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Sport: Volkes Wille

EM-Gastgeber Portugal ist zurück im Turnier

Wohl den Geschäftsleuten, die die bahnbrechende Idee hatten, vor der Europameisterschaft in Portugal-Fahnen zu investieren. Sie werden für Generationen ausgesorgt haben, im Lande des EM-Gastgebers zieren unzählige rot-grüne Stofftücher die Fenster, Balkone, Autos – überhaupt alles, woran man Flaggen befestigen kann. Seit Mittwochabend gehört auch das portugiesische Volk zu den EM-Gewinnern, ihre ebenso verehrte wie kapriziöse Selecao hat ihnen an einem wunderbaren Abend im Estadio da Luz den ersehnten ersten Sieg geschenkt: 2:0 gegen Russland – es war ein Fußballerlebnis, wie es wohl nur die Portugiesen zu zelebrieren vermögen. Die Darbietungen der Brasilianer Europas bleiben wie ihre in den Arbeitervierteln Lissabons entstandene Volksmusik Fado: schön, aber auch melancholisch – und immer die fatale Möglichkeit des Scheiterns implizierend.

Trainer Luiz Felipe Scolari hatte vor dem Spiel Aufsehen erregt, indem er sein Team auf vier Positionen geändert hatte. Unter anderem beorderte er Fernando Couto und den beim Volk in Ungnade gefallenen Rui Costa auf die Bank und brachte den vehement geforderten Deco. Womit die Zeit der goldenen Generation, die 1991 Junioren-Weltmeister geworden war, quasi per Dekret durch den brasilianischen Weltmeister-Trainer beendet wurde. Luis Figo ist der letzte Überlebende jener Spielerfraktion, die so viele Hoffnungen geweckt und so viele Enttäuschungen produziert hat. Symbolisiert wurde der Generationswechsel durch die Auswechslung des ermüdeten Figo, der dem kommenden Superstar Cristiano Ronaldo in der Schlussphase weichen musste.

Solange die Kraft reichte, war Figo gemeinsam mit Deco die spielbestimmende Figur bei den Portugiesen. Während der Mann aus Porto das Geschehen aus der Zentralen umsichtig leitete, schwang sich der unermüdlich zwischen der rechten und linken Seite pendelnde Figo auf den Außenbahnen zum eigentlichen Herrscher auf. Figo und der von ihm stets leidenschaftlich abgelehnte gebürtige Brasilianer Deco, das funktionierte trotz aller Ressentiments. Zwischen den beiden wird es keine gewachsene Freundschaft geben, wie sie Figo und seinen Uralt-Kumpel Rui Costa verbindet. Vielleicht aber – so die Hoffnung Portugals – entsteht da eine Zweckgemeinschaft, die den Erfolg zeitigt, nach dem das Volk so sehr dürstet.

Die ganze Bandbreite portugiesischer Schaffenskraft führte Rui Costa vor, nachdem er von Scolari auf den Rasen gelassen worden war: Der alternde Star vom AC Mailand gab so lange den Stehgeiger aus dem Mittelkreis, bis er kurz vor Spielende nach virtuosem Kombinationsspiel mit Ronaldo das Spiel entschied.

Für die von Pfiffen begleitete Einwechselung des Ungeliebten fand Scolari eine verblüffende Begründung: „Unser Spiel war mir zu schnell, mit Rui Costa wollte ich es langsamer machen.“

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