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Tag der Tränen. Rafael Nadal sank nach seinem Sieg im Finale der US Open weinend zu Boden.

© AFP

US Open: Rafael Nadal, die wahre Nummer eins

Rafael Nadal schlägt im Finale der US Open den Weltranglistenersten Novak Djokovic – und wird ihn bald vom Thron stoßen. "Durch die Siege gegen starke Gegner habe ich sehr viel Selbstvertrauen gekriegt", sagt Nadal.

Als Rafael Nadal am späten Montagabend einen der kargen, engen Räume in den Katakomben des Arthur-Ashe-Stadiums betrat, da hatte der Mallorquiner schon den dritten Marathon hinter sich. Den ersten über fast dreieinhalb Stunden draußen im größten Stadion der Welt mit Novak Djokovic, den nächsten beim nicht enden wollenden Autogrammeschreiben. Und den letzten mit TV-Kameras, Mikrofonen, Notizblöcken und den immer gleichen Fragen. Was für ein Kraftakt. Nadal ließ sich auf einen der Stühle sacken und pustete erst einmal durch. Was schlimmer war? „Klar, das Match war viel anstrengender“, sagte Nadal und schüttelte den Kopf: „Ganz ehrlich: Ich weiß manchmal hinterher selber nicht, wie ich Novak eigentlich schlagen konnte.“

Er hatte es aber, mit 6:2, 3:6, 6:4 und 6:1 in einem fantastischen Endspiel der US Open. Nadal sah müde aus, aber seine dunklen Augen strahlten immer noch ihre gewohnte Verbindlichkeit aus. Die Tränen waren inzwischen weggewischt, er schämte sich jedoch nicht dafür, dass er nach dem Matchball weinend zu Boden gesackt war. „Es kam einfach alles für mich zusammen“, erzählte er, „teils war es die Überraschung, der Gedanke an alles, was ich durchgemacht hatte. Und die Menschen in meiner Box zu sehen, die alle für mich da gewesen sind.“ Er blickte einen Moment lang auf den Siegerpokal, dann fügte er hinzu: „Dieser Sieg war der emotionalste meiner Karriere.“

So gerührt und mitgenommen hatte man Nadal tatsächlich nur selten gesehen. Dieser 13. Grand-Slam- Titel ging dem 27-Jährigen unter die Haut. Denn bei seiner Rückkehr auf die Tour im Februar, nachdem er sieben Monate mit einer Knieverletzung aussetzen musste, hätte er niemals geglaubt, dass er eines der beeindruckendsten Comebacks der Tennishistorie hinlegen würde.

„Es ist mehr als ein Traum für mich“, sagte er. Denn Nadal war damals mit Schmerzen zurückgekehrt, er quälte sich durch die ersten kleineren Turniere in Südamerika und gewann dennoch so gut wie alles. Doch es war Sand, Nadals Wohlfühlbelag. Wie aber würde sein lädiertes Knie dem stumpfen Hartplatz standhalten? Er entschied sich im März ganz kurzfristig, beim Masters in Indian Wells anzutreten. Nadal kam, sah und siegte. Auch dort war er den Tränen nahe. „Das war sicherlich ein Wendepunkt für mich“, sagte er, „durch die Siege gegen starke Gegner habe ich sehr viel Selbstvertrauen gekriegt.“ Er sollte es danach nicht mehr ablegen, verlor keine Partie mehr auf Hartplatz. Das Erstrundenaus in Wimbledon blieb die einzige Delle in seiner furiosen Saison: Dreizehn Turniere, zwölf Endspiele, zehn Siege. Nun folgte die vorläufige Krönung seines Comebacks mit dem atemberaubenden Match gegen den Weltranglistenersten. Wer wollte da noch behaupten, Rafael Nadal wäre nicht der beste Spieler?

Nadal wiegelte ab: „Noch ist es nicht so weit, obwohl ich eine sehr gute Chance habe bis zum Ende der Saison.“ Nur 180 Punkte trennen ihn von Djokovic, für Nadal kommt bis Februar jeder Zähler als Bonus aufs Konto. Der Serbe muss dagegen seine Punkte vom Vorjahr verteidigen. „Ich werde ganz demütig abwarten“, sagte Nadal, „aber ich schwöre, nach allem, was ich mitgemacht habe – die Nummer eins würde mir extrem viel bedeuten.“

Für alle war er stets der Sandplatzkönig, und das störte Nadal auch nicht weiter. Denn dort war er ja am erfolgreichsten, allein mit acht French-Open-Titeln. Doch dass er zuvor auch schon große Titel auf Hartplatz gewonnen hatte, war den meisten nicht so bewusst. Nadal ist längst ein Allrounder. Und er hatte sein Spiel verändert, stand in Flushing Meadows dichter an der Linie, agierte aggressiver und spielte seine Rückhand flacher – alles nur wegen Djokovic. „Er treibt mich jedes Mal an mein absolutes Limit“, sagte Nadal. Und daher scheint nicht nur die Grand-Slam-Bestmarke von Pete Sampras (14), sondern auch jene Roger Federers (17) plötzlich greifbar.

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