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Skeptische Blicke. Was ist für Hertha BSC und Salomon Kalou in den letzten beiden Spielen noch drin?

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Update

Unser Blog zum Bundesliga-Wochenende: Hertha BSC: Europa League kann auch Spaß machen

Außerdem: Wolfsburg dilettiert weiter. Werder gegen den VfB - ein Hauch von Zweiter Liga. Verhindert Uli Hoeneß den Transfer von Mats Hummels zu den Bayern? Wer wird das Leicester der Bundesliga?

15.25 Uhr – Der VfL Wolfsburg dilettiert weiter. Zwischendurch mal kurz zu einem Verein, der den umgekehrten Weg zurückgelegt hat wie Hertha BSC. Von ganz oben nach ziemlich weit unten. Der VfL Wolfsburg hat am Samstag das Duell des Noch-Vizemeisters gegen den Bald-Vizemeister Borussia Dortmund auch in dieser Höhe verdient mit 1:5 verloren. „Nichts geht mehr!“, schreibt der „Kicker“ in seiner heutigen Ausgabe. „So dilettiert der VfL dem Saisonende entgegen.“ Und in der „Wolfsburger Allgemeinen Zeitung“ heißt es: „VfL verliert Respekt vor sich selbst.“

Möglicherweise wird die Mannschaft in dieser Woche sogar noch ein Trainingslager beziehen, so wie es in dieser Saisonphase sonst nur Abstiegskandidaten in höchster Not tun. Der VfL spielt inzwischen längst wie einer. Und um die Spieler daran zu erinnern, dass sie das viele Geld Monat für Monat nicht einfach nur so aufs Konto überwiesen bekommen, sondern dafür auch eine gewisse Gegenleistung erwartet wird, hat Trainer Dieter Hecking am eigentlich trainingsfreien Montag eine Laufeinheit für sie angesetzt - vielleicht weil sie sich den freien Tag schon am Samstag in Dortmund genommen hatten. „Die Leistung in Dortmund war ja schon schwächer als schwach“, sagte Hecking, der in Wolfsburg weiterhin nicht zur Diskussion steht. Schön die Aussage von Sportdirektor Klaus Allofs zu diesem Thema. „Es gibt keine Trainerdiskussion bei uns. Wenn mich jede Woche aufs Neue wer darauf anspricht, frage ich mich auch: ,Bin ich jetzt blöd oder wer anderes?'“

So wird es anstelle des Trainers im Sommer wohl ein paar Spieler erwischen. Glücklich, wer es sich leisten kann, mal eben den Kader auf links zu drehen. Außerordentliche Sprünge beim Marktwert dürften die Wolfsburger Spieler in dieser Saison ja nicht gemacht haben.

14.45 Uhr - Die Europa League: Genau richtig für Hertha. Ein bisschen hörte sich das, was Pal Dardai am Samstag in der Pressekonferenz nach dem Spiel in Leverkusen gesagt hat, ja nach Schönfärberei an. Platz vier hatte seine Mannschaft gerade verspielt: Okay, nehmen wir halt Platz fünf, ist ja auch schon. Oder Dardai im Originalton: „Das ist ein sehr angenehmer Platz für uns.“ Dardai hat auch Platz sechs und sieben als angenehm bezeichnet, was für einen Verein, der vor einem Jahr noch die Bundesligasaison als 15. abgeschlossen hat, ebenfalls sehr zutreffend ist. Aber Platz sieben wäre nicht ganz so angenehm für Hertha BSC. Weil Hertha damit zwar auch für den Europapokal qualifiziert wäre - nur eben noch nicht richtig. Anders als es einige Kollegen von anderen Berliner Zeitungen in den vergangenen Tagen geschrieben haben, müsste Hertha nämlich nicht nur eine Qualifikationsrunde überstehen, um in die Gruppenphase der Europa League einzuziehen, sondern zwei. (So wie in der vergangenen Saison Borussia Dortmund.) Die Berliner müssten also schon in der dritten Qualifikationsrunde ran (Hinspiel am 28. Juli, Rückspiel am 4. August) und in den Play-offs (18. und 25. August). Neben der Ungewissheit, ob man es überhaupt in die Gruppenphase schafft, und der damit verbundenen Planungsunsicherheit käme der verfrühte Pflichtspielbeginn noch erschwerend hinzu.

