zum Hauptinhalt
Ammann

© dig

Vier-Schanzen-Tournee: Wie einst Sven Hannawald

Der Schweizer Simon Ammann will alle vier Springen der Tournee gewinnen – einen Sieg hat er bereits. Die Konkurrenz wird dem Schweizer Olympiasieger das Neujahrsspringen in Garmisch-Patenkirchen dennoch nicht leicht machen.

Unmittelbar nach seinem Flug über 134 Meter durch die Oberstdorfer Nacht hat der Skispringer Simon Ammann eine höhere Bewusstseinsstufe erreicht. Es ist ihm gelungen, in der ungewöhnlich langen Zeit zwischen Landung und Ergebnisbekanntgabe unterschiedliche Perspektiven einzunehmen. Einmal jene der 22 000 Zuschauer an der Schattenbergschanze, die nach dem letzten Sprung nicht wussten, wer nun den ersten Wettbewerb der 57. Vierschanzentournee gewonnen hat. „Es war ein super Ding, dass die Bekanntgabe so lange hinausgezögert worden ist“, sagte Simon Ammann. Und schließlich seine eigene: „Es war eine Qual.“

Es zeugt von einer gewissen Reife, wenn es Sportlern gelingt, ihren subjektiven Blickwinkel zu verlassen und auch die Interessen der eigenen Sportart zu sehen. Simon Ammann zählt mit 27 Jahren im Sport der leichten Männer zu den erfahrenen Akteuren, zumal als Doppelolympiasieger von 2002 und Weltmeister von 2007. Am Montagabend hat der Schweizer auch noch einen ersten Sieg bei einem Springen der Vierschanzentournee verbucht. Als die Wartezeit im Auslaufraum vorüber war, verkündete die Anzeigetafel, dass Simon Ammann den Österreicher Wolfgang Loitzl um 1,2 Punkte und den Russen Dimitri Wassiljew um zwei Punkte abgehängt hat. „Es ist eine Bombensache, hier zu gewinnen“, sagte der Sieger, „die Konkurrenz war außergewöhnlich stark, ich musste alles aus mir herausholen.“

Einiges spricht nun dafür, dass er in dieser Saison auch zum ersten Mal die Vierschanzentournee gewinnen könnte. Die Liste der Sieger der vergangenen Jahre zeigt, dass man dafür entweder besonders unbedarft (Anders Jacobsen 2007, Sigurd Pettersen 2004) oder besonders erfahren (Janne Ahonen 2003, 2005, 2006, 2008) sein muss. Letzteres träfe auf Simon Ammann zu. Auch befindet der Mann aus der Schweiz sich gegenwärtig in der Form seines Lebens, fünf von acht Weltcupspringen hat er gewonnen. Oberstdorf war bisher die Schanze bei der Tournee, die ihm am wenigsten lag. Und er strotzt vor Selbstbewusstsein, was nicht verkehrt ist in einer Sportart, in der, wie es ein Skisprung-Experte einst formuliert hat, letztlich der Kopf vorausfliegt.

„Meine Sprünge waren noch nicht hundertprozentig“, sagte Simon Ammann nach seinem Sieg, „im zweiten Sprung habe ich es mit dem Willen gemacht.“ Es geht sogar noch besser. „Wenn meine Beine hundertprozentig sind und ich beim Absprung im Timing noch besser liege, hätte ich sicher mit Abstand gewonnen“, sagt er. Diese Unbescheidenheit ist gegenwärtig Programm bei ihm. „Für Schweizer ist es wichtig, dass man es auch kommuniziert, wenn man sich gut fühlt“, sagt Simon Ammann.

Die Grundlage für die aktuelle Form hat der neue deutsche Bundestrainer Werner Schuster in der vergangenen Saison gelegt. Nach dessen überraschendem Wechsel im März setzten sich die Springer Simon Ammann und Andreas Küttel mit Sportdirektor Gary Furrer zusammen und suchten sich ihren neuen Trainer selber aus: den Nachwuchstrainer Martin Künzler. „Seine direkte Sprache an der Schanze hilft“, sagt Simon Ammann, „er ist in meinem Nachbarort aufgewachsen, wir sprechen sogar denselben Dialekt.“ Hinzu kam ein Skiwechsel, der ihm half, im Sommer erstmals mit dem schnellsten Tempo aller Springer die Anlaufspur hinabzugleiten. Alles fügte sich bereits im Sommer zu einem stimmigen Gesamtbild. „Das ist die Grundlage meiner Erfolge, es ist alles so gelaufen wie gewünscht.“

Nun hält Simon Ammann sogar den Rekord von Sven Hannawald, alle vier Springen der Vierschanzentournee zu gewinnen, für möglich. Wenn die äußeren Bedingungen ähnlich fair bleiben wie beim Auftaktspringen im Oberstdorf. „Ich will so erfolgreich sein wie möglich, den Rekord habe ich schon ein wenig im Hinterkopf“, gibt Simon Ammann zu, „aber es gibt wichtigere Dinge, die jetzt zu tun sind.“

Zum Beispiel sich für das Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen zu regenerieren. Dort wird neben Wolfgang Loitzl weiterhin Gregor Schlierenzauer um den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee konkurrieren. In der bisherigen Saison war der 18 Jahre alte Skispringer als einziger in der Lage, mit dem Schweizer Überflieger mitzuhalten. Als Vierter des Auftaktspringens liegt der Österreicher nur 6,3 Punkte zurück. Simon Ammann kann diesem Umstand auch etwas abgewinnen. „Die Konkurrenz ist da“, analysiert er mit professoralem Unterton, „Martin Schmitt kann auch eine gute Rolle spielen, das wird sicher eine gute Stimmung geben in Garmisch-Partenkirchen.“ Noch so ein Moment, in dem Simon Ammann eine höhere Bewusstseinsstufe erreicht hat.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false