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Haarige Angelegenheit. Es gibt gute und weniger gute Gründe für Italiens beziehungsweise Deutschlands

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Viertelfinale der Fußball-EM: Deshalb gewinnt Deutschland ... ähm ... Italien

Die Hymne, die Isländer, der Schnurrbart-Quotient, aber Mutti fehlt: Alles hat mit allem zu tun. Deswegen haben wir jeweils zehn Gründe für Deutschlands und Italiens Sieg gefunden.

Deutschland gewinnt, weil:

1. Die Mannschaften

Die deutsche Mannschaft hat bei dieser EM auf nahezu jeder Position Weltklasse zu bieten. Und Italien? Pirlo liegt im Liegestuhl auf der Terrasse seines Weinguts und Balotelli hat sich für eine Karriere als ewiges Kind entschieden. Bleiben Spieler wie Giaccherini, Eder oder Zaza, der gerade von Wolfsburg umworben wird. Und das ist ja nie ein gutes Zeichen.

2. Die Trainer
Ein Kratzer hier, ein Schnüffler dort: Jogi Löw mag seine Eigenarten haben, aber er ist ein herausragender Trainer. Und integer. Anders als sein Gegenüber wurde Löw noch nie mit Spielmanipulationen in Verbindung gebracht. Diese konnten Antonio Conte zwar nie nachgewiesen werden, aber hey: das wird doch im Rahmen dieser Polemik niemanden stören.

3. Die Spitznamen
Man kann über das PR-Gedöns hinter „Die Mannschaft“ spotten, aber der Spitzname selber passt. Kernig, entschlossen, kantig - mit diesen Tugenden holt man den Titel. „Squadra Azzurra“ hingegen klingt schon wie ein unnötiger Schnörkel, wenn ein Pass besser gewesen wäre.

4. Das Gesetz der 11FREUNDE-Serie
Seit 11FREUNDE-täglich zu den Turnieren im Tagesspiegel erscheint – seit 2006 nämlich – sind die Deutschen immer mindestens bis ins Halbfinale gekommen. Kann das Zufall sein? Natürlich nicht. Wir warten übrigens immer noch auf unsere Siegprämie für die WM 2014.

5. Die Statistik bei Turnieren
Verdammt, wo ist der Blindtext, wenn man ihn mal braucht…

6. Die Hymne
„Italia, Italia“: Auch wenn unser Italienisch gerade so für den Anfang reicht, aber wie einfallslos ist das denn? Dann doch lieber die Deutsche Hymne, die zwar den ein oder anderen Fallstrick für Delmenhorster Popsängerinnen birgt, immerhin aber auf Deutsch gesungen wird. Ha!

7. Der Schiedsrichter
Viktor Kassai heißt der Mann, der das Spiel pfeifen wird und von „T-online.de“ direkt mal als "Pech-Schiedsrichter" verunglimpft wurde. Kassai pfiff nämlich die 0:1-Halbfinal-Niederlage der Deutschen gegen Spanien bei der WM 2010, in der vergangenen Saison zudem zwei Champions-League-Niederlagen des VfL Wolfsburg, die aber natürlich niemand gesehen hat. Und trotzdem: Der „Pech-Schiedsrichter“ hat einiges gutzumachen.

8. Die Kohle
Geld regiert die Welt, das ist gerade im Fußball unumstößliche Gewissheit. Und weil Geld eben auch Tore schießt, genügt ein Blick auf die Marktwerte der Spieler. Der deutsche Kader ist 580 Millionen Euro wert, die Italiener kaum erwähnenswerte 263 Millionen Euro. Der teuerste Spieler der Italiener ist Leonardo Bonucci mit einem Marktwert von lediglich 30 Millionen Euro, wofür man nicht mal einen halben Thomas Müller bekäme. Läppisch.

9. Mögliche Sperren

Gleich elf Italienern droht bei einer weiteren Gelben Karte eine Sperre im Halbfinale. Welches sie ja sowieso nicht erreichen, deswegen ja dieser Text, aber davon wissen die Italiener natürlich noch nichts. Und da liegt der Vorteil: Denn der ein oder andere Italiener wird die drohende Sperre im Hinterkopf haben und zögerlicher zu Werke gehen. Wohingegen sich die fünf Deutschen Spieler, denen eine Sperre droht, im Halbfinale gegen Island in Ruhe auf der Tribüne fürs Finale schonen können.

10. Die Isländer
Minderbegabte Fußballer von einer geheimnisvollen Insel, eigentümliche Fans mit drolligen Namen und einer eigenartigen Sprache: Schade, dass die Engländer nicht mehr dabei sind. Umso mehr freuen wir uns über die Isländer, auf die wir im Halbfinale unbedingt treffen wollen. Nicht nur, weil wir eine quasi makellose Bilanz haben, sondern auch, weil bei einem unerwarteten Ergebnis zwar das Aus stehen könnte, immerhin aber Rudi Völler Anlass zu einer neuen Weißbier-Rede hätte. Und das ist doch auch was.