Wenn man in diesen Tagen und Wochen die Debatten rund um Hertha ein bisschen verfolgt, liest und hört man immer wieder die Meinung heraus: „O Gott, Europa League!“ Unattraktive Gegner. Leeres OIympiastadion. Beschissene Termine. Mit Verlaub, liebe Hertha-Fans, die ihr so denkt: Wer, glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid (nach zwei Abstiegen und dem Dauer-Abstiegskampf der vergangenen Jahre)? Und überhaupt: Man kann sich das auch einreden, dass dieser Wettbewerb nichts taugt. Ich glaube ja sogar, wenn Hertha in der Champions League gegen, sagen wir Manchester City spielte, wäre das Olympiastadion mit Sicherheit ausverkauft. Ginge es in der Europa League gegen denselben Gegner, kämen 25.000 Zuschauer weniger.

Die Europa League ist genau der richtige Wettbewerb für Hertha BSC. Glaubt zumindest die „Berliner Zeitung“: „Mitunter ist eine langsame Ankunft auf der europäischen Bühne grundsätzlich verträglicher. Klubs wie Dortmund oder Mönchengladbach, die sich im vergangenen Jahrzehnt in der Bundesligaspitze etablieren konnten, haben sich auch behutsam über Erfahrungen in der Europa League an die Champions League herangetastet. Eine solche Entwicklung ist möglicherweise viel gesünder als verfrühte Duelle mit Real Madrid oder Juventus Turin, die allen nur den Kopf verdrehen und vom Bundesligaalltag ablenken.“

13.50 Uhr - Hertha hat nichts verspielt. Nach der Schubert-Tabelle und der Nagelsmann-Tabelle hat die „Bild“-Zeitung heute die April-Tabelle veröffentlicht, in der nur die Bundesliga-Spiele im gerade zu Ende gegangenen Monat April Berücksichtigung fanden. Sie weist – überraschenderweise – die Bayern nicht auf Platz eins aus (sondern nur auf Platz drei, hinter Leverkusen und Dortmund). Und Hertha BSC, dank der um ein Tor besseren Tordifferenz, vor dem VfL Wolfsburg auf dem vorletzten Tabellenplatz. Nimmt man noch das Pokal-Halbfinale hinzu, in dem die Berliner gegen den April-Zweiten Borussia Dortmund chancenlos waren, kann man gar nicht anders als zu der Erkenntnis gelangen: Der April war für Hertha BSC ein Monat zum Vergessen.

Hier noch mal die Bilanz des Schreckens: Hertha hat die jüngsten vier Pflichtspiele verloren (bis in den April hinein betrug die längste Negativserie dieser Saison eine Niederlage am Stück). Hertha hat aus den jüngsten fünf Bundesligaspielen nur einen Punkt geholt (zu Hause gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten Hannover 96). Und Hertha ist dadurch von Platz drei auf Platz fünf abgerutscht.

Was das bedeutet? Frei nach Roman Weidenfeller: Hertha has a grandios Saison gespielt. Platz vier ist weiterhin möglich (und damit die Teilnahme an den Play-offs für die Champions-League-Gruppenphase), vor allem aber ist die erste Europapokalteilnahme seit der Saison 2009/10 sicher. So richtig durchgedrungen war das am Samstagabend noch nicht bis zu Herthas Spielern, dazu war die Enttäuschung über die Niederlage in Leverkusen und das Abrutschen in der Tabelle noch zu frisch. Aber auch die Fans sind seltsam hin und hergerissen zwischen Anerkennung für die Leistung und dem Gefühl, dass die Mannschaft im April etwas verspielt hat. (Auch die „Bild“-Zeitung fragt heute: „Verspielt Hertha jetzt alles?“)

Um es noch einmal klar zu sagen: Hertha hat nichts verspielt. Man muss sich Hertha ungefähr vorstellen, wie jemanden, der zum ersten Mal in seinem Leben ins Spielcasino geht, 50 Euro mitnimmt und dann, weil beim Roulette die richtige Zahl fällt, plötzlich Chips im Wert von 50.000 Euro vor sich liegen hat. Bis zum Ende des Abends setzt Hertha ganz vorsichtig immer nur auf eine Farbe. Aber wenn der Einsatz auf Rot liegt, kommt Schwarz und umgekehrt. Am Ende ist der zwischenzeitliche Gewinn bis auf 200 Euro wieder aufgebraucht. Hertha beschließt aufzuhören und verlässt das Casino mit 150 Euro Gewinn oder vervierfachtem Ausgangskapital.

