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Da schlagen viele auf. Volleyballspiele der Nationalmannschaft sind in Polen große Ereignisse, besonders in Kattowitz.

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Volleyball-WM in Polen: Eine Nation am Netz

Am Wochenende beginnt in Polen die Volleyball-WM der Männer. Die Vorfreude im Land ist groß – es gibt kaum einen besseren Ort für diesen Sport.

Eigentlich schreitet die Zeit in Kattowitz mit großen Schritten voran. Zum Beispiel an jener Stelle, wo sich früher die Kohlegrube der polnischen Stadt befand, dort soll bald das Nationale Symphonieorchester zu hören sein. Auch entsteht unterhalb der Oberfläche ein neues Museum, das von Schlesien erzählt.

Nur einige hundert Meter weiter, im Zentrum der Stadt, läuft die Zeit in die andere Richtung. Eine große Uhr zählt die Stunden, Minuten und Sekunden herunter, bis zum nächsten großen Ereignis in Kattowitz: Am kommenden Samstag beginnt in Polen die Volleyball-WM der Männer.

In sieben Städten werden 24 Teilnehmer um den Titel spielen, um die Nachfolge Brasiliens. In Warschau, Krakau, Lodz und Breslau, in Bromberg, Danzig und Kattowitz. Laut Veranstalter soll die Weltmeisterschaft 50 Millionen Euro kosten. Zehn bis 15 Millionen koste das Turnier an sich, der Rest wurde für die Infrastruktur, für Werbung und Promotion ausgegeben. Das Event ist in Kattowitz nicht zu übersehen. Nicht nur im Kern der Stadt, wo im Sekundentakt auf die Eröffnung hingewiesen wird.

Generell hat Volleyball in Polen einen anderen Stellenwert, eine andere Tradition als in Deutschland. 1974 wurde das Team Weltmeister, zwei Jahre später gewann Polen die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen. Danach passierte wenig: Bis 2009. Da wurde Polen Europameister und 2012 Weltliga-Erster.

Im Zuge dieser Erfolge und der wachsenden Popularität hat sich die polnische Liga stetig professionalisiert, ist eine der erfolgreichsten Ligen weltweit geworden. In der aktuellen Weltrangliste steht Polen auf Platz fünf. Kaum zu vergleichen mit dem Ranking im Fußball, dort steht die polnische Nationalmannschaft auf Platz 69, hinter Nationen wie Albanien oder El Salvador. Während Deutschland in diesem Sommer Weltmeister wurde, hatte Polen nicht einmal die Qualifikation für Brasilien geschafft. Deswegen muss sich Volleyball nicht wie hierzulande hinter Fußball, Eishockey, Handball und Basketball einreihen. Die Sportart steht ganz vorne.

Der deutsche Bundestrainer Vital Heynen kennt die Unterschiede zwischen den Nachbarländern. Er glaubt, dass viele Spieler nach Italien, Russland oder Polen gehen, um vor vollen Tribünen und Live- Fernsehkameras zu spielen. Ein Beispiel dafür ist der deutsche Nationalspieler Dirk Westphal. Er steht bei Czarni Radom unter Vertrag, ein Verein südlich von Warschau. „In Polen spürt man richtig die Euphorie für den Sport“, sagt er. „In Deutschland ist Volleyball noch dabei, seine Nische zu finden.“ Dazu kommen die Probleme der deutschen Liga: Zuletzt hat sich Generali Haching aus der Volleyball-Bundesliga abgemeldet, weil sich der Hauptsponsor zurückgezogen hatte. Ende 2013 haben die Volleys Bottrop ihre Lizenz verloren. Nur zwölf Mannschaften spielen in der kommenden Bundesliga-Saison um den Titel. Genauer gesagt, eigentlich nur zwei. „Es geht ja nur noch um die Duelle zwischen den Berliner Volleys und Friedrichshafen“ sagt Heynen. „Das war’s.“

Den schwachen Wettbewerb in Deutschland bemängelt auch Kaweh Niroomand, Manager der BR Volleys. „Eine Grundschulhalle und fünf Klatschpappen reichen einfach nicht mehr aus, um Zuschauer anzulocken“, sagt er. Die Vereine bräuchten modernere Spielstätten, müssten Lust auf ihren Sport machen. Nur so würden sie Sponsoren finden und könnten Spielern höhere Gehälter anbieten, bevor sie ins Ausland gehen. Um mehr Geld zu verdienen und sich als Sportler weiterzuentwickeln, sieht die Karriere der meisten Spieler nämlich so aus: Italien, Polen, Russland, vielleicht noch Frankreich und dann zurück nach Deutschland. Auch Robert Kromm, Außenangreifer der Volleys und Spieler der Saison, hat eine solche Vita hinter sich. „In Polen verdienen sie immerhin das Dreifache, in Russland wahrscheinlich das Vier- oder Fünffache“, sagt Niroomand. Staatlich kontrollierte Betriebe würden ganz andere Summen in den Sport investieren.

Auch ist die mediale Präsenz in Polen eine andere als in Deutschland. Dort überträgt das Fernsehen mehrere Spiele die Woche. Es gibt eine über das Fernsehen hinausgehende Marketing-Strategie, mit illustren Werbepartnern. „Und wir haben aus Sport-Events Social-Events gemacht“, sagte Wojtek Czayka, Organisationschef der WM unlängst in Polen. „Internationale Spiele ziehen Tausende in die Hallen, die Zuschauer singen die Nationalhymne laut mit.“ Bei der WM sind alle Vorrundenspiele der polnischen Mannschaft ausverkauft.

Seit der Fußball-Europameisterschaft 2012 gehören Großsportereignisse zur offiziellen Politik Polens. Weil das Land aufpoliert mehr Touristen anziehen soll. Mit einer Ausnahme: Die Winterspiele 2022 lehnten auch die Menschen in Krakau Ende Mai ab. Ein zweites Sotschi, das wollten sie ebenso wie die Münchner nicht in ihrem Land haben. Anders als die bis zum 21. September andauernde Volleyball-WM, die bislang keine Gegenstimmung provoziert hat.

Viel Geld wurde für Straßen, Hotels und Kaufhäuser ausgegeben – und nun soll aus der alten Kohlegrube in Kattowitz auch noch ein Kulturzentrum werden. Vollendet werden soll es ein paar Monate nach der WM. Wenn die Zeit in Polen wieder mit großen Schritten vorwärtsschreitet. Bis zum nächsten Countdown für das nächste Sportevent, die Handball-EM 2016.

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