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Sport: UNTERSCHLAGENE DOPINGFÄLLE BEI DEN FRENCH OPEN? Sechs von acht positiv getestet ?

PERTH/MELBOURNE .Die Dopingaffäre um den Tschechen Petr Korda, dem die Einnahme anaboler Steroide nachgewiesen wurde, zieht weite Kreise.

PERTH/MELBOURNE .Die Dopingaffäre um den Tschechen Petr Korda, dem die Einnahme anaboler Steroide nachgewiesen wurde, zieht weite Kreise.Noch während Brian Tobin, der Präsident des Tennis-Weltverbandes ITF, die Debatte über den ertappten Korda mit einer neuen Bestrafungs-Initiative abzukühlen versuchte, kursierten schon die nächsten Doping-Spekulationen.Am Rande des Hopman Cups ging in Spielerkreisen das Gerücht um, daß bei den French Open 1997 oder 1998 sechs der acht Viertelfinalisten positiv getestet worden seien.Wegen der Schwere des Zwischenfalls und den möglicherweise drastischen Auswirkungen für das internationale Tennisgeschäft sei die Affäre verschleiert worden.Die Namen sind unter den Spielern offensichtlich bekannt, doch bei Nachfragen blocken die Profis ab.Jeder weiß, mit welchen juristischen Konsequenzen er im Fall einer nicht hundertprozentig nachzuweisenden Anschuldigung zu rechnen hätte.ITF-Präsident Tobin lehnte eine Stellungnahme ab.

Doch bei den bevorstehenden Australian Open müssen sich nicht nur Titelverteidiger Korda, sondern auch die Funktionäre des Weltverbandes auf einen stürmischen Empfang gefaßt machen."Eine sehr unangenehme Dienstreise" erwartet der "Melbourne Herald" bereits für den letztjährigen Turniersieger Korda, "den hier keiner mit offenen Armen empfangen wird".Schon vor zwölf Monaten hatten die australischen Medien mit beinahe überbordender Hysterie und einer Art medialer Treibjagd die Dopingaffäre um die chinesischen Schwimmerinnen bei den Weltmeisterschaften in Perth begleitet."Auch mit Korda wird man nicht viel schonender umgehen", sagt Australian-Open-Turnierdirektor Paul McNamee, der aber auch an die Fairneß seiner Landsleute appelliert.

Nicht nur bunte Blätter, sondern auch viele Dopingexperten halten der ITF eine merkwürdige Öffentlichkeitspolitik in den bisher bekannt gewordenen Sündenfällen vor.Ähnlich wie in den Affären um die 1996 verdächtigten Spieler Mats Wilander (Schweden) und Karol Novacek (Tschechien) verstrich auch in der Doping-Angelegenheit Korda ein gutes halbes Jahr, bevor überhaupt die ersten Nachrichten ans Licht der Öffentlichkeit kamen.Weder über die positive A- noch B-Probe wurde etwas bekannt.

Erst der vielkritisierte Beschluß der unabhängigen Amateurrichter des Weltverbandes, Korda laufen zu lassen, wurde ausgerechnet Heiligabend, mit zwei bis drei zeitungsfreien Tagen in Aussicht, mitgeteilt.Eine sofortige Publizierungspflicht bei einer positiven Probe fordert nun der Schwede Jonas Bjorkman, der bei der ATP-Tour zu den einflußreichen Spielervertretern gehörte, "alles andere ist Geheimniskrämerei".

Brian Tobin bekam den Unmut der Profis schon beim Hopman Cup zu spüren.In der privaten Spielerlounge wurde er heftigst bedrängt.Es sei ein "Skandal", daß der Weltverband einen "auf frischer Tat" ertappten Dopingsünder wie Korda "ohne jede Strafe" davonkommen lasse, ging Bjorkman den konsternierten Tobin bei dessen Stippvisite an.Auf einem kleinen Ledersofa in der provisorischen Sitzecke kauernd, mußte sich der Ehrengast Tobin nach Augenzeugenberichten angeblich auch von Akteuren wie dem Spanier Carlos Moya und selbst von der Weltranglisten-Ersten Lindsay Davenport schwere Vorwürfe gefallen lassen: "Ein einziges Versteckspiel" sei um den Fall Korda betrieben worden, offenbar wolle die ITF solche Vorfälle "unter den Teppich kehren", sagte Bjorkman.Nach fast einer Viertelstunde "ständigen Trommelfeuers der Tennisstars", so die Zeitung "The Westaustralian", sei der entnervte Tobin regelrecht aus dem Privatraum der Spieler geflüchtet.

Einen Tag später vollzog er die überraschende Wende.Er selbst, so der wandlungsfähige Tobin, könne nicht sehen, daß Kordas Entschuldigung ausreiche, "daß das Steroid Nadrolon ohne sein Wissen in den Körper gelangt sei".Jetzt will Tobin Kordas Vergehen binnen zehn Tagen vor das internationale neutrale Sport-Schiedsgericht in Lausanne bringen.Das Verfahren wird sich aber hinziehen.In Melbourne ist Korda in jedem Falle startberechtigt.

JÖRG ALLMEROTH

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