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Hat gut lachen: Marin Cilic bricht die Dominanz von Nadal, Federer und Djokovic.

© dpa

US Open Finale: Marin Cilic: Auf den Spuren von Goran Ivanisevic

Das Finale der US Open wurde eine erstaunlich einseitige Angelegenheit. In nur drei Sätzen fertigt Marin Cilic den Japaner Kei Nishikori ab - und tut es seinem prominenten Trainer gleich.

Marin Cilic weiß noch genau, wo er am 9. Juli 2001 gewesen ist. Jeder Kroate weiß das. Es war der Tag, an dem Goran Ivanisevic nach drei vergeblichen Anläufen doch noch der erlösende Wimbledonsieg gelang. Das ganze Land hatte damals wie gebannt vor dem Fernseher gesessen, mit seinem Volkshelden mitgelitten und danach tagelang durchgefeiert. Nach einem wie ihn hatten sie sich gesehnt nach dem verheerenden Balkan-Krieg zu Beginn der 90er Jahre, der auch in der kroatischen Seele tiefe Wunden hinterlassen hatte. Ivanisevic wurde zum Symbol für ihren wiedererwachten Nationalstolz, für ihre Identität. Mehr als 200.000 Menschen empfingen ihn damals bei seiner Rückkehr in der Hafenstadt Split wie einen Erlöser. Ivanisevic hatte nicht nur für sich gewonnen, auch für sein geplagtes Land.

Cilic war damals zwölf Jahre alt, und er hatte genauso mit seinen Freunden vor dem Fernseher mitgefiebert. Er verbrachte die Ferien im Sommercamp nahe seines Heimatortes Medugorje, einer kleinen Gemeinde im Süden Bosnien-Herzigowinas, in der hauptsächlich Kroaten leben. Er spielte seit fünf Jahren Tennis, wollte so sein wie Goran. 13 Jahre später nun hatte sich Cilic' Traum erfüllt. Auf dem azurblauen Hardcourt des Arthur-Ashe-Stadiums war der fast zwei Meter große Schlaks niedergesunken und einen Moment ausgestreckt liegen geblieben. Richtig fassen konnte es Cilic noch nicht, dass er nun Sieger der US Open war. Nach einem beeindruckenden 6:3, 6:3 und 6:3-Sieg über den Japaner Kei Nishikori.

"Mein Leben lang habe ich davon geträumt", sagte Cilic gerührt, "das ist ein besonderer Tag für mich und ein ganz besonderer Tag für Kroatien." Er kletterte die Tribüne hoch, bahnte sich seinen Weg durch die Zuschauerreihen in seine Box. Dort waren längst alle Dämme gebrochen. Cilic umarmte als Erstes jenen Mann, dem er von klein auf nachgeeifert, der ihm in den schweren Zeiten zur Seite gestanden hatte. Und der ihm zum bisher größten Erfolg seiner Karriere verholfen hatte: Goran Ivanisevic. Der 42-Jährige ist kein Kind von Traurigkeit, doch er hatte Tränen in den Augen. Auch für ihn war es ein großer Moment. "Ich bin so stolz auf ihn", sagte er später, "und ich bin stolz auf mich."

US Open: Marin Cilic hatte "leider keinen Empfang im Stadion"

Cilic hatte noch vor der Siegerehrung sein Telefon gezückt, um seine Familie daheim anzurufen. "Aber ich hatte leider keinen Empfang im Stadion", erzählte er lachend. Dann erreichte er sie doch. "Es lief eine Riesen-Party, alle haben gefeiert", freute sich Cilic, "eigentlich feiern sie schon seit dem Viertelfinale durch." Auch sein Großvater in Zagreb habe ihm vom Ausnahmezustand in der Hauptstadt berichtet. "Er meinte, ich könnte mir nicht vorstellen, was hier los sei", erzählte Cilic, "alle haben vor dem Fernseher geklebt, es sei eine Stimmung wie bei der Fußball-WM. Ganz Kroatien feiert."

Jetzt haben sie einen zweiten Goran. Und die Sehnsucht nach neuen Helden ist ungebrochen, dem Land geht es wirtschaftlich schlecht und die Sorgen sind groß. Die teure Reise nach New York konnte sich kein kroatischer Journalist leisten. Cilic dagegen bekam für seinen Sieg drei Millionen Dollar. "Das ist ein großes Geschenk, und ich werde es sicher mit meinem Team und meiner Familie teilen." Cilic weiß, wo er herkommt, ist ein ruhiger, aber doch humorvoller Zeitgenosse, der nicht dumm ist. "Ich weiß, dass sich mein Leben jetzt ändern wird, "meinte der 26-Jährige, "aber ich werde mich sicher nicht ändern."

 Goran Ivanisevic über Marin Cilic: "Er musste an jeden seiner Schläge glauben und daran, was ich ihm sage."

Die Zeit während seiner viermonatigen Dopingsperre im letzten Jahr hatte ihn härter gemacht, ihn aber auch seine bisherige Karriere überdenken lassen. Cilic ist jetzt wieder die Nummer neun der Welt, dort stand er bereits im Jahr 2010. Seine Aufschlaggewalt war damals schon sein Plus, doch seinem Spiel fehlte insgesamt die Konstanz, ein wenig auch die Leidenschaft. Cilic rutschte im Ranking ab, wurde unzufriedener. Dann wurde er im Frühjahr 2013 positiv auf Nikethamid gestestet, ein Psychostimulans. Der Kroate konnte glaubhaft versichern, es versehentlich mit Glukosetabletten aufgenommen zu haben. Spielen durfte er im letzten Herbst trotzdem nicht. Er musste die US Open im Fernsehen schauen, mit Wut im Bauch. Er rief Ivanisevic an, bat ihn um Hilfe. Und der sagte sofort zu. "Ich hatte eine klare Vorstellung davon, was er anders machen müsste", sagte Ivanisevic. "er musste an jeden seiner Schläge glauben und daran, was ich ihm sage."

Sie arbeiteten hart, besonders an Cilic' Aufschlag. Und der Spaßvogel Ivanisevic lockerte seinen stillen Schützling mehr und mehr auf. Cilic genießt das Tennisspielen jetzt endlich. Die ganze Saison über war die Entwicklung in seinem Spiel schon sichtbar, bei den US Open entfaltete sie sich ganz. Nach dem Marathonmatch gegen Gilles Simon im Achtelfinale spielte sich Cilic in einen Rausch, dem auch Tomas Berdych und Roger Federer unterliegen sollten und gegen den der erschöpfte Nishikori kein Mittel mehr fand. Glaubt man Ivanisevic, so lag der Schlüssel zum Erfolg daran, dass er und Cilic sich seit Turnierbeginn nicht mehr rasiert hätten. Für jene kleinen, verrückten Spleens ist Ivanisevic berüchtigt. Nur so habe er Wimbledon gewonnen, behauptet er heute noch. Vielleicht stand Cilic auch deshalb selbst zwei Stunden nach seinem Sieg etwas neben sich. "Es ist immer noch so unwirklich für mich, dass ich jetzt Grand-Slam-Champion genannt werde." Doch er wird es glauben, spätestens bei seiner Rückkehr nach Kroatien.

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