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Blitzweltmeister ist er schon. Aber Levon Aronjan hat noch höhere Ziele. Foto: dpa

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Sport: Veränderte Logik

Der in Berlin lebende Armenier Levon Aronjan hat das Potenzial zum Schachweltmeister.

Die Zeit der lästigen Unterscheidung zwischen dem offiziellen und dem wahren Schachweltmeister liegt schon ein paar Jahre zurück. Mittlerweile gibt es nur noch einen Weltmeister, nämlich Viswanathan Anand. Dass der Inder, aktuell die Nummer vier der Welt, im Mai in Moskau von Boris Gelfand, dem 22. der Rangliste, herausgefordert wird, wirft allerdings die Frage auf, ob es womöglich einen geeigneteren Kandidaten gäbe. Etwa Levon Aronjan, 29, armenischer Großmeister aus Berlin-Hohenschönhausen. Aronjan bestreitet von Samstag an in Zürich sechs Testmatches gegen den früheren Weltmeister Wladimir Kramnik. Es ist das Duell des Weltranglistenzweiten gegen den Dritten.

„Hm, Nummer zwei gegen Nummer drei“, murmelt Aronjan in sein Handy und macht eine Denkpause. „Ich gebe nicht allzu viel auf Ratingzahlen. Sie spiegeln nicht immer die absolute Spielstärke wider, eher die momentane Erfolgsquote. Das bedeutet nicht, dass ich oder Kramnik oder sonst ein Topspieler stärker sind als Gelfand.“ Gewiss, auch Aronjan möchte einmal Weltmeister werden und sich in die Liste der bislang 15 Champions seit 1886 einreihen. Das Potenzial dazu hat er zweifellos.

Doch um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es seinen eigenen Worten zufolge vor allem eines: Veränderung. Ein sehr guter Spieler könne sich nur dann zu einem legendären Spieler entwickeln, wenn er bereit sei, sich zu verändern. Er selbst scheint seinen Geist ständig erweitern zu wollen, nicht nur mit Schach. „Ja, ich versuche, mich selbst etwas zu erziehen.“ Er mag Kino und Literatur, hört gern Jazz und am meisten schätzt er Johann Sebastian Bach. „Das ist mehr als Musik.“

An seinen Eröffnungen arbeitet Aronjan inzwischen viel härter als vor einigen Jahren. Dabei schienen ihm dank seines Talents die Erfolge schon früher einfach zuzufallen: Jugendweltmeister, Juniorenweltmeister, die ersten großen Turniersiege. Dabei hatte er erst mit neun die Schachregeln von seiner Schwester gelehrt bekommen. Im Jahr 2001 verließ die Familie Aronjan die Heimat; die Mutter war Sprengmeisterin, der Vater Physiker. In Deutschland versprachen sie sich bessere Lebensbedingungen, zumindest für den damals 18-jährigen Levon sollte der Plan aufgehen.

Aronjan sagt, er stamme aus der ersten Generation, die mit Schachspielen im Internet aufgewachsen ist; mehr gelernt habe er aber aus Büchern. Doch natürlich arbeitet auch er mit dem Computer. „Ohne Computer könnten wir niemals auf dem Niveau spielen, das wir jetzt erreicht haben. Das Niveau war nie höher als heute.“ Und wenn alle Eröffnungen eines Tages bis zum 30. Zug ausanalysiert sein sollten? Dann, sagt Aronjan, könnte man ja eine Zeitlang mit Stellungen aus dem Schach960 beginnen. Bei dieser Spielart wird vor der Partie die Figuren-Stellung auf der Grundreihe unter den 960 Möglichkeiten ausgelost. Gewöhnlich dominiert Aronjan seine Gegner im Schach960 genauso wie im Schnell-, Blind- oder im Fünf-Minuten- Blitzschach. Derzeit ist er Blitzweltmeister.

Die sechs Partien in Zürich können indes bis zu sieben Stunden dauern. „Einer der härtesten Gegner überhaupt“, sagt Wladimir Kramnik über Aronjan. „Er ist ein sehr fantasievoller Spieler, er steckt eine Menge Persönlichkeit in die Partien“. Jahr für Jahr verbessere sich Aronjan, jetzt sei er schon die Nummer zwei und nah dran an Magnus Carlsen, der Nummer eins. „Es ist genau das, was ich will“, sagt Kramnik. Außerdem könne man „frei aufspielen“, es sei ja kein WM-Kampf.

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