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Wiese vom Feld. Schiedsrichter Torsten Kinhöfer zeigt Bremens Torhüter die Rote Karte. Kinhöfer wurde von den Bremern anschließend stark kritisiert. Foto: AP

© AFP

Sport: Vom Glauben abgefallen

Anstatt sich mit dem Abstiegskampf zu beschäftigen, hadert Werder Bremen mit dem Schiedsrichter

Es dürfte bekannt sein, dass Thomas Schaaf ein Mann der Prinzipien ist. Nach glorreichen Triumphen hat er noch nie den strahlenden Sieger herausgekehrt, nach unglücklichen Rückschlägen mag er nicht den mahnenden Ankläger spielen. „Es ist keine Neuigkeit, dass ich mich zum Schiedsrichter nicht äußere“, brummte jener Schaaf also, als der Trainer des SV Werder Bremen erklären sollte, ob Thorsten Kinhöfer mitgeholfen habe, dass der FC Bayern München das ewige Prestigeduell an der Weser gerade mit 3:1 (0:0) gewonnen hatte.

Ohne Antwort stand Schaaf auf, stapfte davon und fuhr heim zur Familie in Brinkum, wo nicht mal die Nachbarn, die seit zwei Jahrzehnten neben ihm wohnen, den Menschen Schaaf richtig kennen, wissen, was er wirklich denkt und fühlt. Immerhin hat er noch gesagt: „Wir haben viele Dinge richtig gemacht und eine gute Reaktion gezeigt.“ Aber genügt das? Eine Mannschaft, die sein Lebenswerk ist, steht mit nur 22 Punkten und unfassbaren 42 Gegentoren auf Platz 15.

Eigentlich müssten alle Alarmglocken klingeln; spätestens als der tapfere Per Mertesacker, dem das unverhoffte 1:0 geglückt war, die Kugel unglücklich zum entscheidenden 1:2 ins eigene Tor stolperte und verbittert mit der Faust auf den zerfurchten Rasen schlug, zeigte sich das grün-weiße Leiden in seinem ganzen Ausmaß. Werder steckt mitten im Abstiegskampf – mit allem, was dazugehört. Eben auch ein ausbleibender Pfiff des Referees aus Herne, auf den nicht nur das Bremer Volk, sondern auch der Vorstandschef schlecht zu sprechen war, weil der Unparteiische nach 67 Minuten eben nicht auf Handspiel des Bayern-Spielers Luiz Gustavo entschied. „Man muss in einem Spiel auch ein bisschen Glück haben, und die richtigen Entscheidungen müssen getroffen werden“, dozierte Klaus Allofs viel offensiver als sein Kompagnon Schaaf: „Dass wir keinen Handelfmeter bekommen haben, ist absolut lächerlich. Die Herren scheinen nicht lernfähig.“ Der gescholtene Kinhöfer wollte auch nach Studium der Fernsehbilder nicht von einer Fehlentscheidung sprechen. „Aus unserer Perspektive hat der Spieler Gustavo den Ball vorher an die Hüfte bekommen“, sagte Kinhöfer.

Gut, dass Torsten Frings zum Zeitpunkt dieser Aussage ebenfalls schon das Areal am Osterdeich verlassen hatte, sonst wäre es noch zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen. „Er hat grottenhaft gepfiffen, da fällt man vom Glauben ab. Ich denke, er war für die Bayern“, zeterte der Kapitän. Sogar die Rote Karte von Torwart Tim Wiese nach grotesker Kung-Fu-Einlage brachte Frings mit Kinhöfer in Zusammenhang. „Wenn wir 2:1 führen, passiert Tim dieses Frustfoul gar nicht.“ Auch Wiese, der in den nächsten Wochen vom begabten Talent Sebastian Mielitz vertreten wird, zeigte wenig Einsicht: „Machen wir den Fehlpass nicht, wäre es nicht zu der Situation gekommen. Ich musste rauskommen, wollte den Ball weghauen. Aber leider war Müller schneller am Ball.“

Eine echte Fehleranalyse ging eingedenk solcher Verschwörungsszenarien fast unter. Die verbesserten Bremer hatten mit ihrem Bemühen ein Lebenszeichen von sich gegeben, dem aber nächsten Samstag gegen Mainz eine Bestätigung folgen muss – sonst droht die Fortsetzung der Talfahrt. Der Kampf um den Klassenerhalt soll weiter mit demselben Trainer und dem bestehenden Kader geführt werden. „Ich sehe keinen Lebensretter auf dem Markt“, sagte Allofs, „es sei denn, Robben und Müller sind noch im Paket zu haben.“ Ein Scherz, gewiss. Allofs schöpft Zuversicht aus dem, was er im Spiel gegen die Bayern gesehen hatte. „Wenn wir so weitermachen, sind wir da unten schnell wieder raus.“ Hört sich an wie eine Selbstverständlichkeit.

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