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Sport: Volleyball: Die Titelsammler vom Bodensee

Wenn Stelian Moculescu ein amtliches Formular ausfüllt, schreibt er in das Kästchen "Beruf" Volleyball-Lehrer. Doch das ist nur die halbe Wahrheit - in Wirklichkeit ist der gebürtige Rumäne Verkäufer.

Wenn Stelian Moculescu ein amtliches Formular ausfüllt, schreibt er in das Kästchen "Beruf" Volleyball-Lehrer. Doch das ist nur die halbe Wahrheit - in Wirklichkeit ist der gebürtige Rumäne Verkäufer. Seine Ware heißt Volleyball, sein Markt ist Deutschland, Moculescu ist der Generalvertreter. Keiner hat in den letzten Jahren mehr Titel geholt. Seine jüngste Erfolgsgeschichte heißt VfB Friedrichshafen. Hier hat er die ideale Spielwiese gefunden, seine ehrgeizigen Pläne umzusetzen.

Bevor er nach Friedrichshafen kam, war der VfB Vizemeister, dreimal. Moculescu zeigte den Schwaben, wie man den letzten Schritt schafft. Seit 1998 ist der VfB Deutscher Meister, und dass er das auch in diesem Frühjahr wird, ist viel sicherer als der erneute Titelgewinn des FC Bayern in der Fußball-Bundesliga. Das ist schön für Moculescu und auch wieder nicht, denn das Verkaufen der Ware Volleyball in Fußballs Ferseh-Land ist dadurch nicht einfacher geworden. Wenn man weiß, wie es ausgeht, macht Sport nur noch halb so viel Spaß.

Noch vor ein paar Jahren, als Moculescu noch in Dachau tätig war, hatte sich der Volleyballmarkt Deutschland in hoffnungsvoller Verfassung präsentiert. Vier in etwa gleichwertige Mannschaften machten den Titel unter sich aus: der ASV Dachau, der VfB Friedrichshafen, Bayer Wuppertal und der SC Charlottenburg. In dieser Saison ist die Liga auch sehr ausgeglichen: von Platz zwei bis acht. Vorneweg marschiert unangefochten der Goliath vom See, der national keine Konkurrenz mehr zu fürchten braucht und heute (15 Uhr, Sporthalle Charlottenburg) beim sechs Punkte zurückliegenden Tabellenzweiten SCC wohl zum zwölften Mal vergeblich versucht, sich eine Niederlage gegen einen Bundesligakonkurrenten einzufangen.

Die deutsche Zwei-Klassen-Gesellschaft wurde erst vor 14 Tagen wieder offenbar, als der VfB in der heimischen Bodensee-Sporthalle mühelos den Pokalsieg feierte. Das ist die Crux für die Überflieger vom See: national nicht gefordert, international nurmehr Mittelmaß, wie der gesamte deutsche Volleyball. Dass europaweit andere Maßstäbe gelten, hatte der VfB nur vier Tage zuvor bei der Niederlage gegen den Russischen Meister Belgorod erfahren. Champions League verpasst. "Meine Mannschaft ist zu unerfahren, sie hat keine Routine", klagte Moculescu. Und erstmals wurde deutlich, dass er es gar nicht so lustig findet, dass ihm jedes Jahr die besten Leute weggekauft werden, weil die Musik anderswo spielt und es dort mehr zu verdienen gibt als in der Bundesliga. "Wir mussten wieder eine neue Mannschaft aufbauen, mit No-Name-Spielern. Auf Dauer mache ich das nicht mit."

Wie seine Welt aussieht, daran hat er nie einen Zweifel gelassen. Moculescu möchte die Champions League gewinnen, und das geht nur mit Weltklassespielern. In der Vereinsführung ist sein Rufen schon erhört worden. "Wenn wir uns auf dem internationalen Level mitbewegen wollen, dann müssen wir die Mannschaft verstärken", kündigt VfB-Geschäftsführer Karl Schöllhorn an. Was den Spannungsgehalt der Bundesliga angeht, verheißt das nichts Gutes.

Bernd Hüttenhofer

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