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Sport: Verschwommene Freude

Kamrau wird WM-Dritte, Lurz holt Silber

Christian Bartsch schüttelte den Kopf. Er war frustriert. „Britta hat alles richtig gemacht“, sagte der Trainer der Langstreckenschwimmerin Britta Kamrau. „Es ist meine Schuld.“ Die 26 Jahre alte Rostockerin, als Titelverteidigerin über die zehn Kilometer lange Strecke zu den Schwimm-Weltmeisterschaften nach Montreal gereist, war Dritte geworden, mit einer Zeit von 1:56:04,0 Stunden. Zweite wurde die Italienerin Federica Vitale (1:56:02,5) – hinter der neuen Weltmeisterin Edith van Dijk aus den Niederlanden (1:56:00,5). Ein paar Stunden später schwamm bei den deutschen Männern dann Thomas Lurz besser als Kamrau. Der Würzburger holte in der Zeit von 1:46:45,2 Stunden über die Distanz von zehn Kilometern Silber hinter Chip Peterson aus den USA (1:46:38,1).

Thomas Lurz hatte damit nach seinem Weltmeistertitel über die Distanz von fünf Kilometern schon die zweite Medaille bei der WM in Kanada gewonnen. Und trotzdem, so richtig zufrieden war der 25 Jahre alte Langstreckenschwimmer nicht. „Ich bin glücklich“, sagte Lurz zwar. Aber dann meinte er auch: „Ich hätte natürlich gern gewonnen.“

Diesen Wunsch hatte Lurz mit Britta Kamrau gemeinsam. Als die Deutsche nach ihrem Rennen aus dem Wasser stieg, riss sie noch beide Arme in die Höhe, strahlte und zeigte Muskeln. Ein paar Minuten später gab sie aber schon ein anderes Bild ab. Kamrau zitterte, das Gesicht war aufgequollen. „Bei diesen Rennen geht es immer so eng zu, da ist eine Medaille schon was Tolles“, sagte sie trotzig. Trainer Bartsch wusste es besser: „Gold wäre drin gewesen.“ Bartsch hatte für sich und seine Schwimmerin die falsche Taktik zurechtgelegt. Kamrau hatte darunter zu leiden, zumal sie eine Athletin ist, die sich immer exakt an den verabredeten Plan hält. Die Taktik hatte so ausgesehen: Kurz nach der letzten Wende wollte die Deutsche den Endspurt anziehen. In der Hoffnung, dass keine der Konkurrentinnen die letzten 1000 Meter so schnell kraulen kann wie die Rostockerin. Das war eine Fehleinschätzung, die ihren Grund wohl darin hatte, dass Kamrau bis vor zwei Wochen an den härtesten Weltcuprennen teilgenommen hatte und ihr dabei ein wenig die Grundschnelligkeit abhanden gekommen war.

Am Ende sah die Doppelweltmeisterin von 2004 über zehn und 25 Kilometer sogar die Chance auf die Bronzemedaille schwinden. Bis 400 Meter vor dem Anschlag hielt sie die Spitze, dann bog sie aber nur noch als Vierte auf die Zielgerade ein. Es gelang es ihr aber doch noch, die Russin Ksenia Popowa zu überspurten. „Ich habe mir gesagt: Du gehst hier nicht ohne Medaille raus“, erzählte Kamrau. „Da habe ich noch einmal alles gegeben.“ Eine halbe Sekunde war sie schließlich schneller als die Russin. Eine halbe Sekunde nach zehn Kilometern. Da sind die triumphierenden Gesten nach dem Anschlag besser zu verstehen. „Eine Goldmedaille würde ich schon noch gerne haben wollen“, sagte Kamrau, die zum WM-Auftakt am Sonntag über die fünf Kilometer nur Sechste geworden war. Um diese Goldmedaille zu holen, bleibt der Rostockerin nun nur noch das abschließende 25-Kilometer-Rennen am Freitag.

Als ihr Rennen schon lange Geschichte war, besserte sich die Laune bei Britta Kamrau übrigens wieder. Als Thomas Lurz nach seinem Rennen aus dem Wasser stieg, umarmte sie ihren Kollegen herzlich. Um 7,1 Sekunden hatte sich der Titelverteidiger Lurz dem Amerikaner Chip Peterson geschlagen geben müssen. Dabei hatte es lange sehr gut für den Deutschen ausgesehen. „Es war ein sehr hartes Rennen“, sagte Thomas Lurz. „Der Amerikaner ist eben acht Jahre jünger, er hatte am Ende mehr Reserven.“

Jürgen Roos[Montreal]

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