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Sport: Verlaufen im Tunnel

Holland unter Schock: Der große Eislauf-Star Erben Wennemars wird nur Neunter bei der WM

Erben Wennemars wäre fast über eine kleine Sporttasche gestolpert. Das lag an seinem Blick. Er starrer, konzentrierter Blick, der wenig einfing von der Umgebung links und rechts. Also auch die Sporttasche auf dem Boden im Inzeller Eisstadion nicht. Ab Krook gefällt dieser Blick. „Sehen Sie“, sagte er und blickte Wennemars nach, „so sieht er sogar beim Training aus.“ Der Holländer Wennemars bereitete sich gerade auf die 1000 m bei der Eisschnelllauf-WM vor, Ab Krook ist sein Cheftrainer. „Erben hat ständig diesen Tunnelblick“, sagte er.

Ein paar Stunden später hat Wennemars wieder diesen Tunnelblick. Aber diesmal war sein Mund auch noch ein Strich. Der 29-Jährige hockte vor holländischen Journalisten, er war gerade die 1000 m gelaufen und nun richtig sauer. Platz neun nur, ein Debakel. Der junge Norweger Even Wetten hatte sensationell gewonnen. „Ich weiß nicht, warum es nicht lief“, knurrte Wennemars. „Und Wetten hatte ich nicht auf meiner Favoritenliste.“ Eigentlich gab es nur einen Favoriten: Erben Wennemars, den Titelverteidiger, den Gesamt-Weltcupsieger über 1000 m, den Sprint-Weltmeister.

Für Holland war dieser Platz neun ein Schock. Das Land hat viele Stars im Eisschnelllauf, doch Wennemars ist der populärste, der bestverdienende Eisschnellläufer. „Erben ragt heraus“, sagt Krook. Das liegt nicht bloß an den Erfolgen: dreimal Einzelstrecken-Weltmeister, zwei Mal Sprint-Weltmeister, Weltrekordler im Kleinen Vierkampf. Titel haben andere auch, mehr sogar als Wennemars. Es liegt vor allem an seiner Persönlichkeit.

Erben Wennemars ist außerhalb der Eisfläche ein ruhiger, souveräner Mann, der viel Wert auf Bodenständigkeit legt. Wennemars’ Eltern haben einen Bauernhof in Dalfsen, und der Sohn betont immer wieder, dass er stolz darauf ist, der Sohn eines Bauern zu sein. Zur Bodenständigkeit gehört für ihn auch, dass er den Dialekt der Gegend betont. Wennemars wohnt mit seiner Frau, einer TV-Moderatorin, in Zwolle. In der Stadt gibt es gerade heftige Diskussionen um den Bau eines neuen Fußball-Stadions, Wennemars, ein Fan des örtlichen FC Zwolle, setzt sich lautstark für den Neubau ein.

Zumindest in den wenigen Wochen, in denen er zu Hause ist. Normalerweise trainiert er in Heerenveen oder in Calgary. Wennemars startet für das Profiteam Postcode Loterij, gesponsert von einer Lotteriegesellschaft. Die finanziert seit drei Jahren die Sportler-Gruppe, und in diese Zeit fällt auch der große Aufstieg des Erben Wennemars. Zuvor hatte ein Investmentunternehmen die Sportler unterstützt. Doch die Firma bekam durch den Börsencrash finanzielle Probleme, die Athleten wurden unruhig. Deshalb war Wennemars auch nicht in bester Olympiaform. Olympiagold, das fehlt ihm noch. Dann fühlte er sich auf Augenhöhe mit Uwe-Jens Mey aus Berlin. Mey hat 1988 und 1992 Olympiagold über 500 m gewonnen, Wennemars ist sein größter Fan. „Ich habe die Videos mit Uwes Läufen tausend mal gesehen“, sagte er mal. „Er lief so kraftvoll und elegant.“

Auch das prägt das Bild von ihm: Der Star Wennemars zeigt immer wieder Hochachtung vor anderen. Wenn er in Calgary trainiert, fährt er regelmäßig die 100 Meilen zu Evert van Bentheim. Der hat 1985 und 1986 die Elf-Städte-Tour in Friesland gewonnen, ein Eisschnelllauf-Marathon über 200 Kilometer. In Holland ist er immer noch ein Star. Wenn die beiden zusammentreffen, reden sie über Kühe, Traktoren und Weizen. In diesem Momenten fühlt sich der Weltmeister wie zu Hause in Dalfsen: Sein Gastgeber van Bentheim hat eine riesige Farm.

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