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Sport: Unter Männern

Die Engländerin Gill Hall ist die einzige Frau, die in der Formel 1 als Technikerin arbeitet

Silverstone. Wenn der Toyota von Olivier Panis heute in Silverstone am Start steht und Gill Hall direkt daneben an ihrem Laptop arbeitet, dann wird sie wieder einmal erstaunte Blicke auf sich ziehen. Eine fast zierliche, junge Frau in der rot-weißen Team-Uniform, die langen, rötlich-blonden Haare wehen unter den Kopfhörern hervor. Gill Hall ist die einzige Frau in der Formel 1, die als Technikerin in vorderster Reihe arbeitet. Als Elektronikerin ist sie vor allem für die Sensoren und Verkabelungen verantwortlich und kümmert sich auch heute beim Großen Preis von Großbritannien darum, dass das Datensammeln und der Datentransfer zwischen Auto und Box optimal funktionieren – und dass im Auto keine elektronischen Störungen auftreten.

Andere sehen sie als etwas Außergewöhnliches, sie selbst nicht. „Ich war wirklich überrascht, als ich gemerkt habe, dass ich hier die einzige Frau mit so einem Job bin. Ich verstehe auch nicht, warum das so ist. Ich bin überzeugt davon, dass eine Frau das genauso gut machen kann wie ein Mann." Im Gegenteil, im hektischen, stressigen Formel-1-Umfeld könnten Frauen sogar ein zusätzlicher Gewinn sein: „Ich glaube, dass Frauen in kritischen Situationen ruhiger und logischer reagieren und belastbarer sind. Das kann der Stimmung im Team nur gut tun." Eine Sonderbehandlung bekommt die Engländerin, die vor ihrem Wechsel zu Toyota im letzten Winter zweieinhalb Jahre lang im Testteam von Jaguar arbeitete, nicht – das will sie auch nicht. „Ich mache hier meine Arbeit wie jeder andere auch." Vorurteile wurden ihr gegenüber nie formuliert, allerdings sei es manchmal ein bisschen schwierig gewesen, andere von ihren Qualitäten und Kenntnissen zu überzeugen. „Als Frau muss man in diesem Bereich besonders gut sein, um anerkannt zu werden. Und man darf sich weniger Fehler leisten als ein Mann.“

Interessiert hat sich Hall für die Formel 1 schon immer, „aber es war nicht unbedingt mein Ziel, einmal da zu arbeiten, als ich mich für eine Karriere im technischen Bereich entschieden habe." In diese Richtung festgelegt war sie schon früh: „Mathematik, Physik, Naturwissenschaften im Allgemeinen, das war es, was mich in der Schule schon immer interessiert hat." Der Schritt, ein Ingenieursstudium in den Bereichen Elektrik und Elektronik zu beginnen, war die logische Folge.

Spaß an Überstunden

Nach Abschluss des Studiums arbeitete sie zunächst in der Luftfahrtindustrie, was sie aber nicht wirklich zufrieden stellte: „Da saß ich die ganze Zeit nur vor dem Rechner, war ein winziges Rädchen im Ganzen - und sah nie ein konkretes Ergebnis meiner Arbeit. Alle Projekte waren furchtbar langfristig – vieles, woran ich vor Jahren gearbeitet habe, ist heute noch nicht abgeschlossen." Das ist in der Formel 1 ganz anders. Dort lässt sich das Ergebnis der Arbeit von heute schon morgen auf dem Zeitenmonitor und in den Ergebnislisten nachlesen. Bei Toyota fühlt sie sich wohl, auch wenn das bedeutet, zusätzlich zu den vielen Formel-1-Reisen noch zwischen zwei Wohnungen in England und Köln zu pendeln – schließlich arbeitet ihr Freund weiter bei Jaguar in England. Abstriche im Privatleben gehören dazu, ebenso wie eine ständige Unruhe und Unsicherheit. „In der Formel 1 ist sehr viel Flexibilität gefragt, man muss schnell reagieren – und so etwas wie feste, geregelte Arbeitszeiten kann man natürlich auch vergessen." Aber der Erfolg entschädigt für alles - gerade jetzt, wo bei Toyota ein Aufwärtstrend erkennbar ist. Und gerade die Zusammenarbeit mit Olivier Panis macht ihr viel Spaß: „Ein guter Fahrer, sehr engagiert, sehr interessiert - und auch menschlich ein toller Typ!" Da hat sie früher bei Jaguar, ohne Namen zu nennen, schon anderes erlebt - wer Eddie Irvine ein bisschen kennt, weiß, wer gemeint sein könnte.

Dass sie heute ein Vorbild für junge Mädchen sein könnte, sich gegen den allgemeinen Trend für eine technische Karriere zu entscheiden, kam der 30-Jährigen lange gar nicht in den Sinn. Schließlich sieht sie ihren Weg ja als völlig normal an. „Aber von außen wird mir das jetzt immer wieder gesagt - also ist ja vielleicht doch ein bisschen was dran. Und wenn es so wäre, dann wäre es ja nicht schlecht.“ Schließlich ist sie überzeugt davon, „dass Frauen hier sehr erfolgreich sein können, wenn sie es wirklich wollen und Durchhaltevermögen haben."

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