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Sport: Vom kleinen Bruder lernen

Witali Klitschko will mit Wladimir gleichziehen und gemeinsam mit ihm Weltmeister sein

Das Drumherum, die Show, das große Spektakel beherrscht Witali Klitschko wie eh und je. Zwei Monate vor seinem Comeback präsentierte sich der ehemalige Schwergewichts-Weltmeister am Montag zusammen mit seinem Gegner Jameel McCline aus den USA in München den Journalisten. Das Kopfhaar des 35-jährigen Ukrainers ist deutlich grauer als noch vor zwei Jahren – damals musste der ältere der beiden Klitschko-Brüder seinen WM-Titel verletzungsbedingt abgeben und erklärte seine Box-Karriere für beendet. Jetzt sitzt Witali Klitschko da, im silbergrauen Anzug, der sich über seinem sichtlich durchtrainierten Körper spannt, die Kiefermuskeln in Aktion, der Blick böse. Oder konzentriert?

Klitschko hat sich Notizen gemacht. Ganz der Politiker, der den ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko in Jugend- und Sportfragen berät. „Nach zwei Jahren Pause komme ich zurück“, sagt er, „wie gut ich bin, muss ich zeigen, eine Pause ist im Boxen kein Vorteil.“ Aufrecht sitzt er da, und still. Nicht so zappelig wie Jameel McCline, Klitschkos Gegner am 22. September in der Münchner Olympiahalle. Dessen Körper wippt unablässig auf und ab während er spricht. „Witali hat seinen Titel nie verloren“, so McCline, „ich habe einige seiner Kämpfe gesehen, für mich ist er der Champion, ich habe viel Respekt vor ihm, er ist sehr groß, sehr stark, sehr technisch.“

McCline, 37 Jahre alt, selbst knapp zwei Meter lang, geboren in Harlem und einst wegen illegalen Waffenhandels zu einer Haftstrafe verurteilt, hat es bereits dreimal zum Herausforderer eines Weltmeisters gebracht. Er verlor gegen Wladimir Klitschko, gegen Chris Byrd und zuletzt gegen den russischen 2,13-Meter-Hünen Nikolai Walujew. Gegen ihn lag McCline in Führung, bis er sich einen Patellasehnenabriss zuzog und aufgeben musste. Anschließend wollte er seine Karriere zunächst beenden. Der Kampf gegen Klitscko könnte für ihn die letzte Chance sein – oder die ideale Rentenversicherung. Erstmal kämpft der massige Mann in München aber mit der deutschen Hitze. Die schief sitzende Krawatte schnürt ihm die Luft ab und er wundert sich: „Warum habt ihr hier so wenig Klimaanlagen?“

Witali Klitschko kommt zu seiner Motivation für das Comeback: „Weltmeister war ich schon, diesmal will ich zusammen mit meinem Bruder Weltmeister sein und Boxgeschichte schreiben.“ Wladimir Klitschko hält den IBF-Gürtel und setzte sich zuletzt in Köln mit einem eindrucksvollen Revanche-Sieg gegen Lamon Brewster in Szene. 1999 war Witali Klitschko zum ersten Mal Weltmeister geworden, doch als der kleine Bruder Wladimir im Oktober 2000 nachzog, hatte Witali seinen Titel schon wieder verloren. 2003 patzte der ältere Klitschko in seinem wohl besten Fight gegen Lennox Lewis, er musste sich nur wegen eines schweren Cuts geschlagen geben. Im April 2004 patzte dann der jüngere Klitschko gegen Lamon Brewster – Witali wurde zehn Tage später erneut Weltmeister. Als Wladimir im April 2006 nachzog, hatte Witali seine Boxkarriere längst gegen die eines Politikers eingetauscht.

Jetzt will der ältere noch einmal bei dem jüngeren in die Lehre gehen, denn Wladimir sei „einfach talentierter“ als er, so Witali Klitschko. „Ich kann viel von ihm lernen, bei Technik, Explosivität, Koordination – er ist einfach besser als ich und erst am Anfang seiner besten Zeit.“ Der Kampf gegen McCline ist für ihn die Generalprobe für einen Titelfight, als Nächstes will Witali Klitschko den WBC-Weltmeister (Champion Oleg Maskajew tritt wohl im Oktober zunächst gegen Samuel Peter an) herausfordern. Aber eins nach dem anderen. „Der Kampf in München wird eine richtige Schlacht“, sagt Klitschko noch. Und dann der ultimative Show-down: ein sarkastisch-böses Lächeln hinüber zum Gegner, der sichtlich Spaß hat am Klitschko-Spektakel. „Jameel lacht, aber es geht nicht um Spaß, es geht um einen richtigen Schwergewichts-Kampf, da gibt es keine Begnadigung.“

Susanne Rohlfing[München]

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