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US Open - Finale Herren-Einzel - Juan Martin del Potro

© dpa

US Open: Das Idol besiegt

Juan Martin Del Potro hat es geschafft. Er hat die US Open gewonnen. Gleichzeitig hat er jenem Mann, den er als sein größtes Vorbild bezeichnet, bezwungen. Roger Federer nimmt die Niederlage aber scheinbar gelassen.

Juan Martin Del Potro brach regelrecht zusammen. Einen Moment lang blieb der Argentinier einfach auf dem Rücken liegen, die Arme und Beine seines 1,98-Meter großen Körpers von sich gestreckt auf dem blauen Hartplatz des Arthur-Ashe-Stadiums, während die rund 22.500 Zuschauer ihm tosenden Beifall schenkten. Dann rappelte sich der Argentinier auf, denn er musste sich ja noch bei seinem Gegner bedanken. Jenem Mann, den er als sein größtes Vorbild bezeichnet. Jenem Mann, den er soeben zum ersten Mal besiegt hatte und damit verhinderte, dass dieser Mann in New York seine unglaubliche Siegesserie auf sechs Titel erweiterte. Juan Martin Del Potro war das schier Unmögliche gelungen: Im Finale der US Open, seinem ersten Grand-Slam-Finale überhaupt, besiegte der 20-Jährige Roger Federer 3:6, 7:6 (7:5), 4:6, 7:6 (7:4) und 6:2. Mit Tränen in den Augen stand Del Potro in der Mitte des Arthur-Ashe-Stadiums und rang nach Worten. "Ich hatte immer zwei Träume", sagte er. "Der eine war, hier bei meinem Lieblingsturnier zu gewinnen. Und der andere war, so zu sein wie Roger Federer." Del Potro drehte sich zu Federer und wiederholte noch einmal: "Ich will so sein wie Du." Roger Federer, dessen eigener Traum vom sechsten Titel in New York gerade zerplatzt war, ertrug das wie ein wahrer Champion. Er lächelte und klopfte Del Potro auf den Rücken. Später sagte der Weltranglistenerste: "Ich habe ein super Turnier hier gespielt, aber er war der Beste."

Rührende Szenen

Es waren rührende Szenen, die dort unten im größten Tennisstadion der Welt vorgingen, nachdem die beiden Protagonisten dieses wegen Regens erst am Montagnachmittag ausgespielten Finals den New Yorker Zuschauern die Hoffnung auf ein spannendes Endspiel erfüllten, mit dem niemand so recht gerechnet hatte. Zu überlegen war Federer die vergangenen fünf Jahre in New York aufgetreten. Zu relaxed wirkte er in diesem Jahr, nachdem er mit dem French-Open-Titel und dem Rekord des 15. Grand-Slam-Titels in Wimbledon alle offenen Punkte auf seiner Rekordliste abgehakt hatte. So sah es zunächst auch nach der eindeutigen Sache aus: Federer nahm Del Potro gleich zu Beginn den Aufschlag ab, das genügte für den ersten Durchgang. Auch im zweiten Satz verlor der Argentinier sofort wieder sein Aufschlagspiel und konnte nicht an die Lockerheit anknüpfen, mit der er während seines glatten Halbfinal-Siegs gegen Rafael Nadal überzeugt hatte.

Dass es im Finale dann doch nicht der eindeutige Dreisatzerfolg für den Favoriten wurde, lag daran, dass es Federer beim Stand von 5:4 im zweiten Satz nicht gelang, seinen Aufschlag durchzubringen. Eine strittige Entscheidung mit Hawk-Eye-Einsatz nervte Federer und Del Potro brachte sich selbst mit zwei spektakulären Passierbällen wieder ins Spiel, holte sich das Re-Break und später den Tiebreak. "Ich hatte die Dinge unter Kontrolle, auch im zweiten Satz", sagte Federer. "Den zweiten Satz hätte ich nicht verlieren dürfen, das hat mich das Match gekostet."

Del Potro dreht das Spiel

Frenetisch angefeuert von einigen ausgelassenen argentinischen Fans, die gar nicht mehr aufhörten zu singen und dem Rest des Stadions, das ein langes Match sehen wollte, zeigte Del Potro nun immer mehr von dem druckvollen Tennis, das ihn auszeichnet. Seine unglaublich schnelle Vorhand landete nun immer häufiger im Feld. Beeindruckend war im Verlauf des Matches aber vor allem, dass Del Potro nie den Glauben an sich zu verlieren schien. Auch nicht, als er den dritten Satz unglücklich mit zwei Doppelfehlern abgab und er sich kurzzeitig an die Viertelfinal-Niederlage gegen Federer bei den French Open erinnerte, als er nach einer ähnlichen Situation trotz 2:1 Satzführung noch in fünf Sätzen verlor.

Diesmal aber war es der Argentinier, der die Sache noch einmal herumriss, scheinbar unbeeindruckt von der riesigen Kulisse und seinem großen Idol auf der anderen Seite. In der entscheidenden Phase des fünften Durchgangs machte der Schweizer, der bei böigen Windverhältnissen insgesamt nur 50 Prozent seiner ersten Aufschläge ins Feld brachte und elf Doppelfehler servierte, zu viele Fehler. Del Potro war der in der Endphase des Finals klar der stärkere Spieler. "Das Ganze war perfekt", sagte der 20-Jährige mit seiner gewohnt monoton-sympathischen, tiefen Stimme. "Mein Traum, diese Trophäe mit nach Hause zu nehmen, ist wahr geworden."

Federer erstaunlich entspannt

Auch wenn Roger Federer dieses Match als eines einsortierte, bei dem er vielleicht später den verpassten Chancen nachhängen wird, wirkte der 28-Jährige nach der Niederlage erstaunlich entspannt. "Ich bin nicht zu enttäuscht", sagte er. "Ich hatte einen unglaublichen Sommer." Federer hatte alle vier Grand-Slam-Finals erreicht und zwei davon in nur knapp in fünf Sätzen verloren. "Natürlich hätte ich die beiden auch noch gern gewonnen. Aber so ist das manchmal. Ich hatte einen tollen Lauf, habe geheiratet und Kinder bekommen. Ich weiß nicht, was ich noch mehr wünschen kann." Nichts im Vergleich zu den bitteren Tränen, die er noch im vergangenen Jahr in Wimbledon oder am Jahresanfang in Australien geweint hatte.

Juan Martin Del Potro wurde am Montagnachmittag der erste, der Federer neben Rafael Nadal in einem Grand-Salm-Finale besiegte. "Er verdient es", sagte Federer. "Rafa und ich hatten einige epische und großartige Matches über die Jahre. Vielleicht kommt ja Del Potro nun dazu." Mit seinen Siegen über erst Nadal und dann Federer hat sich Del Potro nun jedenfalls als Verfolger Nummer eins des Spitzenduos angemeldet, eine Rolle in der man zuvor eher Andy Murray und Novak Djokovic zugeschrieben hatte. Durch seinen Sieg wird Del Potro nun seit Montag in der Weltrangliste direkt hinter diesem Quartett geführt. Vor allem die mentale Stärke in diesem schwierigen ersten Grand-Slam-Finale lässt darauf hoffen, dass da noch einiges kommt von diesem jungen Juan Martin Del Potro.

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