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© dpa

VfL Bochum: Heiko Herrlich: Prediger mit Wucht

Trainer Heiko Herrlich hat Bochum den Glauben an sich und die Rettung vor dem Abstieg zurückgegeben. Am Samstag gastiert der VfL bei Hertha BSC und strebt den dritten Auswärtssieg in Folge an.

Manchmal klingen die Botschaften von Heiko Herrlich wie aus einer Predigt. Was er sagt, drückt einen gewissen Absolutheitsanspruch aus. Auch wenn es nur um Fußball geht, denkt und spricht der Trainer des VfL Bochum in Kategorien, die über Technik und Taktik hinausgehen. Herrlich versucht, Begriffe in das Bewusstsein der Spieler zurückzurufen, die gerade im Berufsfußball aus der Mode gekommen scheinen. Er verlangt „Demut und die Bereitschaft zu dienen“, sich für die Gemeinschaft aufzuopfern, stets hohe Ziele zu verfolgen und daran zu glauben, dass sie zu erreichen sind.

Die Profis des VfL Bochum glauben ihrem Trainer offenbar, ja sie glauben an ihn – und, seit ein paar Wochen, auch wieder an sich selbst. Diese Annahme fördern jedenfalls die jüngsten Ergebnisse. Zuletzt gelangen dem notorischen Abstiegskandidaten in der Bundesliga zwei Auswärtssiege nacheinander und ein Unentschieden daheim gegen Schalke (nach 0:2-Rückstand). An diesem Samstag tritt die Bochumer Glaubensgemeinschaft in Berlin an und könnte dazu beitragen, dass Herthas Hoffnungen auf den Klassenverbleib noch tiefer im Zweifel versinken als ohnehin schon.

Als Herrlich in Bochum anheuerte, sah er sich Zweifeln und Vorurteilen ausgesetzt. Nicht nur beim Publikum, bei den Medien und sogar den Spielern, sondern auch bei Menschen aus seiner Umgebung. Die einen fragten sich, wie ein Trainer, der vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) kommt, eine Bundesligamannschaft – reich an Routiniers, arm an Spielkultur – aus der Abstiegszone führen sollte. Die anderen rätselten, warum Herrlich nicht auf ein besseres Angebot gewartet habe. Doch der trat nicht mit der genügsamen Attitüde an, die schon manchen, der vom DFB in die Liga wechselte, zum Scheitern verurteilte. Er zeigte sich entschlossen und trug sein Glaubensbekenntnis in die kleine Welt des VfL Bochum hinein. Es genüge nicht, sich etwas bloß zu wünschen, sagt Herrlich, „du musst es unbedingt wollen“.

Das mag sich anhören wie ein Kalenderspruch, aber Herrlich hat diese Vorgabe schon vor dem ersten Arbeitstag mit Leben gefüllt. Er wollte unbedingt zum VfL – mit einer Wucht, die selbst für Einsteiger nicht selbstverständlich ist. Herrlich setzte sich in ein Flugzeug nach München und suchte seinen Vorgesetzten Matthias Sammer, den DFB-Sportdirektor, zu Hause auf. Sammer war nicht da, aber seine Frau ließ den alten Weggefährten ihres Mannes eintreten, und Herrlich wartete auf dem Sofa. „Ich musste ihn kalt erwischen“, sagt er. Sammer kam irgendwann heim und fragte: „Was machst du denn hier?“ Der Bittsteller warb um seine Freigabe und bekam sie schließlich. Dann reiste er ab und fing in Bochum an, wo der Vertrag längst ausgefertigt war.

Wenn Heiko Herrlich auf seinen Werdegang angesprochen wird, fällt kein Name so oft wie der von Matthias Sammer. Nicht nur der hübschen Geschichte auf dem Sofa wegen oder weil Sammer ihn zum DFB geholt hat. Es gibt auch ernste, ja traurige Beziehungen zwischen den beiden. So erklärte der Trainer Sammer vor ein paar Jahren in Dortmund die Spielerkarriere Herrlichs nach dessen überstandener Krebserkrankung und weiteren Rückschlägen für beendet. „Matthias hat gesagt, es reicht nicht mehr, zu Recht übrigens“, sagt Herrlich. Dennoch verbindet diese beiden Männer vieles, vor allem in ihren Werten. Als einer der Häuptlinge habe Sammer Demut und die Bereitschaft zu dienen am intensivsten vorgelebt. „Er war natürlich ein totaler Egoist, aber er hat die Spieler um sich herum mit seinen hohen Ansprüchen um zwanzig Prozent besser gemacht.“

Dienen, geben, opfern, „das habe ich nicht erfunden“, sagt Herrlich, „aber ich habe es erlebt“. Darauf fußt der Glaube, den er seinen Spielern vermitteln will.

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