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Sport: Vom Olymp in den Knast

Ein US-Gericht verurteilt die geständige Doperin Marion Jones wegen Meineids zu sechs Monaten Haft

Der Charme von Marion Jones hat sich offenkundig abgenutzt. Einst war man dazu bereit, der Frau mit dem bezaubernden Lächeln alles abzunehmen – zum Beispiel, dass sie nur Opfer der skrupellosen Männer ist, auf die sie immer wieder hereinfiel. Mittlerweile hat die frühere Leichtathletin ihren Sympathiekredit jedoch verspielt. „Ich bitte sie, so gnädig zu sein, wie ein Mensch nur gnädig sein kann“, hatte Jones den Bezirksrichter Kenneth Karras angefleht. Doch Karras kannte am Freitag im Gerichtsgebäude des New Yorker Wohnvorortes White Plains weder Mitleid noch Gnade und verurteilte Jones zu sechs Monaten Haft wegen Meineides. Jones hatte im Jahr 2003 Bundesbeamte angelogen, die gegen das kalifornische Dopinglabor Balco sowie gegen ihren damaligen Lebensgefährten, den Sprinter Tim Montgomery, ermittelten.

Auch Jones’ Anwälte hatten den Richter vor der Urteilsverkündung um Milde ersucht. Durch die Aberkennung ihrer Olympiamedaillen, ihren finanziellen Ruin und die öffentliche Demütigung, die ihr nach ihrem Geständnis von Doping und Betrug widerfahren sei, sei die einstige Sprinterin schon gestraft genug. Außerdem sei sie Mutter von zwei Söhnen, um die sie sich kümmern müsse und alleine deshalb müsse man ihr Bewährung zubilligen. Ihr kleinster Sohn wird sogar noch gestillt. Doch Richter Karras beeindruckte das nicht.

Sicher war es auch die Beharrlichkeit, mit der Jones bis zu ihren Geständnissen im vergangenen Jahr gelogen hatte, die Karras dazu bewog, die 32-Jährige nicht mehr als Opfer, sondern als Täterin zu behandeln. Sieben Jahre lang hatte Jones unermüdlich wiederholt, nie etwas mit Doping zu tun gehabt zu haben. Ihr Lügengebäude brach erst zusammen, als herauskam, dass sie neben ihren Dopinggeschäften zusammen mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten in einen handfesten Betrugsskandal verwickelt ist. Tim Montgomery hatte mit ihrer Hilfe sowie mit der ihres Trainers Steve Riddick versucht, gefälschte Schecks in Millionenhöhe einzulösen. Das alles fand Karras zu schwerwiegend, um es ohne eine schmerzliche Bestrafung durchgehen zu lassen, schon gar bei jemanden, der eigentlich ein Vorbild sein soll: „Athleten haben eine herausgehobene Stellung in der Gesellschaft“, begründete er sein Urteil. „Sie unterhalten uns und sie inspirieren uns.“

Unter den Verantwortlichen der amerikanischen Sportorganisationen fand die Härte von Richter Karras ungeteilte Zustimmung. Die Vorstände des US-Leichtathletikverbandes Bill Roes und Craig Masback nannten den Fall Jones „eine lebhafte Illustration dessen, was man durch Lüge und Betrug aufs Spiel setzt“. Auch Jones selbst hoffte, dass ihr Schicksal wenigstens als Lehrstück für andere dient. „Ich nehme das Urteil des Richters an“, sagte sie unter Tränen, „und hoffe, dass andere aus meinen Fehlern lernen.“ Vor dem Gerichtsgebäude hielt sie ihr Schlusswort an die Öffentlichkeit. „Früher stand ich als Siegerin vor Ihnen“, sagte Marion Jones in den prasselnden Regen. „Heute stehe ich für das, was Recht ist.“

Sebastian Moll[New York]

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