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USA und China: Kampf der Systeme

Welche Nation wird die erfolgreichste der Spiele? China oder die USA? Jetzt treffen beide erstmals aufeinander – im Basketball.

Eigentlich ist der Basketball-Trainer Mike Krzyzewski, den die Amerikaner nur Coach K nennen, der richtige Mann für die Systemfrage. Der US-Amerikaner sitzt entspannt im Hauptpressezentrum der Olympischen Spiele, und beantwortet launig und geduldig auch die Frage spanischer Reporter nach einem 17-jährigen spanischen Basketball-Nationalspieler. Vor allem: Mike Krzyzewski hat eine politische Meinung, Ende der Sechzigerjahre studierte er an der Militärakademie in West Point, später arbeitete er als Basketballtrainer für das US-amerikanische Militär. „Herr Krzyzewski, welche Rolle spielt der Kampf der Systeme bei diesen Olympischen Spielen?“, fragt ein Reporter. Mike Krzyzewski sagt: „Das müsst ihr entscheiden, ich interessiere mich nur dafür, wie wir gegen Yao Ming verteidigen.“

Der Basketballtrainer interessiert sich für sein Eröffnungsspiel gegen China und will nicht über die Frage diskutieren, die eine der spannendsten dieser Olympischen Spiele in Peking ist: Kann der Ausrichter China die USA im Medaillenspiegel erstmals überholen? Einen ersten Hinweis gibt es schon heute, wenn im Schießen der Frauen mit dem Luftgewehr die ersten Medaillen der Spiele 2008 vergeben werden. Es könnte sogleich eine chinesische Goldmedaille werden, die Schützin Du Li zählt zu den Favoritinnen. Der erste Höhepunkt der Pekinger Spiele folgt am Sonntag mit dem Basketballspiel zwischen China und den USA. „Es wird wahrscheinlich das Spiel mit der höchsten Fernsehzuschauerzahl der Sportgeschichte sein“, sagt der US-Basketballer Deron Williams. Bis zu eine Milliarde Fernsehzuschauer werden im Basketball eines der wenigen direkten Duelle der beiden Länder sehen, die um Platz eins im Medaillenspiegel kämpfen. Beide Länder haben ihre Stärken in unterschiedlichen Sportarten.

Die USA werden in der Leichtathletik und im Schwimmen Siege holen

Die USA werden vor allem in der Leichtathletik und im Schwimmen Medaillen sammeln, die Chinesen können schon jetzt Medaillen im Tischtennis, Badminton oder Wasserspringen mitrechnen. Vor vier Jahren in Athen lag China mit 32 Goldmedaillen nur vier Olympiasiege hinter den Rivalen aus den USA. Diesmal trauen Experten den chinesischen Athleten mehr als 40 Goldmedaillen zu. „Wir haben bei Olympia eine sehr ernstzunehmende Herausforderung, die härteste seit der Auflösung der Sowjetunion“, sagte Steve Roush, Verantwortlicher der Abteilung „Sportliche Leistung“ im Nationalen Olympischen Komitee der USA, „wenn man auch noch an den Heimvorteil denkt, bekommt man schlaflose Nächte.“ In China haben sich die Funktionäre zwar offiziell von dem Ziel verabschiedet, stärkste Nation zu werden. Kritiker vermuten dahinter allerdings Understatement und den Versuch, die Erwartung der eigenen Bevölkerung nicht zu hoch zu schrauben.

Als die Spiele 2001 nach China vergeben worden sind, rief China das Projekt 119 ins Leben. Es sah vor, besonders medaillenträchtige Sportarten zu fördern, die nicht traditionell zu den chinesischen Sportarten gehören. Leichtathletik, Rudern, Schwimmen, Kanu und Segeln gehörten zu den neuen Schwerpunkten. 119 Medaillen sollten es in diesen Sportarten ursprünglich werden, inzwischen ist das Ziel sogar auf 122 angehoben worden. Das Budget für das Sportsystem hat sich im Vergleich zum Jahr 2000 sogar verdoppelt: 500 Millionen Euro stehen Chinas Sport inzwischen zur Verfügung. Pro Jahr. Es wird geschätzt, dass jede Goldmedaille ungefähr 4,63 Millionen Euro kosten wird. In den Vereinigten Staaten hingegen hat sich das Sportsystem nicht entscheidend verändert, seitdem sie seit 1996 den Medaillenspiegel anführen. Das Basketballspiel am Sonntag zwischen China und USA steht symbolisch für die sportliche Situation bei diesen Spielen. Auf der einen Seite die USA, die ihre Vormachtsstellung in einem Sport zurückerobern und verteidigen wollen, der in ihrem Land erfunden worden ist. Auf der anderen Seite China, das sich anschickt, in einer der populärsten Sportart der Welt zu den Großen zu zählen. Das gleiche Ziel verfolgt das Land auch mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele 2008. Wie aber werden die 20 000 Zuschauer reagieren, die das Glück haben für das Wukesong-Basketball-Stadion Karten ergattert zu haben? Werden die Amerikaner ausgebuht wie bei den Olympischen Spielen in Athen? Trainer Mike Krzyzewski hat es ganz anders erlebt. „Es ist weder ein Duell der Supermächte noch der politischen Systeme“, sagt der Basketballtrainer, „ich bin eher begeistert von der chinesischen Leidenschaft für unseren Sport.“ Tatsächlich werden die US-amerikanischen Basketballer in Peking von den chinesischen Fans belagert wie Hollywoodstars. Das erste Duell der Supermächte des olympischen Sports könnte daher vor allem ein großes Fest werden.

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