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Sport: Verbotene Millimeter

Im Tischtennis kommt es auch auf die Schlägerdicke an

Einer fehlte. Als bei den Tischtennis-Europameisterschaften in Stuttgart die beiden Halbfinal-Teams vorgestellt wurden, standen die Rumänen vollzählig in der Spielbox, um sich den Zuschauern zu präsentieren. Bei Titelverteidiger Deutschland, der gestern das Finale gegen Dänemark bestritt (nach Redaktionsschluss beendet) vermisste man Dimitrij Ovtcharov. Der 20-Jährige kam etwas verspätet und mit düsterer Mine zum Spielbeginn. Danach diskutierte er mit den Schiedsrichtern und schüttelte ungläubig den Kopf.

Dem akribischsten unter Europas Spielern wurde bei einer zufällig ausgelosten Schlägerkontrolle zur Last gelegt, dass sein Belag die vorgeschriebene Dicke von maximal vier Millimetern um 0,2 Millimeter überschritten habe. Damit durfte Ovtcharov mit diesem Schläger das Eröffnungseinzel gegen Adrian Crisan nicht bestreiten. Die Spieler versuchen, möglichst dicke Beläge nahe dem Grenzwert zu verwenden, weil sie schneller sind. Dirk Schimmelpfennig war über diesen Fall verwundert. „Ovtcharov wählt seine Beläge immer sehr sorgfältig aus und kontrolliert den Schläger auch vorher“, sagt der DTTB-Sportdirektor. Schimmelpfennig durfte den Belag mit einer Belaglupe begutachten, konnte aber nicht erkennen, ob er eindeutig zu dick war. Einige Zuschauer in der Porsche-Arena, die dieses Prozedere nicht verstanden, pfiffen. Der Beginn des Halbfinals verzögerte sich. Ovtcharov probierte genervt seine Ersatzschläger aus. Da der sonst so coole Sportler von der Kontrolle verärgert und verunsichert war, nahm er nicht seinen eigenen Ersatzschläger, sondern den eines Teamkameraden in die Hand, von dem er sicher war, dass die Beläge dünner als vier Millimeter waren.

Nach verlorenem ersten Durchgang und 2:4 Punkten im zweiten Satz stellte Ovtcharov einen Riss in seinem Ersatzschläger fest und zeigte ihn den beiden Zählschiedsrichtern, die rechts und links an der Stirnseite des Tisches sitzen. Ein defekter Schläger darf während des Spiels nur mit Zustimmung der Schiedsrichter ausgetauscht werden. Die beiden Unparteiischen gestatteten Ovtcharov, den Schläger erneut zu wechseln. Der Deutsche griff nun seinen eigenen Ersatzschläger, kam immer besser ins Spiel und siegte mit 3:2-Sätzen. Das Ergebnis war dann jedoch noch nicht amtlich. Sondern erst, als beide Schläger nachgemessen und für regelgerecht befunden waren.

Jörg Petrasch[Stuttgart]

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