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Ziehen für ein Ziel. Der Doppel-Vierer, hier 2010 in der Besetzung Oppelt, Bär, Manker und Richter (von vorne), soll wieder das werden, was der Achter bei den Männern ist. Foto: p-a/dpa

© picture alliance / dpa

Sport: Vom Beiboot zum Flaggschiff

Der Doppelvierer soll das Frauenrudern wieder populärer machen und nächstes Jahr olympisches Gold gewinnen

Berlin - Wenigstens haben sie einen Tag vor der Abreise noch zusammen trainiert, wenigstens das, so kamen mit einer weiteren, kurzen Trainingseinheit noch 45 Kilometer zusammen. 45 Kilometer haben sie bis zum Weltcup in München zusammen zurückgelegt im Frauen-Doppelvierer. Mehr war nicht drin, die Besatzung wurde erst am vergangen Wochenende, nach der deutschen Meisterschaft in Brandenburg, zusammengestellt. Die ersten vier im Einer-Wettbewerb wurden vom zuständigen Bundestrainer Sven Ueck in den Doppelvierer gesetzt, so einfach war das.

Im heutigen Finale beim ersten Saison-Weltcup in München, nur eine Woche nach der Zusammenstellung, hat das Boot bereits die Aufgabe, aufs Podest zu fahren; mit einer Besatzung, die so noch nie zusammen gefahren ist. „45 Kilometer sind schon sehr wenig“, sagt Britta Oppelt, die Schlagfrau aus Berlin. Das Ergebnis von München wird nicht bloß ein Fall für die Statistik sein, Britta Oppelt, Carina Bär, Stephanie Schiller und Julia Richter sind Teil einer sportlichen Mission. Es geht um Olympiagold, es geht aber auch um historische Größe. „Der Doppelvierer soll wieder das Flaggschiff des deutschen Frauenruderns werden.“ Dieter Altenburg sagt das, der langjährige Bundestrainer, jetzt stellvertretender Präsident des Landesruderverbands Berlin.

Flaggschiff war der Doppelvierer viele Jahre lang. Zwischen 1976 und 2004 hatte ein deutsches Boot (für die DDR oder für die Bundesrepublik) ohne Unterbrechung olympisches Gold gewonnen. Er war mehr als ein Jahrzehnt lang bei Weltmeisterschaften ungeschlagen, viele Jahre lang hatte Bundestrainerin Jutta Lau das Boot von Sieg zu Sieg geführt. Bei der WM 1998 in Köln sagte eine Fernsehreporterin zu Lau: „Ihr Boot verliert doch nur, wenn der Weiße Hai zubeißt.“ Selbstverständlich gewann der Vierer.

2005 riss die Siegesserie bei Weltmeisterschaften, 2008 riss sie bei Olympischen Spielen. Der Doppelvierer gewann in Peking nur Bronze. Kathrin Boron saß damals im Boot, 2004 noch war sie mit dem Doppelvierer Olympiasiegerin geworden, jetzt, in Peking, kämpfte sie mit den Tränen. Bronze, das war eine Blamage. Und dem deutschen Frauenrudern fehlte nun endgültig das Gegenstück zu den Männern. Die Männer hatten den Deutschland-Achter, ihr Flaggschiff.

Der Doppelvierer muss 2012 olympisches Gold holen, das ist die klare Zielvorgabe des Deutschen Ruderverbands. „Der Doppelvierer war immer das Vorzeigeboot“, sagt Altenburg. „Das soll es wieder werden. Er soll Frauenrudern wieder populärer machen, man soll sich mit dem Boot identifizieren können. Es geht aber auch um Vermarktung.“

Der Männerachter hat einen Sponsor, der Doppelvierer der Frauen hatte mal einen. Einen Eiscreme-Produzenten, aber der zog sich zurück. Es hatte Streit mit Jutta Lau gegeben. Lau hatte im DDR-Doppelvierer 1976 und 1980 Olympiagold gewonnen, sie gilt als harte Trainerin. Inzwischen arbeitet sie in China, aber als sie noch in Potsdam ihren Job erledigte, gab es viele Talente, die nicht unter ihr trainieren wollten. Sie fanden das Training zu hart. Außerdem gab es Streit, weil ihr Athleten und Trainerkollegen vorwarfen, sie nehme nur Athletinnen aus Potsdam ins Boot. Viele führten den Niedergang des Doppelvierers auf Laus Sturheit zurück.

Jetzt ist die Bundestrainerin weg, „jetzt wird wieder allein nach dem Leistungsprinzip aufgestellt“, sagt ein langjähriger Ruder-Trainer. Egal, was letztlich die Wahrheit ist, der Druck ist da.

Komplett neu zusammengewürfelt ist die Besatzung nicht. Oppelt, Bär und Richter haben schon früher zusammen im Boot gesessen. Schiller ist jetzt 26, sie hat Erfahrung, auch im Doppelvierer, sie kann sich anpassen. Es ist eine Mischung aus Talenten und Routiniers. Britta Oppelt, die Schlagfrau, ist 32, Bär und Richter sind noch jung. Außerdem stehen weitere Talente bereit, die in den Doppelvierer umsteigen können, wenn dort eine schwächelt. Für Altenburg ist das eine gute Lage, man kann damit das Boot langfristig aufbauen.

Britta Oppelt hat in diesem Boot auch noch ihre ganz eigene Mission. Sie will Wiedergutmachung. Denn nicht bloß Kathrin Boron kämpfte 2008 in Peking mit den Tränen. Auch Oppelt musste damals schlucken. Sie saß ebenfalls im Doppelvierer.

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