VfB abzusteigen.
Zwischen Frust und Ratlosigkeit. Trainer Huub Stevens droht mit dem VfB abzusteigen.

© dpa

10:00 Uhr: Ehrlich gesagt hatte ich den VfB Stuttgart bisher auch nicht ganz oben auf der Liste. Dass der Klub im Abstiegskampf feststeckt, ist inzwischen ja eher der Normalfall als die Ausnahme. In der Hinrunde dümpelt der VfB irgendwo im Abstiegssumpf herum, dann entlassen sie ihren Trainer, und in der Rückrunde folgt dann eine Punktausbeute, die, mit dem Faktor zwei multipliziert, normalerweise für die Europapokal reichte. Wahrscheinlich haben sie auch in dieser Saison wieder an diesen Automatismus geglaubt. Die Hinrunde war schlecht, der Trainer ist längst gewechselt – nur besser ist nichts geworden.

Dabei hat der VfB mit Huub Stevens einen Trainer, der eigentlich weiß, was in einer solchen Situation zu tun ist – wie er in der vergangenen Saison eindrücklich bewiesen hat. Interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens, dass die Stuttgarter als einziger Klub im Abstiegskampf auf einen alten Recken vertraut haben. Die Konkurrenz, die ebenfalls den Trainer gewechselt hat, hat sich im eigenen Nachwuchs bedient: Mainz 05 (Martin Schmidt), Hertha BSC (Pal Dardai), Werder Bremen (Viktor Skripnik) und der Hamburger SV (Josef Zinnbauer). Vielleicht ist das der erfolgreichere Weg.

Theoretisch kann er VfB noch einmal nachjustieren. Beim Blick in die Medien drängt sich der Eindruck auf, dass die Debatte um den Trainer schon wieder entbrannt ist. Die „Stuttgarter Zeitung“ hat beim VfB „die nächste Trainerdiskussion“ ausgemacht: „Wenn die Mannschaft so mutlos und uninspiriert weiterspielt wie in den vergangenen Wochen, dann führt der Weg unweigerlich in die zweite Liga. Folglich hat der VfB nun wieder das, was seit Jahren zur Gewohnheit geworden ist: eine ausgiebige Trainerdiskussion. (…) Bedingungslos ist das Vertrauen in den Retter der Vorsaison ganz offensichtlich nicht.“

Die „Bild“-Zeitung schreibt über den Trainer: „Letzte Saison rettete er Stuttgart. Jetzt muss sich Huub Stevens selbst retten …“ Und in der „Süddeutschen Zeitung“ heißt es: „Innerhalb der Mannschaft fragen sich einige, warum er manche Spieler meidet, als hätten sie eine hoch ansteckende Influenza.“

9:30 Uhr: Wer heute Mitte 40 (oder jünger) ist, kennt die Bundesliga nicht mehr ohne den VfB Stuttgart. Seit 1977 ist der Klub ununterbrochen erstklassig, gleich im ersten Jahr nach dem Aufstieg schaffte es der VfB mit einem kantigen Mittelstürmer Dieter Hoeneß in den Uefa-Cup, im Jahr darauf wurde er Vizemeister – und damit war für die nächsten Jahrzehnte der Weg vorgezeichnet. Drei Meisterschaften sind seitdem für die Schwaben dazugekommen, in der ewigen Bundesligatabelle belegen sie Platz vier (hinter Bayern, Bremen und dem HSV). Vielleicht kann man sich deshalb noch nicht so recht vorstellen, dass der VfB ab der neuen Saison zweitklassig sein wird. Im Moment aber spricht einiges dafür.

Nicht nur wegen Tabellenplatz 18, sondern vor allem wegen ihres Auftretens sind die Stuttgarter derzeit Abstiegskandidat Nummer 1. Die „FAS“ hat nach der 1:3-Niederlage gegen Dortmund über den VfB geschrieben: Den Abstieg zu verhindern „wird eine nur schwer zu bewältigende Aufgabe für den Tabellenletzten werden, falls sie überhaupt lösbar ist. (…) Ausgeklügelt, geplant, geübt oder einstudiert wirkte bei den Schwaben nichts, und die Verunsicherung wurde bei jedem einzelnen Spieler von Minute zu Minute größer. Das Ganze wirkte wie ein Pokalspiel, in dem ein unterklassiger Verein vor lauter Ehrfurcht vor dem Gegner Fehler begeht, die im Training nie geschehen.“

1:1 verloren - der HSV verspielt gegen Borussia Mönchengladbach in letzter Minute den fast schon sicheren Sieg.
1:1 verloren - der HSV verspielt gegen Borussia Mönchengladbach in letzter Minute den fast schon sicheren Sieg.

© AFP

9:00 Uhr: Josef Zinnbauer, der Trainer des Hamburger SV, hat seine Spieler am Sonntag nach dem Abpfiff noch einmal zur Vollversammlung gebeten, und er kam sich vor, als wäre er in die Gesellschaft lauter Verlierer geraten. So paradox das auf den ersten Blick erscheinen mag: Das 1:1 des HSV gegen den Tabellendritten und Champions-League-Anwärter Borussia Mönchengladbach fühlte sich für die Hamburger wie eine Niederlage an – weil der Ausgleich für die Gladbacher erst in der zweiten Minute der Nachspielzeit gefallen war. 

„Das ist auch eine Qualität: dass wir aus solchen Spielen noch etwas mitnehmen“, hat Borussias Sportdirektor Max Eberl später gesagt. Im Umkehrschluss heißt das, dass es für einen Abstiegskandidaten eben nicht ungewöhnlich ist, solche Spiele nicht zu gewinnen oder sogar noch zu verlieren. Der Abstiegskampf in der Bundesliga ist nichts für schwache Nerven, aber genau die werden Woche für Woche aufs Neue strapaziert. Der 1. FC Köln hat am Spieltag zuvor ebenfalls in letzter Minute, ebenfalls gegen Gladbach verloren, der VfB Stuttgart gegen Hoffenheim in der Nachspielzeit das 1:2 kassiert. Wer im Abstiegskampf einmal gewinnt, schwebt gleich auf Wolke 17; wer verliert, stürzt in tiefe Depression. Der Abstiegskampf kann lang und schrecklich sein, aber auch immer wieder betörend, wenn ein Sieg gelingt, mit dem niemand gerechnet hat. 

Wen es in diesem Jahr erwischen wird? Ganz ehrlich: keine Ahnung. Ich glaube, ich habe schon von fast jedem Verein gedacht, dass er in diesem Jahr aber ganz sicher dran sein wird. Bremen, Hamburg, Stuttgart. Und Paderborn sowieso. Oder doch wieder Hertha? Was allen Gefährdeten im Moment ein Trost ist: Es wird auch in dieser Saison wieder höchstens drei Klubs treffen, wodurch sich dann doch noch ein paar Vereine retten werden, die sich das im Moment noch gar nicht vorstellen können.

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