zum Hauptinhalt

Sport: Urlaub im eigenen Land

Österreich verzichtet auf England-Profi Scharner

Von Markus Hesselmann

Seinen Urlaub hatte er vorsichtshalber nach Österreich verlegt. Da hätte er dann doch noch kurzfristig eingreifen können. Als aber in der vergangenen Woche die Kader für die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz nominiert wurden, fehlte der Name Paul Scharner auf der Liste Österreichs. Der EM-Gastgeber ist bei diesem Turnier nur Außenseiter. Das Team von Trainer Josef Hickersberger kann von den Namen und von der Erfahrung im großen internationalen Fußball her nicht mit den anderen EM-Teilnehmern mithalten. Trotzdem leistet sich Deutschlands Gruppengegner, wegen eines Streits zwischen Hickersberger und Scharner auf einen seiner besten Spieler zu verzichten. Scharner ist immerhin Stammspieler in der Premier League, der zurzeit besten Liga der Welt.

Scharners Klub Wigan Athletic gehört sicher nicht zu den Großen in England. Doch das Team aus der kleinen Stadt bei Manchester hat sich nach seinem überraschenden Aufstieg 2005 in der Premier League gehalten. Und Scharner ist neben dem Engländer Emile Heskey und dem Holländer Mario Melchiot einer der Stars bei Wigan. Von den Fans wurde der 28-jährige Abwehrspieler am Saisonende sogar zum „Spieler des Jahres“ gewählt. Aus dem Nationalteam aber hatte er sich vor zwei Jahren nach einer Heimniederlage gegen Ungarn und einem Telefonat mit Hickersberger verabschiedet. In dem Gespräch muss Scharner den gesamten österreichischen Fußball auseinandergenommen haben. Öffentlich wiederholte er nur seine Kritik an „unprofessionellen Strukturen“ im Verband.

„Von mir aus ist die Tür offen“, sagte Scharner nun. Hickersberger traf sich daraufhin mit ihm zur Aussprache, beharrte dann aber darauf, dass Scharners Sinneswandel vor dem großen Turnier doch etwas plötzlich gekommen sei. Und so wurde Scharner nicht nominiert. Anders als Emanuel Pogatetz, der beim FC Middlesbrough ebenfalls in der Premier League spielt und wie Scharner Kritik geübt hatte. „Pogatetz hat in einem Rundumschlag den Teamchef, den Verband, den Ausrüster, alles kritisiert“, sagte Hickersberger jetzt dem Fußballmagazin „Kicker“. „Aber im Gegensatz zu Scharner nicht die Mannschaft.“

Paul Scharner ist bestimmt kein einfacher Charakter. Auch mit Joachim Löw hat er sich schon angelegt. Der jetzige deutsche Bundestrainer war 2003 Trainer bei Austria Wien, als der Innenverteidiger sich nicht einwechseln lassen wollte, weil ihn Löw auf einer anderen als seiner angestammten Position bringen wollte.

Selbst in England, wo Scharner Erfolg hat, sieht er längst nicht alles rosig. „Von den Profis in der Premier League bin ich ehrlich gesagt ein bisschen enttäuscht“, sagte der Österreicher. „Ich hätte hier doch mehr Professionalität erwartet.“ Professionalität bedeutet ihm alles. Zusätzliches Training ist für Scharner selbstverständlich. Und schon als 20-Jähriger hat er einen persönlichen Mentaltrainer verpflichtet, der ihn seitdem betreut.

Paul Scharner kann sich vorstellen, die von ihm so dringend gesuchte Professionalität irgendwann in der Bundesliga zu finden. „Dort würde ich gern einmal spielen“, sagte er. „Ich liebe die deutsche Gründlichkeit.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false