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Haltung bewahren. Beim US Masters in Augusta wird die Etiquette noch ernst genommen. Handys sind tabu und laute Anfeuerungsrufe gelten als Stilbruch. Das erste Golf-Major des Jahres ist so einzigartig wie sonst nur das Wimbledonturnier im Tennis.

© Reuters

US Masters in Augusta: Golf am Hort der Verschrobenheit

Der Augusta National Golf Club ist gleichermaßen elitär wie antiquiert - und trotzdem ist der Austragungsort des US Masters der Golfer doch auch modern und innovativ.

Die gute Nachricht zuerst: Das Hühnerbrust-Sandwich ist zurück. In grünes Papier gewickelt, für 2,50 Dollar. So wie es immer war. Wer auch konnte auf die Idee verfallen, es 2012 durch einen gesunden Hühnerbrust-Wrap zu ersetzen? Der wurde zum Flop. Natürlich. Das US Masters ist das Turnier der Traditionen – wie Wimbledon und seine Erdbeeren im Tennis. Eine Veranstaltung, die von ihren Geschichten, ihrer Historie, ihrer Aura und Verschrobenheit lebt.

Gerade deshalb weckt sie Emotionen. „Das Masters ist das einzige Turnier, das ich kenne, bei dem man erst einmal schlucken muss, wenn man durch das Einfahrtstor gefahren kommt“, hat der dreifache Champion Gary Player einst gesagt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Für keinen der 93 Teilnehmer, denen in den vergangenen Wochen das Einladungsschreiben aus Augusta in den Briefkasten flatterte. Denn der Weg in den Augusta National Golf Club ist Golffans wie Spielern erst einmal verschlossen. Der öffentliche Ticketverkauf ist seit Jahren beendet. Die Begrenzung des Angebots zur Steigerung der Exklusivität hat in Augusta National System. Genau genommen ist sie die eigentliche Geschäftsidee. Der Kreis der Mitglieder ist begrenzt, wie viel es genau sind, weiß niemand so genau. Fest steht allein, dass dies ein Hort der Mächtigen und Reichen ist, der „Big Boys“, wie die Amerikaner Superreiche wie Warren Buffet oder den Ex-Außenminister George Shultz gerne titulieren. Lange hat man sich gegen die Aufnahme passender Golferinnen gewehrt, mit Condoleezza Rice, ebenfalls Ex-Außenministerin, und der Investmentbankerin Darla Moore wurden im Dezember endlich zwei Frauen gefunden.

Den beiden Damen wird es in ihrem neuen Golfclub nicht anders ergehen als den anderen Prominenten wie Bill Gates oder dem deutschen Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Reitzle: Nirgendwo sonst lassen sie sich so gängeln wie hier. Allein der Chairman Billy Payne bestimmt über die Geschicke des Clubs, die Meinung seiner Mitglieder ist gänzlich Nebensache. Als „Singapur der USA“ hat ein amerikanischer Journalist den Club deshalb einst bezeichnet. „Klein und wohlhabend, effizient und erfolgreich, fleckenlos und humorlos und ohne jegliche Barmherzigkeit.“

Benimm-Regeln am Platz sind damit auch beim Turnier selbstverständlich. Ticket-Entzug droht bei lautem Schreien oder schnellem Laufen. Handys sind gänzlich tabu und Anfeuerungsrufe wie bei einer US Open ein Stilbruch. Wären da nicht die durchtrainierten Profis mit dem neuesten Equipment am Platz und die Reihe der TV-Übertragungswagen auf dem Parkbereich vor dem Clubgelände – man könnte sich zurückversetzt fühlen in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Noch immer sind die Eiswaffeln in Stanniolpapier gewickelt, nach wie vor wird die Limonade im Pappbecher ausgeschenkt. Jahr für Jahr blühen die Azaleen wie auf Befehl zum Turnierwochenende, wirken die Grashalme wie mit der Nagelschere auf die richtige Höhe getrimmt. Werbebanner oder Markennamen sind auf dem Clubgelände ohnehin gänzlich tabu. Der Augusta National Golf Club und das US Masters sind Marke genug.

Doch so klassisch die Atmosphäre des altehrwürdigen Clubs auch wirkt, so modern ist das Turnier bei genauerer Betrachtung. Jahr für Jahr wird der Platz von Augusta National in seiner Länge und Bepflanzung leicht korrigiert, um dem Niveau der Top-Profis zu entsprechen. Immer wieder wird in neueste Technik investiert, um perfekte Bedingungen zu gewährleisten. Kühl- und Heizsysteme unter den Grüns sind in Augusta Standard, damit das Gras auch bei großer Kälte oder Hitze in Form bleibt. Und Live-Übertragungen im Internet von einem Major-Turnier der Golfer waren zuerst vom US Masters zu sehen.

Die Kombination aus Antiquiertheit und ständigem Fortschritt jedenfalls ist im Golfsport einmalig. Sie bedingt die nicht nachlassende Faszination, die jedes Jahr im April die Golfszene umfasst. Denn erst wenn sich die Tore von Augusta National für das US Masters öffnen, hat die Golfsaison wirklich begonnen.

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