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Sport: Viele Spuren führen nach China

Das größte Volk der Erde ist auch das wettfreudigste und stellt oft die Hintermänner für Skandale in Europa

Die „Sanlitun"-Barstraße nahe des Arbeiterstadions ist in Peking das Pflaster der Sünde. Abends stehen hier junge Mädchen vom Land in Miniröcken aus Plastik und flüstern „Massagi, Massagi“. Das Bier in den Kneipen ist wässrig. Auf großen Flachbildschirmen laufen Sportübertragungen. Wer etwas Geld übrig hat, trifft hier auch einen „xiao zhuangjia“ – einen „kleinen Broker“, wie die Buchmacher in China genannt werden. Für einen Mindesteinsatz von 1000 Yuan, umgerechnet 100 Euro, wetten die wohlhabenden Pekinger auf chinesische oder europäische Fußballspiele.

Obwohl das Glücksspiel eigentlich verboten ist, boomt in der Volksrepublik das Geschäft mit den Fußballwetten. 20 Milliarden Yuan (rund zwei Milliarden Euro) werden nach Schätzung der chinesischen Sportzeitung „Titan“ jedes Jahr umgesetzt. Mittelsmänner sammeln die Wetteinsätze überall im Land in Kneipen, Restaurants und Karaoke-Bars ein. Dabei kommen Millionenbeträge zusammen, die von den „da zhuangjia“, den „großen Brokern“, auf internationalen Internetwettseiten eingesetzt werden.

Die Hintermänner der chinesischen Wettmafia kämen oft aus Macao und Taiwan, berichtet die „Peking Times“. Chinas Profifußball ist bereits fest in der Hand der Wettpaten. Spielergebnisse werden im Vorfeld abgesprochen. Schiedsrichter und Spieler sind in Bestechungsskandale verwickelt. Das Wetten sei „das größte Krebsgeschwür“ im chinesischen Fußball, warnte im Januar der Chef des Chinesischen Fußballverbandes, Xie Yalong, und drohte damit, die Profiliga einzustellen. „Wir können keine abgekarteten Spiele spielen. Dann produzieren wir ein gefälschtes Produkt“, warnte Xie. Nicht nur Fans und Sponsoren wenden sich von der chinesischen „Super Liga“ ab. Der deutsche Profi Jörg Albertz verließ nach zwei Jahren den Klub Shenhua Shanghai, weil er sich von den Mitspielern „betrogen“ fühlte.

Chinas Buchmacher haben ihren Blick offenbar auch auf das Ausland gerichtet. Bereits während der EM 2004 in Portugal wurde in Pekinger Bars rege auf die Spielausgänge gewettet, wie die „Peking Times“ berichtet. Mittlerweile werden auch auf europäische Ligaspiele oft hohe Summen gesetzt, wie chinesische Medien melden. Noch ist unklar, ob die chinesische Wettmafia versucht hat, Ergebnisse der Bundesliga zu manipulieren. Laut dem „Stern“ soll es sich bei einem Verdächtigen um einen Malaysier handeln, der chinesischer Abstammung ist. Die deutlichsten Hinweise für eine Manipulation aus China kommen aus Belgien. Medienberichten zufolge sollen Hintermänner aus Shanghai mit Bestechungsgeldern und heimlichen Sexfotos Druck auf Spieler ausgeübt haben. Dabei sollen nach Angaben der Ermittler auffällig hohe Summen in China auf belgische Ligaspiele gewettet worden sein.

Pekings Regierung ist gegen die Wettmafia machtlos, auch wenn die Behörden hart durchgreifen. 1,3 Millionen Chinesen wurden im vergangenen Jahr wegen illegalen Glücksspiels bestraft. Wer sich als Buchmacher erwischen lässt, riskiert, ins Gefängnis zu gehen. Trotzdem blühen die illegalen Spielhäuser. Gewettet wird auf Hunde-, Auto- und Pferderennen und sogar auf Grillenkämpfe, die in den Pekinger Altstadtvierteln veranstaltet werden.

Die Liebe zu Glücksspiel und Wetten ist so alt wie die chinesische Kultur. Vor 2000 Jahren soll es bereits Lotterien gegeben haben, um den Bau der Großen Mauer zu finanzieren. Die Qin-Kaiser versuchten der Spielsucht ihrer Untertanen dadurch zu begegnen, dass sie die Gesichter der Spieler mit schwarzer Tinte färben ließen. In späteren Dynastien verlor man für seine Wettleidenschaft je nach Laune des Herrschers mal die Hand oder den Kopf. In der Kulturrevolution galt Glücksspiel als „reaktionär". Geändert hat das alles nichts. „Eine Milliarde Menschen, 900 Millionen Spieler", beginnt ein chinesisches Sprichwort. „Und die restlichen 100 Millionen tanzen dazu."

Harald Maass[Peking]

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