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Tennis - US Open - Andreas Beck

© dpa

US Open: Schritt in die Selbstständigkeit

Andreas Beck gilt schon lange als Talent, war aber faul und moppelig. Mit einer professionelleren Einstellung hat er die zweite Runde von Flushing Meadows erreicht.

Andreas Beck wusste genau, was auf ihn zukommen würde. Sein amerikanischer Gegner John Isner gehört mit seinen 2,06 Metern zu den größten Spielern der Profitour und vermittelt jedem, der gegen ihn spielt, das Gefühl, als würden die Aufschläge „aus dem sechsten Stock“ abgefeuert werden. Asse produziert Isner wie am Fließband und er kann seine Gegner schnell entnerven. Thomas Haas musste das schon öfter erleben. Zudem ist der so genannte Grandstand jener Platz auf der Anlage der US Open in Flushing Meadows, an dem die Zuschauer besonders eng am Geschehen sitzen. Und die ohnehin dichte und meist elektrisierende Atmosphäre heizt sich dort noch zusätzlich auf, wenn ein Amerikaner hier antritt.

"Ich mag es, wenn alle gegen mich sind"

Für einen 22 Jahre alten Spieler wie Beck, der vor zwei Monaten in Wimbledon gegen Rafael Nadal das erste Grand-Slam-Match seiner Karriere absolvierte, sind das keine wirklich optimalen Voraussetzungen und so manchem wären die Nerven dabei sicher zum Verhängnis geworden. Doch Beck behauptete sich mit 7:6, 6:4 und 7:6 in der ersten Runde der US Open gegen Isner. Schon als der Ravensburger den Platz betrat, strahlte er eine seltsam abgeklärte Ruhe aus, er schien die Atmosphäre in sich aufzusaugen und zu genießen. „Ich mag das sehr, wenn alle gegen mich sind. Das spornt mich noch mehr an und dann spiele ich am besten“, sagte Beck später kess. Hätten es die amerikanischen Fans gewusst, wären sie wohl sofort zu ihm übergeschwenkt, stattdessen versuchten sie, Isner nach vorne zu treiben.

Allerdings mit mäßigem Erfolg. Nur 27 Asse servierte er, Beck returnierte die Aufschlaggeschosse mit fast stoischer Ruhe und spielte Isner danach meist von der Grundlinie aus. „Wenn der Ballwechsel erst einmal lief, war ich klar der Stärkere. Ich denke, ich habe verdient gewonnen“, sagte Beck, der sich über die Qualifikation ins Hauptfeld gekämpft hatte.

Er nahm sechs Kilo ab und lernte wie ein erfolgreicher Profi zu leben

Es schien nach Becks souveränem Auftritt nur schwer vorstellbar, dass dieser zu Beginn des Jahres noch bei Future-Turnieren angetreten war, der dritten Liga im Profitennis. Doch bereits gegen Nadal hatte der inzwischen 122. der Weltrangliste sein Publikum beim 4:6, 4:6, 6:7 mit mutigem und frechen Spiel beeindruckt. „Das Match war extrem wichtig für mich. Ich habe gemerkt, dass ich mit den besten Spielern mithalten kann. Das war ein tolles Gefühl auf dem Center Court und ich wusste immer, dass das die Plätze sind, auf denen ich spielen will.“ Der Gedanke daran trieb Beck auch zu Beginn der Saison dazu, seine Karriere professioneller anzugehen. Als großes Talent galt er seit Jahren, jedoch hatte Beck nicht verstanden, wie man als erfolgreicher Profi leben muss. Trainingsfaul, dazu noch ein wenig moppelig machte Beck zuletzt kaum noch Fortschritte. Sein Trainer, der Ex-Profi Carsten Arriens, stellte seinen Schützling daher vor die Wahl: „Er sagte, ich soll mich jetzt endlich zusammenreißen oder besser eine Ausbildung machen. So ginge es nicht weiter.“

Beck hatte die Aufforderung nicht zum ersten Mal gehört, doch nun sah er ein, dass es „ein Fehler war, dass ich so faul gewesen bin“. Innerhalb weniger Wochen nahm er sechs Kilo ab, was seiner zuvor eklatant schwachen Beinarbeit zugute kam. Auch der Umzug nach Stuttgart in die erste eigene Wohnung habe ihm gut getan, er sei nun endlich selbstständiger geworden. Auch dass er eine Saison verletzungsfrei durchspielen konnte, sei wichtig gewesen, sagte Beck, der vor vier Jahren einen Bandscheibenvorfall erlitten hatte. Geblieben ist aus jener Zeit nur ein Nierengurt, den er immer noch trägt. Nicht, weil er ihn braucht, sondern weil er ihm ein besseres Gefühl gibt. Dieses Empfinden hat Beck inzwischen stets, wenn er auf den Platz geht, es wird auch in der zweiten Runde der US Open nicht anders sein, wenn er es mit dem Weltranglistenvierten David Ferrer zu tun bekommt: „Ich werde ganz locker rangehen. Ich habe doch gar nichts zu verlieren.“

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