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Sport: Viel Lärm

Boris Becker macht in Hamburg eine gute Show – aber nützt das auch dem Tennis?

Hamburg. Man muss manchmal lange wach bleiben in diesen Tagen, um Boris Beckers schöne, neue Tenniswelt richtig schätzen zu lernen. Vor dem Fernseher zum Beispiel, wenn der Norddeutsche Rundfunk abends um 23 Uhr eine gutgemachte Tageszusammenfassung vom Herren-Turnier am Rothenbaum bringt, mit Chairman Becker natürlich als Assistenzmoderator neben Gerhard Delling. In dieser Woche gesellte sich Franziska van Almsick zu den beiden Herren und erzählte im roten Studio ein wenig über ihr Leben als schwimmendes Idol. Becker mit der neuen Starkstrom-Frisur saß daneben und plauderte mit. Man hörte gern zu. In solchen Momenten treffen sich Sport und Show. Genau das ist ja der Hauptbestandteil des Konzepts von Becker, der mit seinem Investment von 1,5 Millionen Euro das Traditionsturnier überhaupt erst am Leben gehalten hat.

Lange wach blieben am Donnerstagabend bei gefühlten neun Grad leider nur etwa 1000 in rote Decken gehüllte Zuschauer, die auf dem Centre Court das bisher beste Spiel des Turniers in der „Night Session“ sehen wollten – Mark Philippoussis gewann gegen Roger Federer. Am Tag, als neben Rainer Schüttler auch die Publikumslieblinge Lleyton Hewitt, Gustavo Kuerten und eben Federer ausschieden, gab es Sorgenfalten auf Beckers Stirn: So wenig Zuschauer bei so gutem Tennis am Abend, kein Hoffnungsträger mehr dabei, keine Partie Schüttler gegen Hewitt, die an diesem Freitag vom NDR ins Hauptprogramm der ARD hätte wandern sollen und die so wichtigen guten Quoten garantiert hätte. Dass die bislang eher mau waren, gab NDR-Sportchef Delling am Freitag zu: „Die ersten Tage waren zäh, die Quoten mit vier Prozent Marktanteil ernüchternd. Damit kann man niemanden von Tennis überzeugen.“ Durch Schüttlers frühes Aus wird die Quote nicht besser werden. Zumal seit gestern vier vergleichsweise verwechselbare Argentinier im Halbfinale stehen. Schon beginnt die Diskussion, ob der NDR auch im nächsten Jahr überträgt – eine Selbstverständlichkeit ist das nicht.

Nach wie vor steht und fällt so eine Veranstaltung, und das ist ein Glück für den Sport, mit seinen Helden und Stars. Showbühnen, Musicalaufführungen, Kindertage und Jux- Doppel mit Otto Waalkes und Gabriela Sabatini hat Becker hervorgezaubert, und dafür ein Lob vom ATP-Chef Mark Miles bekommen. Dafür, dass die großen Namen ab heute fehlen, kann Becker nichts. So war Tennis fast immer in Hamburg: Am Ende gewinnen Sandplatzwühler aus Spanien oder Südamerika, die kaum ein Zuschauer kennt.

Dass es das wichtigste deutsche Tennisturnier auch 2004 noch geben wird, scheint seit dieser Woche trotzdem sicher. Auf 97 Prozent bezifferte Georg von Waldenfels die Wahrscheinlichkeit dafür. Der Präsident des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) und sein Turnierdirektor Walter Knapper setzen alles daran, vielleicht schon ab 2005 den Rothenbaum zum Standort eines gemeinsamen Damen- und Herrenturniers über zehn Tage zu machen. Mark Miles hat Hamburg als einen der Favoriten für einen solchen Mini-Grand-Slam auf Sand vor den French Open auserkoren, aber auch Monte Carlo, Madrid und Rom sind mit im Topf. Das Berliner Damenturnier würde dann nach Hamburg transferiert. Erst sollen Damen- und Herrenturnier in aufeinander folgenden Wochen stattfinden, im Jahr darauf würden sie zusammengeführt.

Die Ausbaupläne für den Rothenbaum (zwei weitere Courts werden benötigt) liegen seit dem Herbst in der Schublade des DTB, der Senat hat schon zugestimmt. Um die Pläne umsetzen zu können, müssen zwei Probleme gelöst werden: Weil der DTB kein Geld hat, fehlt für den einige Millionen teuren Umbau ein Investor. Und die Mehrfachnutzung der Anlage für Konzerte, Hauptversammlungen und anderen Sport müsste gestattet werden. Das verhindern bisher die klagewilligen und lärmempfindlichen Anwohner im edlen Stadtteil Harvestehude. Knapper sagt: „Investitionen lohnen nicht, wenn nur zehn Tage im Jahr Veranstaltungen stattfinden.“

Lärmempfindlichkeit war übrigens schon am Donnerstag ein Thema: Die ATP verbot Howard Carpendales abendliche Gesangseinlage auf dem Hauptplatz, weil nebenan noch ein Doppel stattfand. Die Statuten verbieten solche Lärmbelästigung.

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