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Unterhaching: Laut bei den Leisen

Der Coach von Unterhaching, Werner Lorant, amüsiert die Regionalliga und das ist gut so. Denn es ist schön, wenn ein Trainer schlechte Spiele seiner Mannschaft als „Osterhasen-Fußball“ bezeichnet.

Es war ein Freitagabend im März, als Werner Lorant, 59, plötzlich gar nicht mehr wie Werner Lorant aussah. Er trug keine Sportjacken und Trainingshosen wie sonst, sondern einen feinen Anzug, anthrazitfarben, mit rotem T-Shirt darunter und schwarzen Lackschuhen dazu. Nur die Weißhaarfrisur, die manchmal aussieht wie ein zu großes Toupet, war die gleiche wie immer. Es war der erste Auftritt von Werner Lorant als Trainer der SpVgg. Unterhaching, ein Zweitligaspiel in Burghausen. Aha, aha, der Lorant, dachte man damals, schau an, er ist ein Mann von Welt geworden bei seinen Berufsreisen durch die Türkei, Zypern und den Iran. Aber das war ein Irrtum. Werner Lorant hat diesen Anzug nur dieses eine Mal getragen, und danach nie wieder.

Inzwischen ist Unterhaching mit Lorant in die Regionalliga abgestiegen, und am Samstag, wenn Hertha BSC in der ersten DFB-Pokal-Runde in Unterhaching spielt, wird Lorant wie immer Sportklamotten tragen, er wird wie immer wild an der Außenlinie umherspringen, manchmal einen Finger in den Mund stecken und pfeifen, und wenn er danach mit Journalisten redet, wird auch das so sein wie immer: Lorant, mit den Augenbrauen zuckend, desinteressiert umherblickend, die Stimme rau von den vielen Zigaretten und dem Espresso, die Antworten gerne als Gegenfragen formuliert.

Aber das ist okay so, im Grunde ist es nämlich ganz schön, dass Werner Lorant immer noch Werner Lorant ist. Der Werner Lorant, der Maler und Anstreicher gelernt hat und dann Fußballer geworden ist, der schlechte Spiele seiner Mannschaft als „Osterhasen-Fußball“ bezeichnet, der seinem Sohn droht, er werde persönlich dafür sorgen, dass er kein einziges Spiel mehr mache, wenn er zur Freundin gehe statt zum Training, und der mal über seine Spieler gesagt hat: „Die sollen rennen und das Maul halten.“ Ja: Werner Lorant ist unterhaltsam. In Unterhaching ist er schon deshalb der Star, der einzige Star, vielleicht sogar der größte, den sie hier je hatten. Weil er das völlige Gegenmodell zur Spielvereinigung ist: Werner Lorant ist laut, auffällig, und bei seinem Dienstantritt hat er gesagt, ein Werner Lorant steige nicht ab, basta, gleich mehrmals hat er das wiederholt, wochenlang. Die SpVgg. Unterhaching dagegen ist leise, unauffällig, der mögliche Abstieg war in den letzten Jahren dauernd das Hauptthema, und die größte Sensation im kleinen Sportpark am Rande des kleinen Unterhaching ist das vorzügliche Schnitzel des italienischen Stadionwirtes.

Ein bisschen ist das vielleicht auch der Grund, weshalb sie Lorant kurz vor dem Ende der zurückliegenden Zweitliga-Saison als Trainer engagiert haben. Lorant, so sagte Unterhachings Manager Norbert Hartmann damals, sollte „das Feuer entfachen“, bei den Spielern und bei den Zuschauern. Nun: Gebrannt hat es schon, aber eben nur in der Abwehr. Die SpVgg. ist mit Lorant zwar nicht unbedingt besser geworden, am letzten Spieltag der Zweiten Liga ist die kleine Gemeinde aus dem Landkreis München abgestiegen – doch das Vertrauen in ihn ist trotzdem ungebrochen.

Er soll mit der Mannschaft direkt wieder aufsteigen in die Zweite Liga, und wie das geht, das weiß Lorant selbstverständlich. Am Donnerstag, bei der Pressekonferenz, da hat Lorant es mal wieder erklärt: „Wenn einer meint, er kann ein bisschen mit dem Arsch wackeln und dann gewinnen, dann liegt er falsch. Fußball ist ein Männersport.“ Und dann hat er noch gesagt, Unterhaching sei „Favorit gegen Hertha, klar, weil wir zu Hause spielen“. Die Journalisten im Presseraum haben gelächelt, aber Werner Lorant hat das ernst gemeint. Natürlich hat er das.

Michael Neudecker[Unterhaching]

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