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Alles Kopfsache. Pep Guardiola will seine Spieler erst einmal kennenlernen und will, dass seine Spieler ihn kennenlernen. Foto: dpa

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Sport: Variationen im System

Neu-Trainer Pep Guardiola arbeitet beim FC Bayern derzeit nur an Nuancen.

Eigentlich ist Pep Guardiola ja zum FC Bayern gekommen, um die beste Mannschaft Europas vielleicht noch ein bisschen besser zu machen – oder um zumindest die erfolgreiche Ära fortzusetzen. Aber in den ersten Tagen bringt nicht nur der neue Trainer der Mannschaft etwas bei, sondern es ist auch umgedreht. Täglich mit den Spielern zu sprechen, sagt Guardiola, „ist der beste Deutschunterricht. Sie helfen mir, neue Worte zu finden“. In den nächsten zehn Tagen hat er dazu nicht nur auf dem Platz Gelegenheit, sondern fast rund um die Uhr, denn die Münchner haben wie schon in den vergangenen drei Jahren in der kleinen Stadt Riva am Nordufer des Gardasees ihr Sommertrainingslager bezogen – mit allen Rekonvaleszenten wie Holger Badstuber, Bastian Schweinsteiger oder Mario Götze und einer Handvoll Nachwuchsspielern.

Immerhin ist Pep Guardiola bei allen Neuem, das er derzeit nicht nur sprachlich erlebt, wenigstens die Gegend des Trainingslagers und die Sprache des Personals im feudalen Hotel Lido Palace vertraut. Er hatte während seiner aktiven Karriere eineinhalb Jahre in Brescia am anderen Ende des Sees gespielt. Aber Augen für die Schönheiten Norditaliens dürfte der Katalane nicht haben in diesen Tagen. Es gehe darum, sagt er, „dass ich die Spieler besser kennenlernen und sie mich“. Einen ersten Eindruck hatte sich Guardiola von seiner Mannschaft in den ersten beiden Vorbereitungsspielen am vergangenen Wochenende gemacht – und dabei mit für den FC Bayern bisher ungewöhnlichen Systemvariationen überrascht. Mal ließ er mit einer Dreierkette in der Abwehr spielen, dann schickte er den etatmäßigen linken Offensivspieler Franck Ribéry in die Mitte. In den beiden während des Aufenthalts in Italien geplanten Partien gegen eine vom Sponsor zusammengestellte Freizeitmannschaft an diesem Freitag und am kommenden Montag gegen Guardiolas ehemaligen Verein Brescia Calcio kündigte der 41-Jährige weitere Experimente an. „Ich weiß, was Ribéry, was Müller, was Kroos auf ihren Positionen können, aber es ist wichtig für mich, zu wissen, ob sie auch auf anderen Positionen spielen können.“

Womöglich hat er nun doch mehr Angreifer zur Verfügung, als er dachte und als er braucht, schließlich hatte er schon in Barcelona das Spiel ohne Sturmspitze präferiert. Der Wechsel von Mario Gomez zum AC Florenz, bisher einziger ernsthafter Interessent, hat sich zerschlagen – und der deutsche Nationalspieler bleibt vielleicht doch beim FC Bayern. Ebenso wie Claudio Pizarro, der seinen Vertrag um ein weiteres Jahr bis 2014 verlängerte.

Als Guardiola im Winter bei den Bayern einen Vertrag unterschrieb, hatte er womöglich damit gerechnet, der Mannschaft die Spielweise des FC Barcelona, die auch seine Spielweise ist, näher bringen zu können. Ein halbes Jahr später weiß er, dass er nicht viel ändern muss, nichts umkrempeln darf. „Ich habe gemerkt, Bayern hat sehr, sehr, sehr, sehr, sehr intelligente Spieler. Sie werden meine wenigen Ideen verstehen.“ Es ist keine höhere Fußballmathematik, die der erfolgreichste Trainer der vergangenen Jahre lehrt. „Ich mag es nicht, wenn die gegnerische Mannschaft den Ball hat“, sagt er. „Ich will den Ball haben.“ Das aber unterscheidet sich nicht so sehr vom Spiel der Rekord-Bayern in den vergangenen Monaten.

Guardiola weiß, dass er den FC Bayern nach der vergangenen Saison mit drei Titeln nicht viel besser machen kann, aber womöglich variabler. Die Gegner werden daran basteln, eine Antwort auf die Spielweise des Champions-League-Siegers zu finden, so wie die Bayern in der vergangenen Saison Barcelonas System, das lange als Nonplusultra in Europa und in der Welt gegolten hatte, entschlüsselten. Die Katalanen hatten im Frühjahr keine Idee parat, und das soll Guardiolas Bayern, die nun die Gejagten sein werden, nicht passieren. Sportvorstand Matthias Sammer hatte zwar Geduld angemahnt, wenn nicht alles von Anfang an reibungslos klappt. Aber Guardiola weiß: „In einem großen Verein hast du keine Zeit. Du musst von Anfang an, gut arbeiten. Der FC Bayern ist nicht der beste Ort, um nicht zu gewinnen.“

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