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Sport: Volleyball: Nachtleben im Bus

In aller Herrgottsfrühe klingelte bei Marco Liefke in seiner Charlottenburger Wohnung der Wecker. Fünf Uhr.

Von Karsten Doneck, dpa

In aller Herrgottsfrühe klingelte bei Marco Liefke in seiner Charlottenburger Wohnung der Wecker. Fünf Uhr. Aufstehen, schnell unter die Dusche, rein in die Klamotten, kurz gefrühstückt, Sporttasche geschnappt und ab zum Flughafen Tegel. Der Volleyball-Nationalspieler und seine Mannschaftskameraden flogen zu früher Stunde an den Bodensee. Dort stand für Liefke und Co. das Bundesligaspiel gegen den VfB Friedrichshafen auf dem Programm. Der etwas unausgeschlafene SC Charlottenburg schlug sich an jenem Abend wacker, verlor aber beim Deutschen Meister mit 0:3. Das war deutlich. Die Niederlage als solche war ja keine große Überraschung. Die Schwaben, trainiert von Erfolgscoach Stelian Moculescu, der schon 18 Titel gewann, ist eine Klasse für sich in der Bundesliga. Und die Bodensee-Halle in Friedrichshafen gilt fast schon als Festung. Dort zu gewinnen, ist nicht gerade einfach, wenn 1200 oder mehr Zuschauer für den VfB brüllen. Aber das ist ja auch nicht der Punkt. Denn gut möglich, dass der SCC sich noch besser präsentiert hätte, wenn er sich denn vor der Partie so verhalten hätte wie ein paar Monate zuvor.

Denn noch in der vorangegangenen Saison hatte sich der SCC für den Auftritt in Friedrichshafen mehr Zeit genommen: Anreise am Tag vor dem Spiel, Übernachtung im Hotel, und zur besseren Gewöhnung an die eher ungewohnte Halle wurde dort auch trainiert. Doch derlei bescheidenen Luxus können sich die Charlottenburger nicht mehr leisten. Der Verein muss eisern sparen, da führt kein Weg daran vorbei.

Eine Hotelübernachtung für die Mannschaft sowie Trainer und Betreuer, dazu drei Mahlzeiten für alle und die Fahrten zur Sporthalle, "da kommen schnell schon mal 3000 bis 4000 Mark zusammen", sagt Kaweh Niroomand, der SCC-Manager. Seine Schlussfolgerung: "Wir mussten einigen Komfort streichen." Der Etat für diese Saison liegt bei 900 000 bis 950 000 Mark. Zum Vergleich: Der Etat des VfB Friedrichshafen dürfte knapp zwei Millionen Mark betragen.

Trotzdem, fast eine Million Mark, ist auch viel Geld. Das Problem sind allerdings die Einnahmen des SCC - die sind ziemlich gering. Denn den Charlottenburgern ist vor der Saison der Sponsor Knall auf Fall davongelaufen. Und Ersatz ist im Volleyball, ganz anders als beim Fußball, nur äußerst schwer zu beschaffen. "Um einen größeren Sponsor zu finden, müssen wir zwei Jahre lang hart arbeiten", meint Niroomand. Und selbst dann gibt es keine Garantie, dass nach einer derart langen Bearbeitungszeit der erhoffte Geldgeber auch wirklich anbeißt.

Den Etat des SCC, der immerhin Deutschlands Volleyball in der neu geschaffenen Champions Laegue vertritt, decken nun mehrere kleinere Sponsoren, jedenfalls zu einem großen Teil. Es soll auch eine nicht unbeträchtliche Deckungslücke geben. Aufregung ruft das beim SCC nicht hervor. Niroomand sagt: "Wir haben die Zusage von einem Sponsor, dass er uns, wenn mal ein finanzieller Engpass kommen sollte, mit einem langfristigen Kredit aus der Liquiditätskrise helfen würde." Bundesliga nur noch auf Kredit - ist das die Zukunft des SCC?

Den größten Block bei den Charlottenburgern machen die Personalkosten aus, "und", so Kaweh Niroomand, "da ist die Möglichkeit zu Sparmaßnahmen relativ gering." 60 bis 65 Prozent des Etats macht allein dieser Posten aus. Einsparungen in diesem Bereich würden zwangsläufig mit dem Verlust sportlicher Qualitäten einhergehen. Und einer wie Liefke dürfte, für deutsche Volleyball-Verhältnisse, sehr gut verdienen. Warum auch nicht? Schließlich zählt er zu den herausragenden Spielern in Deutschland.

Aber das hat seinen Preis. Und deshalb wird gespart. Da verzichtet der SCC zum Beispiel schon mal vor der Saison auf ein Trainingslager im Ausland. Die über tausend Kilometer lange Tour zum Auswärtsspiel beim ASV Dachau und zurück absolviert die Mannschaft mit dem Bus, die Heimreise beginnt bald nach dem Spiel. Die Spieler kommen nach solchen Reisen hundemüde in Berlin an. Manchmal erst um vier Uhr morgens. Ein Talent wie Sven Glinker braucht sich dann eigentlich gar nicht mehr hinzulegen. Er muss am Montagfrüh gleich wieder zur Schule. "Wir müssen daran arbeiten, für uns eine Ebene zu finden zwischen Amateurdasein und Professionalismus", sagt Niroomand. Klingt ganz vernünftig, aber wie das in der Praxis aussehen soll, bleibt unklar.

Nicht ganz so unglücklich ist der SCC, dass heute wieder ein Bundesliga-Heimspiel (15 Uhr, Sömmeringhalle) ansteht. Das hilft, Kosten zu sparen. Es kommt der Aufsteiger TSV Unterhaching. Die Kehrseite der Medaille: Sonderlich attraktiv ist dieser Gegner nicht, die Zuschauerresonanz wird dürftig bleiben - und damit die Einnahme auch. Ein Teufelskreis.

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