12.00 Uhr - Tell me why I don't like Mondays. Wo wir schon beim Thema Fans sind: Das ist jetzt die perfekte Überleitung zum Aufreger des heutigen Tages (nein nicht der Rücktritt von Thorsten Legat als Trainer des FC Remscheid): dem – gefühlt – ersten Montagsspiel in der Geschichte der Fußball-Bundesliga. Im Weserstadion treffen heute Abend zum Abschluss des 32. Spieltags Werder Bremen und der VfB Stuttgart aufeinander.
Montagsspiele gibt es in Deutschland jede Woche (in der Zweiten Liga); es hat sie aber auch schon in der Ersten Liga gegeben, zuletzt vor 16 Jahren (Wobei: Seid ihr wirklich sicher, dass Bielefeld - Ulm nicht doch ein Zweitligaspiel war?). Keine Mannschaft hat übrigens so oft am Montag spielen müssen wie Werder Bremen (ein Dank an die Chefstatistiker vom „Kicker“). Die Partie gegen den VfB ist bereits das fünfte Montagsspiel der Bremer (Böse Zungen werden jetzt behaupten: Das werden sie in der nächsten Saison locker überbieten. Aber, bitte, keine billigen Späße auf Kosten eines Abstiegskandidaten in höchster Not.)

Getrennt in den Farben, vereint in der Abneigung gegen Montagsspiele.
Getrennt in den Farben, vereint in der Abneigung gegen Montagsspiele.

© Imago

Montagsspiele besitzen unter den sogenannten aktiven Fußballfans (also denen, die ihrer Mannschaft hinterherreisen und im Stadion mehr machen, als sich mit der rechten Hand die Klatschpappe in die linke zu schlagen) eine Beliebtheit wie Fußpilz und Parodontose in Personalunion. Möglicherweise liegt das auch daran, dass man mit Montagsspielen unweigerlich die Zweite Liga assoziiert und dass die Anhänger von Werder und dem VfB gerade an alles erinnert werden wollen, nur nicht an die Zweite Liga.

Die Ultras aus Stuttgart haben für sich jedenfalls beschlossen, das Spiel in Bremen trotz seiner immensen Bedeutung für die nähere Zukunft ihres Vereins zu boykottieren: „Wir sagen Nein zu Montagsspielen und willkürlichen Terminansetzungen und fordern alle VfB-Fans auf, sich dem Boykott in Bremen (...) anzuschließen.“ Auch die Werder-Anhänger haben angekündigt, auf den gewohnten Support zu verzichten.

Neu sind solche Reaktionen nicht. In dieser Saison hat es das auch schon bei den Derbys zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln gegeben. Die Gladbacher Fans boykottierten das Spiel in Köln, die Kölner Ultras schwiegen aus Respekt. Die Kölner Fans boykottierten das Rückspiel in Gladbach, die Gladbacher Ultras schwiegen aus Respekt. Um das richtig einzuschätzen, muss man noch wissen, dass sich die Ultras beider Klubs gegenseitig so sehr schätzen wie Fußpilz und Parodontose in Personalunion und dass eigentlich in der Ultra-Logik nichts über die Loyalität zum eigenen Verein geht.

Aber offensichtlich gibt es eben doch etwas, das über der Liebe zum eigenen Klub steht, so etwas wie das übergeordnete Interesse aller Fans unabhängig von ihren Farben. Ich will das gar nicht bewerten, ich will nur ein paar Fragen stellen: Nehmen sich die Anhänger des VfB nicht zu wichtig? Stellen sie sich über ihren Verein, der doch gerade jetzt die volle Unterstützung brauchte? Und wieso ist ein Montag eigentlich schlechter als ein Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag, an dem ja jeder Fußballfan liebend gern sein Team im Europapokal sehen würde?

Tut mir leid, dass ich gehen muss. Mats Hummels musste mit Anfeindungen der eigenen Fans leben.
Tut mir leid, dass ich gehen muss. Mats Hummels musste mit Anfeindungen der eigenen Fans leben.

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10.30 Uhr - Das Prinzip Calle Del'Haye. Alle Bayern-Kritiker dürften sich in der vergangenen Woche mal wieder bestätigt gefühlt haben, als Mats Hummels erklärt hat, dass er zum FC Bayern München wechseln will. Von wegen: Das Muster kennen wir doch! Wer immer dem Rekordmeister gefährlich zu werden droht, muss auf der Stelle mit allen verfügbaren Mitteln geschwächt werden, auch bekannt als das „Prinzip Calle Del’Haye“. Die Älteren werden sich vielleicht noch erinnern.

