zum Hauptinhalt

Sport: Volles Risiko

Der Springer Wels holt dort Silber, wo er sich einst verletzte

Berlin. Andreas Wels hatte schon beim Einspringen dieses gute Gefühl. „Heute“, dachte er, „heute könnte es etwas werden.“ Es war durchaus das richtige Gefühl. Andreas Wels aus Halle an der Saale, 27-jähriger Sportsoldat, hat bei der Europameisterschaft Silber im Drei-Meter-Springen gewonnen, hinter dem überragenden Weltmeister Dmitri Sautin aus Russland.

Für Wels war es ein harter Kampf. Im fünften Durchgang sprang er den dreieinhalbfachen Auerbach, seinen Schlüsselsprung. Der musste gut werden, sonst war Silber in Gefahr. „Da ging ich volles Risiko, hopp oder topp“, sagt er.

Für manche Zuhörer hatte dieser Satz etwas Erschreckendes. Denn eigentlich ist das ein harter Satz für Andreas Wels. Denn im April 2001, auch in Berlin, hätte sich Wels bei diesem Sprung, damals nur noch ergänzt durch eine halbe Schraube, fast das Genick gebrochen.

„Ja, damals wäre ich fast gestorben“, sagt Wels. Bei einem Lehrgang war er mit dem Kopf gegen das Brett geprallt, er blieb bewusstlos mit schwerer Gehirnerschütterung am Beckenrand liegen. Und jetzt, wie geht man jetzt auf dieses Brett, das fast zum Verhängnis geworden wäre? Andreas Wels sagt: „Klar denkt man an diesen Unfall. Aber das muss man verdrängen. Wenn Du auf dem Brett steht, musst Du das verdrängen. Da muss sich zeigen, ob Du ein Mann bist.“

Er verdrängte, er sprang. Er hat inzwischen den ganzen Unfall so gut wie möglich aus der Erinnerung verbannt. Aber er brauchte ein Jahr dazu. Drei Wochen allein lag er im Krankenhaus, drei Monate konnte er nicht springen. Dafür sprach er viel mit seinem Vater Horst. Sie analysierten, und Horst Wels sagte ihm, was er falsch gemacht hatte. Der Sprung wurde auf Video aufgenommen, aber Andreas Wels hat sich das Band nie angesehen. Er hat auch eigentlich keine Erinnerung an den Unfall.

Andreas Wels wollte nicht aufgeben. „Ich liebe das Springen“, sagt der Europameister von 1997, „ich wollte nicht aufgeben. Das kann man aufs ganze Leben übertragen. Ich wollte mich da durchbeißen.“ Der Vater aber hatte ein ganz mulmiges Gefühl, als der Sohn am Montag sprang. Er weiß, dass Andreas Wels verdrängt, aber nie richtig vergessen kann. „Natürlich kommt die ganze Erinnerung hoch, immer wieder, ohne erkennbaren Anlass“, sagt Andreas Wels. Aber er hat auch die Untersuchungsergebnisse der Neurologen im Kopf. „X-mal wurde ich untersucht, es gibt keine bleibenden Schäden." Also macht er weiter. Bis 2004, zu den Olympischen Spielen. Er sagt: „Da möchte ich eine Medaille." Frank Bachner

NAME

Zur Startseite