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Sport: Von Fortuna verlassen

Jean Löring wollte in die Bundesliga aufsteigen und die Nummer eins in der Stadt werden – jetzt ist er pleite, und sein Klub Fortuna Köln spielt demnächst in der Verbandsliga

Vor dem Kölner Südstadion steht eine große Werbetafel. Die freie Fläche nutzt derzeit eine Online-Partnerbörse, um auf rotem Grund ihre Losung zu verbreiten: „Neue Liebe, neues Leben, neues Glück.“ Den passenden Platz für ihre Botschaft haben sich die professionellen Verkuppler auf alle Fälle ausgesucht, denn hinter dem rostigen Drahtzaun und den kahlen Bäumen liegt die kleine Welt von Fortuna Köln. Vielmehr: Hier lag sie bis vor kurzem. Denn schon im November verließ der Fußball-Traditionsverein seine Heimstätte, weil man die Stadionmiete von 2254 Euro pro Spiel nicht mehr aufbringen konnte. Die traditionsreiche Fortuna spielte fortan auf einer billigeren Bezirkssportanlage irgendwo in einer Baulücke.

In Neuanfängen ist der Klub mittlerweile sehr bewandert. Am 15. November musste er den dritten Insolvenzantrag innerhalb von vier Jahren stellen. Zwischen Weihnachten und Neujahr reichte er schließlich auch die sportliche Bankrotterklärung ein. Fortuna Köln, in der Oberliga nach 17 meist deftigen Niederlagen in 18 Spielen ohnehin schon kaum noch mit Hoffnungen auf den Klassenerhalt, zog seine Mannschaft vom Spielbetrieb zurück. 26 Jahre lang gehörte der Verein der Zweiten Bundesliga an, so lange wie kein anderer Verein. In der Saison 1973/74 spielte er sogar in der Ersten Liga. Im Sommer 2005 wird er in der Verbandsliga Mittelrhein antreten.

Genau sechs Jahre ist es her, da wollte Fortuna noch nach oben, zurück in die Bundesliga. Es herrschte Aufbruchstimmung beim kleinen Kölner Verein, und dafür war in erheblichem Maße der große Fußballklub der Stadt verantwortlich: der 1. FC Köln mit seinem ersten von inzwischen auch schon drei Abstiegen. Die kleine Fortuna witterte ihre große Chance, die Nummer eins in der Stadt zu werden. Der patriarchalische Präsident und Geldgeber Jean Löring ordnete diesem Ziel alles andere unter. Um es erreichen zu können, hatte Trainer Harald Schumacher vor der Saison für Fortuna-Verhältnisse immens viel Geld für neue Spieler ausgeben dürfen. „Das war der Genickbruch“, urteilt Arnold Lemaire heute. Der 52-Jährige ist Vorstandsmitglied und Jugendleiter der Fortuna.

Schumachers teure Mannschaft konnte die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Sie hatte mit dem Kampf um den Aufstieg nichts zu tun, und doch war ihr Trainer nicht ganz unbeteiligt daran, dass der Verein aus dem Stadtteil Zollstock am 15. Dezember 1999 weltbekannt wurde. Den größten Anteil an diesem plötzlichen Ruhm hatte aber ohne Zweifel Jean Löring.

Der Präsident entließ den einstigen Nationaltorwart Schumacher an eben jenem Tag. Aber er tat es nicht einfach so. Beim Heimspiel gegen Waldhof Mannheim warf er Schumacher in der Halbzeitpause aus dem Verein, mit den ebenso legendären wie nicht jugendfreien Worten: „Du hast hier nichts mehr zu sagen, du Wichser!“ Einen ähnlichen Vorgang hatte es im Profi-Fußball noch nie gegeben. Das „Vereinche“ (Löring) aus dem Kölner Süden hatte seine größte Story. Der Präsident verteidigte seine Pausenaktion später mit der kaum untertriebenen Behauptung: „Ich als Verein musste ja reagieren.“

Auch den Weg nach unten beschritten Löring und seine Fortuna gemeinsam. Ein Jahr nach der Halbzeitaktion war der Klub in die Regionalliga abgestiegen und die Firma des Patriarchen pleite. Bei Löring wurde zwangsvollstreckt. Im Januar 2001 stellte Fortuna Köln den ersten Insolvenzantrag.

Heute hängt Fortunas Glück nicht mehr mit dem Namen Jean Löring zusammen. Der alles entscheidende Mann ist momentan Christoph Niering. Er ist, wie schon bei den ersten beiden Malen, der zuständige Insolvenzverwalter. Nur mit seiner Zustimmung kann der Verein im Sommer wie geplant als Verbandsligist und dann schuldenfrei einen Neuanfang wagen. Gibt er seinen Segen nicht, geht es für den Klub unter dem neuen Namen „SC Fortuna Köln 2005“ in der Kreisliga ganz von vorne los.

Auch räumlich gesehen hat Löring nicht mehr viel mit dem Klub zu tun, den er einst personifizierte. Fortuna hat ihn verlassen, einfach so. Der 70-Jährige lebt noch immer direkt am Südstadion, der alten Heimat seiner großen Liebe. Fast scheint es, als warte er auf ihre Rückkehr. In der Zwischenzeit muss er leiden. Im Südstadion tragen jetzt die Amateure des 1. FC Köln vor seiner Haustür ihre Heimspiele aus.

Wenn Jean Löring auf das alte Fortuna-Vereinslokal „Bacchus“ blickt, sieht er nur bröckelnden Putz und heruntergelassene Rollläden. Das muss weh tun. Geblieben sind nur die Geschichten, die sich um Löring und das Südstadion ranken. Angeblich hat der gelernte Elektriker hier einmal nach einem Flutlichtausfall ein Stromkabel eigenhändig repariert und damit einen Spielabbruch verhindert.

Im Südstadion steht Platzwart Gerd Thimm. Der 49-Jährige schüttelt traurig den Kopf und zeigt quer über das Spielfeld in Richtung Tribüne. „Der Löring hat da vorne in der Kabine an ein paar Knöpfen rumgedreht, zwei Kabel gegeneinander gehalten“, sagt er. „Am nächsten Tag war das Bild in der Zeitung.“ Repariert habe er dabei jedoch gar nichts. „Da sind gar keine Flutlichtkabel drin.“ Nicht einmal die Anekdoten wollen sie ihrem einstigen Präsidenten lassen.

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