Wenn man es positiv sehen will: Das Interesse der Bayern an Hummels zeigt damit zumindest indirekt, dass sie den BVB noch im Range eines ernsthaften Konkurrenten sehen, der folglich geschwächt werden muss. Es spricht sogar einiges dafür: Zwei Spieltage vor Schluss haben die Dortmunder bereits 77 Punkte (und damit nur fünf weniger als die Bayern). Das ist eine meisterwürdige Bilanz. Wenn man noch dazu bedenkt, dass Thomas Tuchel, erwiesenermaßen nicht der schlechteste Trainer, seine erste Saison mit den Dortmundern hinter sich hat. Ich habe noch die Prognose eines geschätzten Kollegen (Name der Redaktion bekannt) im Ohr, der schon vor ein paar Wochen prophezeit hat, dass Dortmund in der kommenden Saison Meister werden werde.

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Aber gilt das auch noch, falls Hummels den Klub tatsächlich verlassen sollte? Man mag über seine Fähigkeiten als Verteidiger im engeren Sinne streiten, auf alten Fehlern rumreiten (weil man in jüngerer Vergangenheit nicht mehr allzu viele finden wird) – unstrittig ist, dass Hummels als Spielferöffner aus der letzten Reihe für die Auftritte des BVB von unschätzbarem Wert war und sein Weggang erst einmal gravierende Auswirkungen auf das Spiel der Dortmunder haben wird.

Aber so weit ist es ja noch nicht. Die Bayern müssten sich erst einmal dazu durchringen, einen nicht unerheblichen Betrag von ihrem Festnetzkonto nach Dortmund transferieren. Verhandelt wird nicht, hat Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bereits verfügt. Festpreis oder nix! Da kann Watzke schon sehr humorlos sein (wie er ja auch nach dem DFB-Pokal-Halbfinale gegen Hertha BSC gezeigt hat). Der aktuelle Schätzwert für die Transfersumme liegt bei 38 Millionen Euro. Ziemlich viel Geld für einen 27 Jahre alten Innenverteidiger, dessen Vertrag ein Jahr später ausläuft.

Zumal am Wochenende durch eine Äußerung von Uli Hoeneß noch etwas mehr Brisanz in die Angelegenheit gekommen ist. Der „Edel-Fan“ (Watzke) hat behauptet, dass Hummels selbst an die Tür des FC Bayern geklopft habe, was Hummels wiederum als „Humbug“ bezeichnet hat. Kaum ist er wieder da, zündelt Uli Hoeneß auch schon, was die Kollegen von „Zeit online“ zu ein paar interessanten Überlegungen verleitet hat: „Hoeneß ist Profi, dem rutscht so etwas nicht einfach raus. Auch eher unwahrscheinlich, dass er im Gefängnis sein politisches Gespür verloren hat. Ein paar Deutungsversuche: Beim FC Bayern sind längst nicht alle Hummels-Fans, Hoeneß vor allem nicht, ein kleiner interner Machtkampf. Hoeneß zündelt, in der Hoffnung, Hummels könnte es sich anders überlegen.“

Hummels’ Reputation bei Teilen der BVB-Fans waren die Aussagen Hoeneß’ definitiv nicht zuträglich, wie man am Samstag beim Spiel im Dortmunder Stadion hören konnte. Es gibt jedoch unterschiedliche Zeugenaussagen, wie drastisch die Unmutsbezeugungen ausgefallen sind. Hummels selbst hat gesagt: „Ich bin wohl der erste Spieler, der von den Fans ausgepfiffen wird, obwohl er noch nicht einmal gewechselt ist.“ Ralf Rangnick hätte vermutlich von einer neuen Dimension der Geschmacklosigkeit gesprochen.

Der Jubel des Außenseiters. Leicesters Spieler feiern den Ausgleich gegen Manchester United. Zum Titel reichte es noch nicht.
Der Jubel des Außenseiters. Leicesters Spieler feiern den Ausgleich gegen Manchester United. Zum Titel reichte es noch nicht.

© dpa

9.00 Uhr - Laaaaaaaaaanweilig. Heute Abend kann in England das größte Fußballmärchen der Moderne wahr werden, wahlweise auch das größte Wunder aller Zeiten – zumindest seitdem Griechenland vor zwölf Jahren Europameister geworden ist. Nachdem es Leicester City am Sonntag durch ein 1:1 bei Manchester United verpasst hat, aus der Kraft ihrer eigenen Füße Englischer Meister zu werden, kann das heute Abend gegen kurz vor elf unserer Zeit der FC Chelsea erledigen. Sollten Chelsea das Heimspiel gegen den Londoner Lokalrivalen Tottenham nicht verlieren, steht Leicester schon zwei Spieltage vor Saisonende als Meister in der Premier League fest – früher also als die Bayern in der Bundesliga.

