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Sport: Viktor Sanejew: Hier serviert die Dreisprung-Legende

Es war irgendwann zum Jahresende 1997, als die australischen Schwimmer Scott Miller und Chris Fydler den Fernseh-Kommentator Alan Jones in seinem Apartment in der Innenstadt von Sydney besuchten. Sie hatten Hunger, und um keine Umstände zu machen, riefen sie bei einem Pizza-Bäcker an.

Es war irgendwann zum Jahresende 1997, als die australischen Schwimmer Scott Miller und Chris Fydler den Fernseh-Kommentator Alan Jones in seinem Apartment in der Innenstadt von Sydney besuchten. Sie hatten Hunger, und um keine Umstände zu machen, riefen sie bei einem Pizza-Bäcker an. Dessen Fahrdienst lieferte das Essen prompt. Als Jones auf das Klingeln öffnete, kam ihm das verwitterte Gesicht des Pizza-Lieferanten im Halbschatten zwischen Flur und Wohnzimmer merkwürdig bekannt vor. Er hatte es schon einmal gesehen, wusste aber nicht gleich, wer der Mann war.

"Ich kenne dich", rief er, und schon in der nächsten Sekunde war er wie vom Blitz gerührt. Wie es weiterging, erzählte sein Kumpel Roy Masters in der Zeitschrift "Olympics Special". "Du bist der Dreispringer, der drei Goldmedaillen gewann!" Bingo. Vor Jones stand der große Viktor Sanejew, ein Georgier, der in Mexiko-Stadt 1968, München 1972 und Montreal 1976 olympische Goldmedaillen gewonnen hatte. Er war keiner dieser genormten Athleten, für welche die Sowjetunion berühmt-berüchtigt war. Nein, er war ein Individualist, dem aufregende Frauen-Geschichten nachgesagt wurden.

Jetzt fuhr er Pizzen aus, und Jones erzählte, dass er bei seinem überraschten Ausruf ein paar Tränen in Sanejews Augen sah. Er werde ihm einen anderen Job besorgen, versprach Jones dem Georgier. Am nächsten Tag solle er sofort anrufen. Aber es war nicht Viktor Sanejew, der sich traute anzurufen, sondern dessen Frau. Gut möglich, dass ihm das alles zu peinlich war. Zum ersten Treffen brachte das Ehepaar ein altes, mit Wein gefülltes Horn mit - und das Trikot, in dem der frühere Dreispringer seine erste Goldmedaille gewonnen hatte. Sanejew wollte sich bedanken für die Hilfe, die der Australier bot. Jones besorgte Sanejew für wöchentlich 1000 Australische Dollar einen Trainerjob für Weitsprung-Talente des Bundesstaates New South Wales, bei der Academy of Sport. Sanejews Chef ist Keith Connor, der 1980, für Großbritannien startend, Vierter wurde - zwei Plätze hinter dem Georgier.

Die Welt ist ein Dorf. Sie sagen, Sanejew, der nach dem Zusammenbruch des Kommunismus seine Heimat Richtung Australien verließ, fühle sich endlich in Sydney heimisch. Und zufrieden.

Robert Hartmann

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