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Sport: Verhaltener Jubel

Der FC Bayern steht vorm Einzug ins Achtelfinale – und liegt trotzdem weiter im Clinch mit seinen Fans

Uli Hoeneß hat sich etwas vorgenommen. „Dieses Mal raste ich nicht aus“, sagt der Manager des FC Bayern. Rein sportlich gesehen gibt es für Hoeneß derzeit auch wenig Gründe für einen Wutausbruch. Mit dem 1:1 (0:1) beim AC Florenz steht der deutsche Rekordmeister vor dem Erreichen des Achtelfinales in der Champions League. Nein, Hoeneß’ Gemüt wird an diesem Freitag auf einem anderen Feld auf die Probe gestellt. Heute findet die Jahreshauptversammlung des FC Bayern statt. Und es ist damit zu rechnen, dass sich wieder renitente Vereinsmitglieder zu Wort melden – wie schon vor einem Jahr, als Hoeneß der Kragen geplatzt war.

Dabei hatte nicht viel gefehlt, und Hoeneß wäre auch am Mittwochabend wieder rot im Gesicht geworden. Lange sah es so aus, als müsste Trainer Jürgen Klinsmann nach dem frühen Gegentor durch Adrian Mutu am Ort seines 1:4-Debakels mit der Nationalelf vor der WM 2006 eine weitere Niederlage hinnehmen. Doch dank des späten Tores durch Tim Borowski glichen die Bayern noch aus und ließen sich danach von ihren mitgereisten Fans in der Kurve bejubeln. In drei Wochen können die Bayern zu Hause bereits mit einem Punkt gegen Steaua Bukarest das Weiterkommen feiern.

In der Vergangenheit war es um die Atmosphäre in der Münchner Arena weniger gut bestellt. Bei der Jahreshauptversammlung vor einem Jahr hatte ein gewisser Ralf Seeliger kritisiert, die Stimmung im Stadion sei so schlecht, weil man „mit Champagnergläsern keine La Ola machen kann“. Die Kernthese der Hoeneßschen Replik lautete: „Für die Scheiß- Stimmung, da seid ihr doch selbst verantwortlich.“ Es wurde klar, dass so einiges im Argen lag zwischen dem FC Bayern und einem Teil seiner Anhängerschar.

Ein Jahr später hat sich die Lage oberflächlich beruhigt. „Aber ich habe nicht das Gefühl, dass sich das Verhältnis zwischen Verein und Fans wesentlich verbessert hat“, sagt Thomas Emmes vom Fanprojekt München, das als Schnittstelle zwischen Verein, Anhängern und Polizei fungiert. „Es haben sich neue Baustellen aufgetan.“ Teilweise sind es scheinbare Kleinigkeiten: Im Sommer hat der FC Bayern einen Verwaltungs- Neubau eröffnet. Wer nun etwas von der Fanbetreuung des Vereins will, muss sich – anders als früher – erst am Empfangstresen anmelden. Für einige Fans ist der Graben zwischen ihnen und ihrer Herzensangelegenheit damit wieder ein Stück tiefer geworden.

Doch es gibt auch größere Probleme, wie die Stimmung im Stadion. „Es ist einfach traurig, wie wenig da los ist“, sagt Thomas Emmes vom Fanprojekt.Viele Fans aus der Südkurve fühlen sich in ihrem Dauerstreit mit der Münchner Polizei vom Klub nicht ausreichend unterstützt. Eines der Hauptthemen ist die erlaubte Länge von Fahnenstangen in der Arena – für die Fans ein wichtiges Symbol. Doch die 1,50 Meter langen Stangen, die sie sich wünschen, bleiben verboten.

„Die Fans fühlen sich ständig schikaniert von der Polizei, der Unmut wird immer größer“, sagt Thomas Emmes. „Die Fanbetreuung des Vereins lässt sich vielleicht zu sehr von der Polizei beeinflussen. In anderen Städten hat der Verein mehr Einfluss.“ Raimond Aumann, ehemaliger Bayerntorwart und heute Fanbeauftragter, weist diesen Vorwurf zurück: „Wir versuchen, hier als Vermittler aufzutreten, damit beide Parteien künftig wieder zu einem vernünftigen Verhältnis finden. Am wichtigsten ist, dass man miteinander, nicht übereinander spricht.“

Außerdem gebe es ja den Arbeitskreis Fandialog, der wurde nach Hoeneß’ Ausbruch gegründet. In ihm sitzen 30 Fangruppierungen. „Am wichtigsten ist, dass man miteinander, nicht übereinander spricht“, schreibt Aumann. In der Vergangenheit etwa hat der FC Bayern in Krisensituationen mehrmals heftig reagiert. Im Frühjahr vergangenen Jahres waren Bayernfans an einer Raststätte auf Nürnbergfans losgegangen. Eine unbeteiligte Frau wurde von einer Flasche getroffen und erblindete auf einem Auge. Einige der Täter gehörten zum Umfeld der Ultra-Organisation „Schickeria“. Der FC Bayern aber kündigte gleich 530 Dauerkarten, auf der Basis einer alten Namensliste der „Schickeria“, in der auch viele Fans auftauchten, die nichts mit den Ultras zu tun hatten. Es wäre ein Fall für den Fanrat gewesen. Nur Schritt für Schritt nahm damals der Verein die Sanktionen zurück. Das Misstrauen aber blieb, auf beiden Seiten.

„Es könnte langweilig werden“, sagt Hoeneß zur Jahreshauptversammlung. Wenn er sich da mal nicht irrt. (mit dpa)

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