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Sport: Vom Glück verfolgt

Alonso wird wohl Formel-1-Weltmeister – seine Rivalen bereiten ihm dazu seit Monaten den Weg

Jean Todt blickte ratlos in die Gegend. „Selbst das Glück hat uns verlassen“, sinnierte der Ferrari-Teamchef, nachdem sein Pilot Michael Schumacher beim Großen Preis von Belgien am Sonntag in Spa vom Japaner Takuma Sato von der Strecke geräumt worden war. „Vielleicht hatten wir in den vergangenen Jahren einfach zu viel davon.“ Im Ferrari ist Michael Schumacher seit dem Jahr 2000 fünfmal Weltmeister geworden. Wenn es denn stimmt, dass das Glück-Pech-Verhältnis am Ende ein Nullsummenspiel ist, bräuchte Fernando Alonso in der kommenden Saison erst gar nicht mitzufahren. Dass dem Spanier der Weltmeistertitel in der Formel 1 in dieser Saison kaum mehr zu nehmen ist, hat der Renault-Pilot zu einem erheblichen Teil einer Kombination aus Pech und Unvermögen seiner Konkurrenten zu verdanken.

Am Sonntag beispielsweise rammte BMW-Williams-Fahrer Antonio Pizzonia den Kolumbianer Juan Pablo Montoya im McLaren-Mercedes kurz vor Rennende beherzt von der Strecke. Dadurch rückte Alonso auf Platz zwei vor und kann in zwei Wochen beim Großen Preis von Brasilien den WM-Titel ziemlich einfach gewinnen. Er muss nur auf dem dritten Platz landen. Der Sieger von Spa, Montoyas Teamkollege Kimi Räikkönen, bemerkte achselzuckend: „Das Glück ist einfach nicht auf unserer Seite.“ Aber aufgeben im Kampf um den Titel will der Finne nicht.

Fernando Alonso hat in dieser Saison das Schicksal so sehr zu seinen Gunsten in Anspruch genommen, dass für die restlichen Formel-1-Piloten und Teams kaum noch etwas übrig geblieben ist. Wann immer irgendwo ein Konkurrent Probleme hatte, war Alonso zur Stelle und wurde Nutznießer dieser Situation. Am meisten profitierte der Spanier dabei von den Pannen und Patzern seines schärfsten Rivalen Räikkönen. Der fiel allein dreimal, in Führung liegend, aus und verlor aus diesem Grund wertvolle Punkte auf Alonso. Ron Dennis, als Teamchef für Räikkönens schnellen, aber unzuverlässigen McLaren verantwortlich, bezeichnete Alonso deswegen am Wochenende als „lucky champion“. Als Kompliment war das nicht gemeint.

„Es stimmt ja, ich habe während der gesamten Saison Glück gehabt“, gibt Alonso zu. „Aber ich war auch immer da, um davon zu profitieren.“ Mehr noch: Der Renault-Pilot hat sein Glück häufig selbst erzwungen. Nachdem er beim Rennen am Nürburgring von den Reifenproblemen des Spitzenreiters Räikkönen erfahren hatte, trat er plötzlich aufs Gaspedal und zwang den Finnen, ebenfalls schneller zu fahren. Eine Runde vor Schluss konnte Räikkönens Vorderradaufhängung dieser Belastung nicht mehr standhalten und zerbarst – Alonso siegte.

Hinzu kommt, dass der Spanier sehr wenig Pech hat, von dem seine Konkurrenten profitieren könnten. Mit Ausnahme seines Unfalls in Montreal hat der 24-Jährige eine praktisch fehlerlose Saison hinter sich. Wie einst der viermalige Weltmeister Alain Prost hielt er sich geschickt aus allen gefährlichen Situationen heraus und begnügte sich mit dem zweiten Platz, wenn der erste nur mit erhöhtem Risikoeinsatz zu erreichen gewesen wäre. „Fernando macht eben so gut wie keine Fehler und hat dazu noch manchmal Glück“, sagt sein Teamchef Flavio Briatore. „Es scheint, als ob das die typische Kombination bei Champions ist.“

Auch Briatores Konkurrent Ron Dennis muss inzwischen zugeben, dass Alonsos wahrscheinlicher Titelgewinn auch mit dessen Können zu tun hat. „In Spa hat Fernando genau das gemacht, was ich auch von meinen Fahrern erwartet hätte“, sagte Dennis. Und was genau war das? „Nichts Falsches.“

Christian Hönicke[Spa]

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