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Sprungtrainer. Bei der WM lernte Joachim Löw seinen Job wieder lieben. Foto: Reuters

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Sport: Verlängerte Verlöwschung

Joachim Löw bleibt auf Wunsch des DFB bis zur WM 2014 Bundestrainer – die Perspektive lockt

Berlin - Vielleicht haben sie sich beim FC Bayern für einen Moment lang ja wirklich Hoffnungen gemacht, im Sommer 2012 Joachim Löw als Trainer gewinnen zu können. Nach der Europameisterschaft und einem Überbrückungsjahr mit – wem auch immer. Mag sein, dass das alles nur ein riesengroßes Ablenkungsmanöver gewesen ist und sie beim FC Bayern ahnten, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seinen führenden Angestellten ihnen nicht kampflos überlassen würde. Gestern nun verlängerte der 51-jährige Löw vorfristig seinen bis zur EM 2012 laufenden Vertrag als Bundestrainer bis 2014. „Ich denke, die EM 2012 kann so ein kleines Zwischenziel sein in Richtung WM 2014“, sagte er.

Es ist noch gar nicht so lange her, da war es fraglich, ob Joachim Löw überhaupt noch willens ist, weiterhin beim DFB zu arbeiten. Es war bei der WM in Südafrika, als ein schwelender Streit die Tage zwischen den Turnierspielen immer wieder überlagerte. Und mit jedem Sieg des Löw-Teams mehr, insbesondere den Fußballfesten in den K.-o.-Spielen gegen England und Argentinien sowie der rauschhaften Stimmung im eigenen Land wuchs der Druck auf den DFB. Dessen Präsidenten Theo Zwanziger hatte im Dezember 2009 noch en passant verkündete, Löws Vertrag (Laufzeit bis 2010), sei verlängert. Löw konterte, dass davon nicht die Rede sein könne.

Noch bis weit ins Jahr hinein war Löw ernstlich darüber verstimmt, dass Vertragsinhalte aus der Verbandsspitze in die Öffentlichkeit weitergereicht und damit Vertraulichkeit verraten worden war. Vor allem aber war er darüber verstimmt, dass der Verband ihm, dem Bundestrainer, pünktlich zum 50. Geburtstag im Februar ein Ultimatum auf den Tisch knallte. „Indiskretionen kränken mich und haben mich gekränkt“, hatte Löw danach gesagt. Selbst als Zwanziger während der WM – wann immer er die Gelegenheit bekam – um die Gunst des Bundestrainer buhlte, blieb bis zum Sieg um Platz drei unklar, ob Löw weitermacht. Der DFB-Spitze ist inzwischen klar, dass Löw an der Spitze der wichtigsten Mannschaft des Landes ihnen Bedeutung, Moderne und Erfolg verspricht. Schließlich einigten sich beide Seiten wenige Tage später auf eine Verlängerung bis 2012.

Anfang Mai 2010 war die deutsche Mannschaft mit großer Ungewissheit aufgebrochen zum Abenteuer Südafrika. Ungewiss, was das sportliche Abschneiden anbelangte, weil einige Stammspieler wie beispielsweise Michael Ballack ausfielen, Ungewiss auch, was die Zeit nach der WM anbelangte. Allen Ärger hatte Löw beiseite schieben können. Als täglicher Beobachter konnte man bemerken, wie der Badener Löw die geplatzten Vertragsverhandlungen in eine neue Unabhängigkeit uminterpretierte. Er tat nur noch das, was er für richtig hielt. Er musste keine Rücksicht mehr nehmen, wem was passte oder wen er in seine Entscheidungen einbezog. Er ließ Zwanziger außen vor, der nicht im WM-Mannschaftsquartier übernachten durfte, und er musste sich auch nicht mit dem einflussreichen Ballack auseinandersetzen.

„Ich bin ein ästhetischer Trainer“, hatte Löw in den WM-Tagen erzählt. Einer, „der guten Fußball sehen will, eine gute Fußballkultur“. Diese Vorstellung hat er auf die junge Mannschaft übertragen wie vielleicht kein Bundestrainer vor ihm. Es begann die Verlöwschung der neuen Mannschaft, die sie zum Topfavoriten der kommenden Turniere macht.

Es waren die Tage im Sommer 2010, in denen Löw seinen Job wieder lieben lernte. Er wusste ja, dass dieses Amt mit Erwartungen und Zumutungen verbunden ist. Doch er zog damals unbeirrt von allen Widrigkeiten selbstbewusst seine Bahnen. Er hatte im Vorfeld der WM verdienstvolle Spieler wie Lehmann und Frings aussortiert, hatte Spieler wie den treffsicheren Kuranyi links liegen lassen und dafür Saisonverlierern wie Klose, Friedrich und Podolski vertraut. Und er hatte auf die Jungen wie Özil, Khedira, Neuer, Müller und Kroos gesetzt. Alles exzellente Fußballer, aber würden sie Extremsituationen, wie sie ein Turnier bereithält, meistern? Das Ergebnis ist bekannt. Was als Experiment begann, hat Löw zu einem Team geprägt, welches mittlerweile international als stilbildend gilt. Die Perspektive dieses Teams ist ausgezeichnet. Ein Großteil der Mannschaft wird vielleicht erst 2014 seinen Zenit erreichen. Und Löw möchte dabei sein.

Vor wenigen Tagen hat Theo Zwanziger das Ultimatum Löw gegenüber vor einem Jahr als großen Fehler bezeichnet. „Das tut mir heute noch weh“, sagte der DFB-Präsident. Gestern nun sagte er: „Er hat bei diesen jungen Spielern Motivation und Begeisterung geweckt, schafft auch immer wieder Konkurrenzdruck und ist ein kluger Taktiker.“ Und Löw, dessen Funktionsteam aus Manager Bierhoff, Kotrainer Flick und Torwarttrainer Köpke gleichfalls verlängerte, sagte: „Wir haben junge Spieler, großartige Perspektiven, und es macht uns viel Spaß. Deshalb haben wir gerne das Angebot der DFB-Führung angenommen.“

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