Nur noch einmal für alle, die sich sonst nicht so für den Fußball auf der Insel interessieren: Leicester wäre in der vergangenen Saison beinahe abgestiegen, ist also gewissermaßen das Hertha BSC von England. Leicester hat einen Trainer, der zuvor nach einer Heimniederlage gegen die Färöer in der EM-Qualifikation als Nationaltrainer Griechenland entlassen worden war. Leicester hat sich im Sommer unter anderem mit Spielern vom FSV Mainz 05 und Schalke 04 verstärkt – und lehrt jetzt all die Manchesters, Chelseas und Arsenals das Fürchten. Wie gesagt: Wäre in etwa so, als hätte Hertha BSC nicht nur mal ein paar Wochen auf Platz drei gestanden, sondern stünde jetzt quasi schon als Meister fest.

Der Hype um Leicester hat in den vergangenen Wochen derartige Dimensionen angenommen, dass die ersten schon genervt sind.

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Aber, mal ehrlich: Muss man jetzt nicht Leicester-Fan sein? Weil Leicester uns an den eigentlichen Reiz dieses Spiels erinnert: dass man vorher angeblich nicht weiß, wie es hinterher ausgehen wird. Hat man hier in Deutschland ja leider schon komplett vergessen. Hier weiß man vor der Saison schon, dass am Ende Bayern München wieder Meister wird. Man weiß nur noch nicht, ob es am 28. Spieltag, am 29. oder am 31. passieren wird.

Sollen wir jetzt also vor Freude im Quadrat hüpfen, weil es in diesem Jahr erst am 33. Spieltag passieren wird? Weil die Bayern am Samstag gegen Borussia Mönchengladbach ihren ersten Matchball vergeben haben? Oder anders gefragt: Wer soll das deutsche Leicester werden? Mainz, Hoffenheim? Oder der VfB Stuttgart? So er denn den Klassenerhalt schafft.

Sorry, Leute. Es wird in Deutschland kein Leicester geben. Oder anders: Wir haben unser Leicester schon 1998 gehabt, als der 1. FC Kaiserslautern als Aufsteiger die Bayern abgehängt hat, was auf den ersten Blick die noch etwas größere Überraschung war (auf den zweiten übrigens nicht, weil Kaiserslautern damals in der Zweiten Liga mit einer Erstligamannschaft gespielt hat, die dann nach dem Aufstieg mit der Verpflichtung von Ciriaco Sforza noch den gewissen Mehrwert bekommen hat).

So etwas wird es in der Bundesliga nicht mehr geben. Stattdessen muss man sich inzwischen ja schon an den kleinen Dingen erfreuen: dass die Bayern ihre Meisterfeier im eigenen Stadion noch einmal verschieben mussten. Dass Borussia Mönchengladbach jetzt schon vier Spiele hintereinander nicht gegen die Bayern verloren hat. Dass es damit immerhin eine Mannschaft geschafft hat, in dieser Saison ungeschlagen gegen den Rekordmeister davonzukommen.

Wenn man sich – wie hier – mit der unerträglichen Dominanz der Bayern im deutschen Fußball auseinandersetzt, kommen ja gleich die üblichen Gegenargumente: ... haben seit 40 Jahren herausragend gearbeitet ... haben sie sich verdient ... können doch nichts dafür, wenn die anderen so blöd sind ... Ja, alles richtig. Oder zumindest nicht falsch. Das Problem ist: Die „unheimliche Dominanz“ („Welt am Sonntag“) der Bayern gefährdet inzwischen das gesamte Produkt Bundesliga. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat „ein auffällig devotes Klima“ in der Liga ausgemacht, weil die einstigen Konkurrenten sich von vornherein für chancenlos halten. Und „Der Spiegel“ sieht sogar das „Anfang vom Ende der Bundesliga“ heraufziehen. Gut, es gibt noch ein Gegenmittel: Wir werden alle Bayern-Fans, dann ist und bleibt die Bundesliga weiterhin ein super, super, super Premium-Produkt. Für mich kommt diese Variante leider nicht in Frage.

„Unsere einzige Hoffnung scheint – so unlustig manch einer es finden mag – mittelfristig nur RB Leipzig zu sein“, hat Hans Sarpei in seiner Kolumne für den „Stern“ geschrieben. Ich habe Sarpei bisher immer für einen humorbegabten Menschen gehalten. Dass er auch über sadistische Züge verfügt, war mir neu. Von mir aus kann nämlich der FC Bayern noch 26 Mal Meister werden, bevor ich mich über den ersten Titel von RB Leipzig freue. Aber das ist jetzt wieder ein anderes Thema.

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