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Sport: Vier verliert

Der Boykottaufruf von Jens Lehmann bei der Bahnrad-WM kostet seinen Trainer den Job

Stuttgart (Tsp). Jens Lehmann saß auf der Tribüne. Vor seinen Augen drehten derweil die Vierer ihre Qualifikationsrunden. Eigentlich hätte in der Stuttgarter HannsMartin-Schleyer-Halle auch Jens Lehmann um Hunderstelsekunden kämpfen sollen. Doch Deutschlands Vierer hatte sich bei der Bahnrad-WM in Stuttgart über Nachtaufgelöst: Erstmals seit Einführung der 4000-m-Mannschaftsverfolgung im Jahre 1962 ging kein deutsches Team an den Start. In Sydney hatte der deutsche Vierer mit Robert Bartko, Guido Fulst, Jens Lehmann und Daniel Becke 2000 noch olympisches Gold geholt.

Jens Lang, Trainer vom Team Köstritzer, hatte am Abend vor der Qualifikation die von ihm betreuten Jens Lehmann, Sebastian Siedler und Christian Bach per E-Mail aufgefordert, nicht in einer gemeinsamen Mannschaft mit den Berlinern Robert Bartko und Guido Fulst an den Start zu gehen. Der Bitte kamen die drei aus dem Team Köstritzer nach, Daniel Becke schloss sich ihnen an. Der Boykott hat Folgen. Zunächst für Jens Lang. Ihm wurde telefonisch vom Team Köstritzer gekündigt. Zudem droht Lang auch die Entlassung als Trainer des Olympiastützpunktes Erfurt. Lang sagte am Freitag dem MDR-Thüringen-Journal, dass er riesige Trauer empfinde, dass die Sportler und der Radsport zum Opfer wurden, um die Souveränität des Verbandes zu wahren.

Aber auch die boykottierenden Fahrer werden Probleme bekommen. „Diese Reaktion ist durch nichts zu rechtfertigen. Man muss auch mal ein Signal setzen. Das ist ein solcher Vertrauensbruch, der ist nicht mit drei Gesprächen zu klären“, sagte Sylvia Schenk, die Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR). Lehmann, Siedler, Bach und Becke werden wohl keine Chance erhalten, für die Olympischen Spiele in Athen nominiert zu werden. „Wir bauen einen neuen Vierer mit Bartko und Fulst auf“, sagte BDR-Sportdirektor Burckhard Bremer. Zudem muss das Quartett damit rechnen, nicht mehr zu Sechstagerennen eingeladen zu werden, was mit hohen Einnahmeverlusten verbunden wäre. Aus dem Mannschaftsquartier in Stuttgart mussten die Rebellen bereits ausziehen. Jens Lehmann war eine der treibenden Kräfte in dem Intrigenspiel um den Vierer. Erst hatte er sich aus Frust über seine Nichtnominierung in der Einerverfolgung mit seinem Konkurrenten Bartko verbal angelegt. Als dieser Streit halbwegs beigelegt war, ging Lehmann auf Fulst los. „Fulst ist der Fahrersprecher. Er ist ein Meister der Intrigen“, giftete Lehmann. Bartko konterte: „Wer Deutschland so im Stich lässt wie Lehmann, darf nie mehr im Nationaltrikot fahren.“

Warum Lehmann kritiklos auf Langs E-Mail-Anweisung gehört hat, dafür hat der Radprofi seine ureigene Erklärung: „Lang hat mitgeteilt, wenn ihr fahrt, dann trenne ich mich von euch. Dann brauche ich gar nicht zu Olympia zu fahren, weil ich dann keinen Trainer mehr habe. Ich brauche ihn – als Freund sowieso.“ Schöne Freunde sind das.

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