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Sport: Verkehrtes Spiel

Nach dem 0:0 zwischen Stuttgart und Köln fühlen sich beide Mannschaften als Gewinner

Stuttgart. Dass eine Bundesliga-Mannschaft noch das Fußballspiel erlernen und man diesen Fortschritten von Woche zu Woche zuschauen kann, dafür bietet der VfB Stuttgart das beste Beispiel. Dass sich der Reifeprozess nicht bei jedem Spiel sichtbar im Resultat festhalten lässt, auch das gehört zu einer solchen Entwicklungs-Geschichte. Felix Magath hat sich nicht einmal den Hauch einer Enttäuschung anmerken lassen, nachdem seine Champions-League-Helden nur ein 0:0 gegen den Tabellenletzten 1. FC Köln erreicht hatten. „Ich kann mit dem Unentschieden gut leben“, sagte Magath.

Offensichtlich konnten dies auch 50 000 Schwaben-Fans im Daimler-Stadion. Die hätten zu gern die Atmosphäre der Manchester-Nacht auf den Bundesliga-Alltag über- tragen, doch anders als Ruud van Nistelrooy und Co. waren die Profis aus Köln nicht zum Fußballspielen angereist. Sie wollten nur ihr zu null verteidigen. Sie hatten das eine Woche lang geübt. Um seinen Job zu retten, hatte Trainer Wolfgang Funkel den rheinländischen Catenaccio erfunden. Eine mobile Doppelkette, und hinter dieser Barrikade sollte noch ein dritter Mann eventuelle Einbrüche von Kuranyi, Szabics oder Hleb in den Kölner Strafraum unterbinden.

Ein paar deutlichere Worte fand Zvonimir Soldo. „Wir sind noch keine Top-Mannschaft, die gewinnt so ein Spiel“, sagte der Kapitän der Stuttgarter. „Einen solchen Gegner musst du schlagen – egal, wie.“

Das Stuttgarter Publikum hat am Ende trotzdem geklatscht. Und es gab auch keine Pfiffe, als Torjäger Kuranyi den Ball aus fünf Meter Entfernung nicht im Tor unterbrachte, oder der eingewechselte Tiffert Sekunden vor der Nachspielzeit keinen Haken um den FC-Torwart schlug, sondern Wessels an die Fußspitze schoss.

Die Lektion, dass am Ende eines solchen Nachmittags ein Punkt immer noch besser ist als keiner, hatte vor allem Magath begriffen. Vor zweieinhalb Jahren und während der ersten Monate, in denen Magath auf dem Cannstatter Wasen lehrte, endete der Vergleich mit dem Angstgegner Köln noch anders: „Da wurden wir dreimal ausgekontert, obwohl wir nur auf deren Tor stürmten.“ Der Trainer erinnert sich sogar noch an das Eckenverhältnis bei jener Niederlage: 16:0 für den VfB. Von jener Tafel, auf der damals die kuriosen Zahlen 0:3 und 16:0 geblinkt hatten, strahlte am Samstag um 17.04 Uhr das Foto von Torwart Hildebrand und dessen Rekord: 802 Minuten ohne Gegentor, besser als Welttorwart Oliver Kahn. 825 Minuten hieß die neue Marke am Ende der Partie, die es nun beim Spitzenspiel in vierzehn Tagen im Weserstadion auszubauen gilt.

Nach Bremen dampft der VfB mit breiter Brust, mit dem Selbstbewusstsein, „dass erst mal einer ein Tor gegen uns schießen muss“, sagte Verteidiger Hinkel.

Über solche Luxus-Probleme lässt sich momentan in Köln nicht diskutieren. Noch geht es um den Klassenverbleib, die Entlassung von Trainer Friedhelm Funkel und den Versuch, solch existenzielle Debatten in nüchternem Ton zu führen. Das versucht in erster Linie Andreas Rettig. Die Frage eines Reporters, ob der als Nachfolger gehandelte Marcel Koller, der am Freitag beim Grasshopper-Klub Zürich zurückgetreten war, nun noch länger auf ein Telefonat warten müsse, konterte der FC-Manager kühl: „Rufen Sie ihn doch an.“ Die Lage rund ums Geißbockheim hat sich etwas beruhigt. „Dieser unerwartete Punktgewinn ist nicht nur fürs Tabellenkonto, sondern auch für die Köpfe unserer Spieler sehr wichtig“, sagte Rettig. Und Funkel ergänzte: „Wir haben mit viel Leidenschaft verdient ein 0:0 erkämpft. Das macht Mut für die nächsten Wochen.“ Ob es Funkel dann noch in Köln gibt, bleibt fraglich. Rettig kündigte richtig Alarm an. „Das Heimspiel gegen Freiburg wird viel schwieriger werden, weil wir da nach vorn spielen müssen.“

Martin Hägele

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