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Willkommen bei den Favoritinnen. Schwedens Spielerinnen feiern ihren unerwarteten 2:1-Erfolg über die USA. Foto: dpa

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Sport: Von der Rolle

Nun auch noch die Schwedinnen. Nach der Vorrunde gibt es vier bis fünf Teams, die zu den Favoriten auf den WM-Titel zählen. Die Weltspitze rückt enger zusammen

V on Heidelberg bis nach Wolfsburg sind es gut vier Stunden mit der Bahn. Da kann schon mal was verloren gehen, etwa das Portemonnaie, die gute Laune – oder die Favoritenrolle. Als sich die Frauen aus den USA am Wochenende von ihrem mit reichlich Militär angereicherten Fans aus Heidelberg verabschiedete, trugen sie einen noch viel zu knapp ausgefallenen 3:0-Erfolg gegen Kolumbien im Gepäck und die Gewissheit, dass sie auf dem Weg zum WM-Finale kaum noch jemand würde aufhalten können. Ein Spiel später ist aller Zuversicht die Erkenntnis gewichen, dass dieser jemand schon im Viertelfinale warten könnte und Brasilien heißt. Zwar sprach Trainerin Pia Sundhage reichlich kryptisch davon, „dass wir ab jetzt nur noch über das Finale nachdenken“. Die Favoritenrolle sind die Amerikanerinnen nach dem 1:2 gegen Schweden jedenfalls erst einmal los. Nichts Ungewöhnliches bei der Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Deutschland, bei der jeden Tage neue Kandidaten für den Endspielsieg am 17. Juli in Frankfurt ernannt werden.

Das fügt sich in eine zuvor nicht ganz ernst genommene Prognose von Silvia Neid. Die Bundestrainerin hatte vor dem Turnier immer wieder betont: Es wird enger im Frauenfußball, es gibt nicht nur einen Favoriten, sechs oder sieben Teams haben eine Chance auf den Titel. In der Öffentlichkeit ging das zunächst als Selbstschutzmaßnahme durch. Wer nicht die Last der Favoritenrolle tragen will, verteilt sie eben auf ein paar Mannschaften. Nach dem Ende der Gruppenphase allerdings bestätigt sich dieser Eindruck: Da sind die üblichen Verdächtigen Brasilien, USA und Deutschland, aber spätestens seit dem Überraschungssieg über die Amerikanerinnen muss man auch die Schwedinnen ernst nehmen. Speziell die Deutschen werden sich hüten, die Japanerinnen abzuschreiben, Frankreich hätte gegen Deutschland beinahe in Unterzahl ein Comeback geschafft, und was spricht eigentlich gegen England?

Die Weltspitze im Frauenfußball scheint enger zusammenzurücken. In der Vorrunde gab es kaum hohe Siege. Das deutlichste Ergebnis hieß 4:0. Ein 11:0 wie vor vier Jahren gegen Argentinien schaffte auch die deutsche Mannschaft nicht mehr. Die Spiele waren nicht immer hochklassig, es gab haarsträubende Fehler, von Torhüterinnen und Schiedsrichterinnen vor allem, aber das ist normal in einer WM-Vorrunde. Es gab Überraschungen wie Australien und das Ausscheiden der Norwegerinnen und Nordkoreas.

Die deutsche Mannschaft lieferte zunächst zwei Gruppenspiele, die ihrem Anspruch auf Dominanz und Klasse kaum entsprachen. So ist das oft, wenn es um viel geht, und zwar nicht nur bei den Frauen. Dann, in einem Spiel, in dem es eigentlich um nichts mehr ging, spielte sich die deutsche Mannschaft frei. Beim 4:2 über Frankreich zeigten sie endlich ein Spiel auf hohem Niveau. Prompt schanzte Bruno Bini den Deutschen wieder die schon verloren geglaubte Favoritenrolle zu. „Wir sind noch im Rennen um den zweiten Platz“, sagte er, aber wer dem ironisch-selbstbewussten französischen Trainer in den vergangenen WM-Tagen häufiger zugehört hat, wird das kaum als Kapitulationsangebot begreifen. Sondern als willkommene Gelegenheit, von der eigenen Stärke abzulenken.

Doch bei allem Respekt vor dem deutschen Sieg über Frankreich: Das stärkste Spiel bei dieser WM zeigten am Mittwoch Schweden und die USA, die schon als sicherer Weltmeister gehandelt wurden in jener Turnierphase, als die Deutschen schwächelten. Am Mittwoch zeigte sich, dass auch das voreilig war. Die Schwedinnen, die in den ersten Gruppenspielen vor dem Tor viel zu harmlos waren, machten ein starkes Spiel und waren den USA auch läuferisch überlegen. Neun Punkte aus drei Spielen hätte ihnen kaum jemand zugetraut. „Wir sind sehr zufrieden“, sagte Schwedens Trainer Thomas Dennerby.

Seine Kollegin auf amerikanischer Seite dürfte das kaum überrascht haben. Pia Sundhage führte Schweden 1984 als Kapitänin zum Gewinn der Europameisterschaft, daheim trainierte sie elf Jahre lang die Nachwuchsnationalmannschaft. Niemand außerhalb Schwedens kennt die Schwedinnen so gut wie die US-Trainerin, vergeblich hatte sie gewarnt vor dem das hohen Tempo, das ihre Landsfrauen gehen können. „Die Schwedinnen haben sehr gut gespielt“, sagte Pia Sundhage. Und ihre Amerikanerinnen zeigten sich in der Abwehr überraschend verwundbar. In den beiden WM-Spielen vor dem Gipfel gegen Schweden hatten sie kein einziges Gegentor kassiert.

Dass es gegen Brasilien mit dem Weiterkommen dennoch klappen könnte, liegt an der besten Fußballspielerin der Welt. Gerade weil diese nicht für die USA spielt. Brasiliens Erfolg ist so sehr auf Marta fixiert, dass ein Spielplan sich schon darauf reduzieren könnte, die Frau mit der berühmten Nummer 10 aus dem Spiel zu nehmen. Wie das funktionieren könnte, bekam die Seleçao Marta beim mühsamen 1:0 im Vorrundenspiel gegen Australien, den größtmöglichen Außenseiter, der es ins Viertelfinale geschafft hat, zu spüren. Marta sprach von einem harten Stück Arbeit – und ganz im Ton von Silvia Neid: „Diese WM ist die ausgeglichenste, die es je gegeben hat.“

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