Zehn Gründe für Italien

Haarige Angelegenheit. Es gibt gute und weniger gute Gründe für Italiens beziehungsweise Deutschlands
Haarige Angelegenheit. Es gibt gute und weniger gute Gründe für Italiens beziehungsweise Deutschlands

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Und deshalb, nun, gewinnen vielleicht doch die Italiener:

1. Catenaccio
Die zäheste Versuchung seit es Abwehrriegel gibt: Etwas rostig, aber immer noch absolut einbruchssicher bildet die BBC-Kette aus Barzagli, Bonucci und Chiellini eine Defensive, die Gomez, Müller und Co. schon allein durch böse Blicke abkochen wird.

2. Contes Seitenlinienshow
Wenn Antonio Conte in Wallungen gerät, ist er kaum in seiner Coaching-Zone zu halten. Auch gegen Deutschland wird er wieder wild gestikulierend versuchen, seine Mannschaft zum Sieg zu wedeln. Und mal ehrlich, ein Trainer, der aussieht, als würde er mit links sein Team coachen und mit rechts ein Orchester dirigieren, muss bitte ins Finale kommen.

3. Weil das Trauma sehr wohl existiert
Jerome Boateng behauptete auf einer DFB-Pressekonferenz zwar felsenfest, dass er kein Italien-Trauma habe und dass das alles ohnehin nur Gerede sei, doch das Trauma ist real. Hier liegt ein klarer Fall von Verdrängung vor und spätestens, wenn in der 94. Minute irgendein Nachfahre Filippo Inzaghis ihm den Ball mit der Pike durch die Beine spielt, wird es Boateng eiskalt über den Rücken laufen.

4. Die Siegesgöttin
Die Siegesgöttin Victoria gehört den Italienern. Zumindest wenn man der ersten Strophe der Nationalhymne glauben schenken darf. Eine „Sklavin Roms“ sei sie und nur aus dem einfachen Grunde erschaffen worden, Italien ihr Haupt zuzuneigen. Kein schöner Job, aber solange die Italiener so inbrünstig weitersingen, erledigt sie ihn halt.

5. Die Statistik
Deutschland hat Italien bei einem großen Turnier noch nicht geschlagen. Daran gibt es nichts zu rütteln. Dieser Satz hat sich in Geschichtsbücher und ins kollektive Gedächtnis eingebrannt, weil er so schnörkellos und wahr ist. Nicht auszudenken welche Folgen es hätte, müsste dieser Satz umgeschrieben werden.

6. Die Verschwörung
Die legendäre Nuss-Nugat-Creme, die die deutschen Nationalspieler über Jahre hinweg mit wichtigen Nährstoffen gestärkt hat, ist das Produkt eines, richtig, italienischen Konzerns. Ein Zufall, dass die deutsche Mannschaft gegen Italien müde, ideen- und kraftlos wirkt? Wir können und wollen das nicht glauben.

7. Der Schnurrbart-Quotient
Was in Zeiten des Packings und sonstigem Datenanalyse-Kokolores oft untergeht, ist der gute, alte Schnurrbart-Quotient. Der Legende zufolge hat nämlich noch nie eine Mannschaft irgendetwas gewonnen, ohne wenigstens einen Schnurrbartträger im Team zu haben. Italien verfügt mit Allessandro Florenzi und Stefano Sturaro über immerhin zwei Schnurrbartträger, Deutschland über keinen. Sollten also nicht noch Jürgen Kohler und Uwe Bein nachnominiert werden, könnte es eng werden.

8. Der brasilianische Einschlag
Man glaubt es nicht, wenn man Chiellini und Konsorten bei ihrer knotigen Fußballarbeit zusieht, aber im Kader der Italiener stehen mit Thiago Motta und Eder gleich zwei gebürtige Brasilianer. Mit elf Brasilianern auflaufen ist natürlich schwierig, ab und an verliert man dann mit 1:7. Aber ein bisschen Joga Bonito kann nicht schaden.

9. Gianluigi Buffon
Gianluigi Buffon ist nicht nur ein herauragender Keeper, er hat auch alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Fast. Zum einen fehlt ihm die Champions League, wobei wir ihm freilich nicht helfen können. Zum anderen fehlt ihm, richtig, die Europameisterschaft. Die fehlt natürlich auch sämtlichen deutschen Aktiven, allerdings haben die meisten von ihnen noch Zeit, eine, zwei oder drei weitere EMs zu spielen. Buffon ist 38, da wird es langsam Zeit.

10. Mutti fehlt
Schock für die deutsche Nationalmannschaft: Angela Merkel, Kanzlerin und Fußball-Glücksbringerin in Personalunion, hat für das Spiel leider abgesagt. In Zeiten des Brexit sei der Terminkalender zu voll, hieß es in der Presse. Mit einer Prioritätensetzung kann man vielleicht Europa retten, Europameister wird man so aber nicht.

Stephan Reich, Lennard Kröger-Petersen

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