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Sport: Versteck hinterm Sündenbock

Der griechische Leichtathletik-Verband sieht im Dopingfall Kenteris/Thanou den Trainer als Hauptschuldigen – aber alles spricht dafür, dass auch die Athleten bestraft werden müssen

Berlin - „Elefthrotypia“, die linksliberale griechische Zeitung, brachte die Sache empört auf den Punkt. „Die Justiz-Wissenschaft wurde abgeschafft!“, lautete die Überschrift zu dem Artikel, in dem der Freispruch des gefallenen griechischen Leichtathletik-Heroen Kostas Kenteris und seiner Trainingspartnerin Ekaterina Thanou angeprangert wurde. Die Sprinter seien „fein raus“, alles sei „auf dem Buckel“ ihres Trainers Christos Tzekos „abgeladen“ worden. So sehen es auch andere griechische Journalisten sowie ausländische Experten und Beobachter. Dass der griechische Leichtathletik-Verband den größten Dopingskandal der Olympischen Spiele 2004 national mit einem Persilschein für Kenteris und Thanou und einer vierjährigen Sperre für den Coach beendete, gilt als grandioses Fehlurteil. Und die Begründung, die Athleten seien Opfer ihres heimtückischen Coaches, als Lachnummer.

Wer das ernst nimmt, degradiert den 200-m-Olympiasieger von 2000 und die 100-m-Europameisterin zu fremdgesteuerten Marionetten. In Wirklichkeit spricht alles dafür, dass das Trio im Somer 2004 in Athen nur panisch auf einen Ausweg aus einer hoffnungslosen Lage gesucht hatte. Ausgerechnet in Kenteris’ Heimat, ausgerechnet einen Tag vor Beginn der Olympischen Spiele, wollten Dopingkontrolleure den 33-Jährigen und seine Trainingkollegin kontrollieren. Damit hatten die nicht gerechnet. Im olympischen Dorf suchte der Kontrolleur erfolglos nach dem Duo. Die beiden baten um eine Verschiebung der Kontrolle um ein paar Stunden. Dann wollten sie im Dorf wieder auftauchen. Sie kamen allerdings nur bis zu einer Straßenkreuzung im südlichen Athner Stadtteil Glyfada. Dort waren sie angeblich mit ihrem Motorrad gestürzt. Sie kamen in ein Krankenhaus und wurden dort tagelang abgeschirmt. Es gab keine Unfallzeugen, das Bulletin, das Kenteris und Thanou Verletzungen bescheinigte, war nicht namentlich unterschrieben, dafür rechneten Dopingexperten aus, dass der Krankenhausaufenthalt genau so lange dauerte, bis Wachstumshormone abgebaut und nicht mehr nachzuweisen sind.

Die Athleten gaben ihre Olympiaakkreditierung zurück, die Athener Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen mehrere Personen, unter anderem Mediziner, weil sie die Geschichte mit dem Unfall nicht glaubt. Denn Kenteris, Thanou und Tzekos waren längst im Fokus der Dopingfahnder. Seit Jahren verhinderten die Sprinter erfolgreich, dass sie unangemeldet kontrolliert wurden. Kurz vor Olympia entzogen sie sich in Chicago und in Tel Aviv den Kontrolleuren. Angeblich habe sie Tzekos nicht über die Tests infomiert, sagten die griechischen Verbandsrichter in ihrer Urteilsbegründung. Mit Tzekos haben die Verbandsrichter einen guten Sündenbock. Bei dem stießen Polizisten bei einer Razzia auf fast 1400 Packungen verbotener Substanzen, zudem war der Trainer schon 2003 wegen des Handels mit illegal eingeführten Dopingmitteln zu einer Geldstrafe von 15 000 Euro verurteilt worden.

Die Welt-Leichtathletik-Verband IAAF will jetzt beim Internationalen Gerichtshof Einspruch einlegen. Kenteris und Thanou drohen weiterhin zwei Jahre Haft. Das ist die Strafe für eine verweigerte Dopingprobe. Tobias Unger, der 200-m-Hallen-Europameister von 2005, hat seine ganz persönlichen Sanktionen. „Ich werde bei keinem Meeting starten, bei dem auch Kenteris antritt“, sagte der 25-Jährige gegenüber der Deutschen Prese-Agentur. Er hatte schon in Athen erklärt: Ich will zeigen, dass man auch ungedopt schnell laufen kann.“ Im 200-m-Finale wurde er Siebter.

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