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Sport: Vierter, Dritter, Zweiter…?

Torgefährlich, erfolgreich, die Champions League im Visier – warum Hertha BSC trotzdem skeptisch bleibt

Von André Görke und

Michael Rosentritt

Berlin. Am späten Sonntagabend, vor der Kabinentür, macht Dieter Hoeneß eine symbolische Handbewegung. Der Manager des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC streicht sich mit der Hand über die Stirn und schüttelt sie bedeutungsvoll aus. Der „erzwungene“ 3:1-Sieg über Energie Cottbus ist für die Berliner der dritte in Folge. Hertha steht jetzt auf Platz vier und „nach sehr langem Anlauf da, wo wir immer hin wollten“, sagt Hoeneß. Hertha stand schon einige Male vor diesem Schritt nach oben, hat ihn aber ebenso oft nicht zurückgelegt. Entweder versagten den Spielern die Nerven oder aber der Gegner war wirklich besser. Acht Spieltage vor dem Saisonende hat Hertha BSC nun erstmals so richtig profitieren können von der allgemeinen Anfälligkeit der Konkurrenz im Kampf um die Uefa-Cup-Plätze.

Doch plötzlich ist da mehr drin. Für die Berliner eröffnen sich neue, ja fast schon in Vergessenheit geratene Perspektiven. Selbst Platz drei, der eine Teilnahme an der Qualifikation zur Champions League nach sich ziehen würde, ist nach diesem Wochenende in Sichtweite. Vier Punkte sind es bis zum VfB Stuttgart. „Für uns geht es darum, einen internationalen Startplatz zu sichern“, sagt Hoeneß, „an mehr denken wir momentan nicht.“ Momentan. Dieses Wort ist wichtig. Hoeneß weiß, dass in Berlin die Ansprüche schnell steigen. „Ich kann die Diskussion um die Champions League nicht verhindern, wir werden sie aber nicht fördern.“ So spricht Herthas Kapitän Michael Preetz davon, dass „der vierte oder fünfte Platz realistisch“ sei am Saisonende. „Wir haben 26 Spieltage gebraucht, um dort zu stehen, wo wir so langhin wollten.“ Und dann schiebt Preetz sinngemäß nach, dass es doch etwas vermessen sei, nach dem bisherigen Saisonverlauf mal eben so munter von Platz zwei zu reden.

In Berlin haben sie einiges aus der Vergangenheit gelernt. Der Anspruch, die Euphorie, ja manchmal der etwas verklärte Blick auf die Realität, ist typisch für diese Stadt. Zurückhaltung tut gut. Borussia Dortmund, der Tabellenzweite, liegt nur fünf Punkte entfernt. Viel ist das nicht, das weiß auch einer wie Abwehrspieler Josip Simunic, „aber wir sollten jetzt lieber nicht so viel reden, sondern unseren Platz verteidigen“. Wenn es gut läuft, ja, „dann können wir Vierter werden. Oder Dritter. Oder Zweiter“.

Mit der Vorsicht ist das so eine Sache. Es ist gar nicht lange her, da war Hertha BSC eine der ungefährlichsten Mannschaften der Bundesliga. Nur Kaiserslautern und Cottbus hatten noch weniger Tore geschossen, damals war das, im Dezember. Jetzt ist die Situation eine andere: Es gibt nur zwei Mannschaften, die mehr Tore geschossen haben als Hertha. Und bislang ist es nur der FC Bayern, der in der Rückrunde noch erfolgreicher ist als Hertha BSC.

Die Konkurrenz schwächelt seit Wochen, profitieren konnte Hertha davon nicht. Die Nerven, wurde gesagt. Die Mannschaft sei in entscheidenden Spielen nicht in der Lage zu gewinnen. So etwas steckt in den Köpfen der Spieler, „und deshalb“, sagt Preetz, „haben wir vor dem Spiel über dieses Thema gar nicht erst geredet“. Der Mann ist 35 Jahre alt, er beendet nach der Saison seine Karriere. Statistiken kümmern ihn in diesem Alter nicht mehr, dafür ist er zu lange im Geschäft. Preetz sagt dementsprechend auch: „Wenn ich höre, wir hätten immer die Big Points verpasst, dann stimmt das nicht. Wir haben fünf Jahre hintereinander im Europapokal gespielt, das allein sind letztlich Big Points.“

Big Points – so drückt sich auch Hoeneß immer aus. Der vierte und fünfte Platz würde die Teilnahme am Uefa-Cup bedeuten. Für Hertha wäre es die vierte in Folge, „sollten wir dann aber drei, vier Spieltage vor dem Saisonende die Möglichkeit auf einen Champions-League-Platz haben, werden wir uns nicht wehren“, sagt Hoeneß. „Wir würden alles dafür tun und zupacken.“

Acht Spiele sind es noch, in zwei Wochen wird wegen des Länderspiels am kommenden Wochenende erst der nächste Spieltag angepfiffen. Hertha reist dann nach Leverkusen. Der Vizemeister steht seit diesem Wochenende erstmals auf einem Abstiegsplatz. „Wir müssen da wieder nachlegen, ganz einfach. Wenn eine Mannschaft derzeit verunsichert ist, dann ist es Bayer Leverkusen“, sagt Herthas Mittelfeldspieler Michael Hartmann. Für Leverkusen geht der Weg steil bergab. Für Hertha sieht die Entwicklung anders aus. Und es sieht ganz danach aus, als wäre es doch der lange Weg nach oben.

Eines wird sich ändern in den verbleibenen Spielen, der Druck auf das Team. Hertha rennt der Konkurrenz nicht mehr nur hinterher. „Wir sind nicht mehr die Jäger“, sagt Preetz. „Wir sind jetzt die Gejagten.“ Platz vier – nur in der Hinrunde stand Hertha schon einmal so weit vorn, nach dem neunten Spieltag war das. Hertha hatte in Cottbus gewonnen. Damals ging es nicht bergauf.

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